Medizinrecht

BGH stärkt psychisch Kranke bei Einrichtung einer „Betreuung“

Zuletzt bearbeitet am: 07.03.2024

Karlsruhe (jur). Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat erneut die Rechte psychisch kranker Menschen gestärkt, die einer sogenannten Betreuung unterworfen werden sollen. Diese teilweise Entmündigung setzt ein Gutachten eines qualifizierten Arztes „mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie“ voraus, heißt es in einem am Donnerstag, 26. September 2013, veröffentlichten Beschluss vom 7. August 2013 (Az.: XII ZB 188/13). Ziehen Betroffene ihre zunächst gegebene Einwilligung zurück oder ändern sie ab, müssen sie erneut angehört werden.

Die Betreuung hat 1992 die frühere Vormundschaft abgelöst. Sie ist nach Aufgabenbereichen, sogenannten Aufgaben- oder Wirkungskreisen, gegliedert. Die Betreuung erfolgt entweder ehrenamtlich, etwa durch Angehörige, oder durch gerichtlich bestimmte Berufsbetreuer.

Im Streitfall einer Frau aus Hamburg war schon mehrfach eine Betreuung angeregt worden. Eine als Sachverständige berufene Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie bestätigte zwar eine schizophrene Psychose; die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung hielt sie in zwei Gutachten 2011 und 2012 aber nicht für erforderlich.

Einige Monate später musste die Frau wegen eines Schulterbruchs in ein Krankenhaus. Dort berichtete sie von häuslicher Gewalt durch ihren Ehemann und ihren Sohn. Die Ärzte regten daher wiederum eine Betreuung an.

Das Amtsgericht Hamburg entschied sich diesmal für einen neuen Gutachter, der seine Stellungnahme als „ärztlicher Gutachter“ unterschrieb. Daraufhin bestellte das Amtsgericht einen Berufsbetreuer unter anderem für die Aufgabenkreise Gesundheit und Vertretung gegenüber Behörden.

Diese Entscheidung hat der BGH nun verworfen. Das Amtsgericht habe den Sachverstand des Gutachters nicht ausreichend geprüft. Soweit sich dieser nicht schon aus der Fachbezeichnung des Arztes ergebe, müsse das Gericht anderweitig klären und in seiner Entscheidung festhalten, dass der ärztliche Gutachter über ausreichend Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie verfügt. Dies sei hier nicht geschehen.

Zudem hätten die Gerichte die Frau erneut anhören müssen, so der BGH weiter. Sie habe sich zwar zunächst mit der Bestellung eines Berufsbetreuers einverstanden erklärt und gesagt, dass sie nicht von ihrem Sohn betreut werden wolle. Vor dem Landgericht Hamburg habe sie ihre Meinung aber wieder geändert. Das Landgericht hätte sich daher „selbst einen Eindruck davon verschaffen müssen, ob sie tatsächlich nicht in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden“, heißt es in dem Karlsruher Beschluss.

Allerdings müssen Gerichte dem Wunsch Betroffener nach einem bestimmten Betreuer nicht nachkommen, wenn dieser ihrem Wohl widerspricht, betonte der BGH. So habe es hier offenbar Gewalt des Sohnes gegen seine Mutter gegeben. Auch wenn sie nun diesen Sohn als Betreuer wünschen sollte, könne das Gericht stattdessen einen Berufsbetreuer bestellen.

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Medizinrecht Zweifel bei Freistellung von Masernschutzimpfung eines Schülers

Düsseldorf (jur). Bei Zweifel an einem ärztlichen Zeugnis über eine Freistellung von einer Masernimpfung kann das Gesundheitsamt eine amtsärztliche Untersuchung anordnen. Mit Zwangsmitteln kann die ärztliche Untersuchung allerdings nicht durchgesetzt werden, entschied das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einem am Freitag, 17. November 2023, bekanntgegebenen Beschluss (Az.: 29 L 2480/23).  Konkret ging es um einen siebenjährigen Schüler aus Wuppertal. Dieser wollte ohne vorgeschriebene Masernschutzimpfung die Schule besuchen. Hierfür legte er ein ärztliches Attest einer Ärztin aus der Oberpfalz vor. Diese hatte ihm auf einem Vordruck bescheinigt, dass der ... weiter lesen

Medizinrecht Patientenverfügung muss Behandlungssituation erfassen

Karlsruhe (jur). Soll eine Patientenverfügung eine Zwangsbehandlung in der geschlossenen Psychiatrie verhindern, darf der psychisch Kranke das Behandlungsverbot nicht zu allgemein fassen. Die in der Verfügung enthaltene Regelung muss sich auf die konkrete Behandlungssituation der geschlossenen Unterbringung beziehen und die etwaigen Konsequenzen wie etwa Gesundheitsschäden bei ausbleibender Behandlung erfassen, forderte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Mittwoch, 17. Mai 2023, veröffentlichten Beschluss (Az.: XII ZB 232/21). Bei einer bestehenden konkreten Gefahr für Leib und Leben anderer Personen – wie etwa Pflegekräfte und Ärzte – kann die Zwangsmedikation ... weiter lesen

Medizinrecht Kein Schmerzensgeld für „Krebsangst“ wegen verunreinigter Arznei

Frankfurt/Main (jur). Wenn eine später festgestellte Verunreinigung eines Medikaments das Krebsrisiko minimal erhöht, rechtfertigt dies keine Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am Dienstag, 16. Mai 2023, bekanntgegebenen Urteil entschieden (Az.: 13 U 69/22).  Hintergrund sind 2018 bei einem chinesischen Hersteller festgestellte Verunreinigungen des Wirkstoffs Valsartan. Er enthielt N-Nitrosodimethylamin, das als „wahrscheinlich krebserregend“ gilt. Mehrere Pharmaunternehmen, die den Blutdrucksenker von dort bezogen hatten, mussten ihre Medikamente zurückrufen. Die Klägerin aus Südhessen ... weiter lesen

Medizinrecht Haartransplantation im In- und Ausland: Worauf Patienten vor der OP achten sollten

Eine Haartransplantation ist ein medizinischer Eingriff, der mit erheblichen Risiken verbunden sein kann. Wenn bei diesem Eingriff Fehler auftreten, kann der Patient unter Umständen Anspruch auf Schadensersatz haben. Sorgfältige Auswahl der medizinischen Einrichtung Vor einer Entscheidung für eine Haartransplantation sollten Patienten sorgfältig prüfen, welche Aspekte zu berücksichtigen sind. Ferner ist besonders die gründliche Recherche über den behandelnden Arzt oder die Klinik von Bedeutung. Wird eine Transplantation im Ausland in Betracht gezogen, kann die Auskunft zusätzlich erschwert sein.  Erfahrungsberichte Eine Möglichkeit, die ... weiter lesen

Ihre Spezialisten