Sozialrecht

Behindertenwohnheim für Blutzuckermessung zuständig

Zuletzt bearbeitet am: 13.04.2024

Kassel (jur). Leben pflegebedürftige Diabetiker in einem Wohnheim für Behinderte, muss dieses auch für die notwendige Blutzuckermessung der Bewohner sorgen. Die Krankenkasse ist für solche einfachsten Tätigkeiten der häuslichen Krankenpflege in einer vollstationären Einrichtung nicht zuständig, urteilte am Mittwoch, 22. April 2015, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 3 KR 16/14 R). Es bestätigte damit seine bisherige Rechtsprechung.

In dem neuen Fall hatte sich die AOK Bayern geweigert, für die häusliche Krankenpflege bei einem pflegebedürftigen Bewohner eines Wohnheims für Behinderte aufzukommen. Der Heimbewohner ist an Diabetes erkrankt und auf Blutzuckermessungen und Insulininjektionen angewiesen.

Das Wohnheim der Lebenshilfe hatte hierfür einen Pflegedienst beauftragt, da nicht ausreichend qualifiziertes Personal vorhanden sei. Die Kosten des Pflegedienstes sollte nun die AOK im Rahmen der häuslichen Krankenpflege übernehmen.

Die Krankenkasse lehnte dies ab. Die Pflegekassen würden den Einrichtungen für die medizinische Behandlungspflege bereits Pauschalen zahlen. Damit sei die Pflege abgegolten. Das Wohnheim sei daher für die Behandlungspflege zuständig.

Der Diabetiker meinte, dass das Wohnheim ihm keine Behandlungspflege schulde. Müsse die AOK nicht für die Kosten aufkommen, dann sei eben der Sozialhilfeträger in der Pflicht.

Das BSG verwies das Verfahren an die Vorinstanz zu weiteren Tatsachenfeststellungen zurück. Allerdings müsse eine vollstationäre Einrichtung wie das Wohnheim einfachste Pflege-Tätigkeiten selbst erbringen. Einfachste Maßnahmen seien grundsätzlich jene, die auch von Angehörigen erbracht werden können, so der 3. BSG-Senat. Dazu gehöre nicht nur das Anziehen von Kompressionsstrümpfen und die Medikamentengabe, sondern auch die Blutzuckermessung bei Diabetikern. Die Kosten für die Gabe von Insulinspritzen müsse dagegen die Krankenkasse erstatten.

Ähnlich hatte der 3. BSG-Senat im Februar 2015 entschieden. In den beiden damals entschiedenen Fällen hatte das Hamburger „Jakob-Junker“-Heim für Wohnungslose der Heilsarme häusliche Krankenpflege für zwei Obdachlose erbracht. Bei einem Bewohner, einen drogenabhängigen HIV-infizierten Mann sollte die Medikamenteneinnahme kontrolliert, bei dem anderen Wohnsitzlosen sollten zusätzlich noch Verbände gewechselt und Blutdruckmessungen sowie Injektionen durchgeführt werden.

Krankenkassen seien dabei grundsätzlich auch in Einrichtungen der Eingliederungshilfe für die häusliche Krankenpflege in Form einer medizinischen Behandlungspflege zuständig, entschied auch hier das BSG; einfachste, auch von Laien auszuübende Tätigkeiten seien von den Einrichtungen aber selbst zu leisten (Urteil vom 25. Februar 2015, Az.: B 3 KR 10/14 R und B 3 KR 11/14 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag).

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik: © Jörg Lantelme - Fotolia

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Sozialrecht Bundessozialgericht bestätigt: Keine Diskriminierung von Vätern bei Rentenpunkten

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass die automatische Zuordnung von Kindererziehungszeiten zu Müttern in der Rentenversicherung keine Diskriminierung von Männern darstellt (Az.: B 5 R 10/23 R ). Bundessozialgericht prüft Väter-Diskriminierung bei Kindererziehungszeiten Die standardmäßige Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei der Mutter, wenn keine Einigung zwischen den Eltern erfolgt, wurde vom Bundessozialgericht überprüft. In diesem Fall befasste sich der 5. Senat mit der Frage, ob eine solche Regelung, wie sie in § 56 Absatz 2 Satz 9 SGB VI festgehalten ist, eine verfassungswidrige Benachteiligung von Vätern darstellt. Diese gesetzliche ... weiter lesen

Sozialrecht Verwaltungsgericht Aachen: Hautkrebs eines Polizisten keine Berufskrankheit

Das Verwaltungsgericht Aachen hat in seinem Urteil (Az.: 1 K 2399/23 ) die Hautkrebserkrankung eines ehemaligen Polizisten nicht als Berufskrankheit anerkannt. Polizist fordert Anerkennung von Hautkrebs als Berufskrankheit Ein langjähriger Polizeibeamter, der nahezu sein ganzes Berufsleben im Streifendienst verbrachte, forderte die Anerkennung seiner Hautkrebserkrankung als Berufskrankheit. Der Betroffene argumentierte, während seiner fast 46 Dienstjahre hauptsächlich im Freien tätig gewesen zu sein, ohne dass ihm Schutzmittel gegen UV-Strahlung zur Verfügung gestellt wurden oder auf die Wichtigkeit solcher Schutzmaßnahmen hingewiesen wurde. Aufgrund ... weiter lesen

Sozialrecht LSG-Urteil: Einzelfahrten von Fahrtrainern als Arbeitsunfall anerkannt

Im aktuellen Fall des Landessozialgerichts Baden-Württemberg wurde entschieden, dass die Erkundungsfahrt eines Fahrtrainers als Arbeitsunfall gilt (Az.: L 8 U 3350/22 ). Fahrtrainer-Unfall auf Erkundungsfahrt: Streit um Arbeitsunfall Ein selbständiger Motorrad-Fahrtrainer verletzte sich schwer, als er allein auf Erkundungsfahrt für ein bevorstehendes Training stürzte. Der Unfall ereignete sich 50 km entfernt von seinem Zuhause. Er argumentierte, dass die Fahrt zur Vorbereitung auf ein spezielles Training notwendig war, um die Straßenverhältnisse zu prüfen. Seine Unfallversicherung lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab, da sie die Fahrt als private ... weiter lesen

Sozialrecht Landessozialgericht entscheidet: Kein Unfallversicherungsschutz auf indirektem Arbeitsweg

Im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg wurde der Fall einer Klägerin behandelt, die auf einem Umweg zur Arbeit verunfallte und daher keinen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung hatte (Az.  L 10 U 3232/21 ). Mutter nach Umweg-Unfall ohne Versicherungsschutz Eine Frau begleitete ihre Tochter auf dem Schulweg zu einem Treffpunkt, der entgegengesetzt zu ihrer Arbeitsstelle lag. Nach diesem Umweg ereignete sich auf dem Weg zur Arbeit, jedoch noch vor dem Erreichen der direkten Route von ihrer Wohnung aus, ein Unfall, bei dem sie schwer verletzt wurde. Die gesetzliche Unfallversicherung lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ... weiter lesen

Ihre Spezialisten