Arbeitsrecht

Aktuelles vom BAG: Der vom Betriebsrat auf Kosten des Arbeitgebers beauftragte Rechtsanwalt

07.04.2017
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Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in einer aktuellen Entscheidung zu mehreren Fragen geäußert, die sich in der Praxis immer wieder stellen, wenn der Betriebsrat auf Kosten des Arbeitgebers einen Rechtsanwalt beauftragt. Mit dieser Entscheidung bestätigt das BAG seine bisherige Rechtsprechung, führt diese teilweise aber auch fort. Insbesondere hat sich das BAG dazu geäußert, 

1. welche Kosten für Tätigkeiten des vom Betriebsrat beauftragten Rechtsanwalts zu den nach § 40 Abs. 1 BetrVG vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten der Tätigkeit des Betriebsrats gehören. 

2. in welchen Fällen der Rechtsanwalt des Betriebsrats Sachverständiger i.S.v. § 80 Abs. 3 BetrVG bzw. Berater i.S.v. § 111 Satz 2 BetrVG ist und wann er unabhängig von diesen Vorschriften vom Betriebsrat beauftragt werden kann.

3. was bei der Prüfung der Erforderlichkeit der durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts entstehenden Honorarkosten (§ 40 Abs. 1 BetrVG) zu beachten ist.

4. ob und wann der Betriebsrat die Vereinbarung eines Stundenhonorars für erforderlich halten darf.

BAG, Beschl. v. 14.12.2016 – 7 ABR 8/15

Das BAG hat folgende über den konkret entschiedenen Fall hinaus gehenden, allgemeinen Grundsätze bestätigt bzw. aufgestellt:

1. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Hierzu gehören auch die Honorarkosten für einen Rechtsanwalt, dessen Heranziehung der Betriebsrat zur Durchsetzung oder Wahrung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren oder in einem Einigungsstellenverfahren oder im Vorfeld solcher Verfahren für erforderlich halten durfte. Für die Tätigkeit im Vorfeld gilt dabei, dass die anwaltliche Tätigkeit darauf gerichtet sein muss, die beschlossene Durchführung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens bzw. eines Einigungsstellenverfahrens entbehrlich zu machen. 

2. Das Recht des Betriebsrats auf Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als sein Vertreter bei der Durchsetzung oder Wahrnehmung seiner Mitbestimmungsrechte außerhalb von gerichtlichen Streitigkeiten und Einigungsstellenverfahren ist nicht durch die Regelungen in § 80 Abs. 3 BetrVG und § 111 Satz 2 BetrVG beschränkt. Nach § 80 Abs. 3 BetrVG kann der Betriebsrat bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Nach § 111 Satz 2 BetrVG kann der Betriebsrat bei Betriebsänderungen in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstützung einen Beraterhinzuziehen, ohne eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu treffen. Es ist aber weder Aufgabe eines Sachverständigen i.S.v.  § 80 Abs. 3 BetrVG noch Aufgabe eines Beraters i.S.v. § 111 Satz 2 BetrVG als Vertreter des Betriebsrats aufzutreten und Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu führen. Diese Regelungen finden keine Anwendung, wenn es nicht um die Heranziehung sachkundiger Personen durch den Betriebsrat zum Zwecke seiner Beratung, sondern um die Vertretung des Betriebsrats bei der Durchsetzung oder Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte in arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren oder Einigungsstellenverfahren oder in deren Vorfeld geht. 

3. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber nur solche durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts entstehenden Honorarkosten zu tragen, die der Betriebsrat für erforderlich halten durfte. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit ist der Betriebsrat gehalten, die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers gegeneinander abzuwägen. Der Betriebsrat darf bei der Wahl seiner Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht nicht missachten. Stehen ihm zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte mehrere gleich geeignete Möglichkeiten zu Verfügung, muss er die für den Arbeitgeber kostengünstigere auswählen. Der Betriebsrat muss die Erforderlichkeit u.a. folgender, ggf. auch unterschiedlich zu beurteilender Punkte prüfen: a) Beauftragung (irgend)eines Rechtsanwalts ("Ob"), b) Auswahl des zu beauftragenden Rechtsanwalts ("Wer", ortsansässig oder von außerhalb), c) Art und Höhe der Vergütung, also etwa gesetzliche Vergütung oder Stundenhonorar ("Wie hoch?"). Dem Betriebsrat steht dabei ein gerichtlich eingeschränkt überprüfbarer (aber eben nicht freier!) Beurteilungsspielraum zu.

4. Der Betriebsrat darf die Vereinbarung eines Stundenhonorars, die zu höheren als den gesetzlichen Gebühren führt, grundsätzlich nicht für erforderlich halten. Kann der Betriebsrat nicht einschätzen, ob die Honorarzusage zu höheren als den gesetzlichen Gebühren führt, hat er von der Erteilung einer Honorarzusage abzusehen. Die Erteilung einer Honorarzusage kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Das kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber mit der Honorarvereinbarung einverstanden ist oder in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen die Erteilung einer solchen Zusage stets akzeptiert hat. Ein solcher Ausnahmefall kann auch vorliegen, wenn der Verhandlungsgegenstand eine spezielle Rechtsmaterie betrifft, der vom Betriebsrat ausgewählte, über die entsprechenden Spezialkenntnisse verfügende Rechtsanwalt zur Übernahme des Mandats nur bei Vereinbarung eines Zeithonorars bereit ist und der Betriebsrat keinen vergleichbar qualifizierten Rechtsanwalt zu günstigeren Konditionen findet.

Beraterhinweis: Die Entscheidung ist sowohl auf Arbeitgeberseite als auch auf Seiten des Betriebsrats eine gute Orientierung, wann der Betriebsrat auf Kosten des Arbeitgebers einen Rechtsanwalt beauftragen darf, wonach sich dies jeweils richtet und was dabei zu beachten ist. Beide Betriebsparteien sind gut beraten, wenn sie dies beachten und so unnötige Streitigkeiten (vor, während oder nach der der Beauftragung des Rechtsanwalts des Betriebsrats) tunlichst vermeiden. Soweit es möglich ist und der Vorgehensweise der jeweiligen Partei nützt, sollte die Kostenfrage bereits vor Beauftragung des Rechtsanwalts des Betriebsrats einvernehmlich geklärt werden. Denn dann kann die notwendige Konzentration ausschließlich den eigentlichen Sachfragen gewidmet werden.

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