Kassel (jur). Der Miteigentümer und Mitbewohner eines Eigenheims ist nicht automatisch ein Lebenspartner, der für einen aufkommen will und muss. In dieser Situation kann daher durchaus Anspruch auf Hartz IV bestehen, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) am Donnerstag, 23. August 2012 (Az.: B 4 AS 34/12 R). Mit ihrem Grundsatzurteil klärten die Kasseler Richter die gesetzlichen Voraussetzungen, wann bei Hartz IV Partnereinkommen angerechnet werden.
Danach kann eine Frau aus dem Raum Hannover noch mit erheblichen Hartz-IV-Nachzahlungen rechnen. 1975 zog sie mit einem Mann zusammen, mit dem früher auch eine Partnerschaft bestand. Seit Jahrzehnten, so die Klägerin, bestehe aber „eine Trennung von Tisch und Bett“. Dennoch kauften sie 1986 aus praktischen Gründen gemeinsam ein kleines Reihenhaus mit 90 Quadratmetern Wohnfläche. Dort lebten sie nach Etagen getrennt.
Die Kosten des Hauses trugen sie hälftig von einem gemeinsamen Konto, ansonsten hatten beide ihr eigenes Konto. Auf Wunsch der Bank, die das Haus finanziert, hatten sie sich für diese Konten aber gegenseitige Vollmachten eingeräumt.
Als die Frau arbeitslos wurde, zahlte das Jobcenter zunächst Hartz IV, strich die Leistung aber ab Juni 2007. Der Mann könne mit seiner Rente und Betriebsrente von zusammen 2.000 Euro für ihren Unterhalt aufkommen.
Das Sozialgericht Hannover und das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle teilten diese Auffassung. Offenkundig liege eine über Jahrzehnte aufrechterhaltene persönliche Beziehung vor. Dass die gegenseitigen Kontovollmachten in dieser Zeit nie genutzt wurden, sei unerheblich.
Wie nun das BSG entschied, lässt sich aus dem gemeinsam finanzierten Eigenheim aber noch nicht auf eine sogenannte Bedarfsgemeinschaft schließen, in der die Einkünfte gegenseitig anzurechnen sind.
Laut Gesetz, so stellten die Kasseler Richter klar, bestünden drei Voraussetzungen für eine solche Bedarfsgemeinschaft: Erstens müsse überhaupt eine Partnerschaft bestehen, also „eine Ausschließlichkeit der Beziehung, die keine vergleichbare Beziehung daneben zulässt“. Zweitens müssten beide in einem Haushalt zusammenleben und „aus einem Topf“ nach gemeinsamen Absprachen wirtschaften. Wenn dies beides zutrifft, komme es drittens auch auf den subjektiven Willen der Partner an, füreinander einzustehen. Dies bedeute, dass in Krisenzeiten die Existenzsicherung des Partners vorrangig gegenüber eigenen nicht existenziellen Bedürfnissen ist.
Nach der Kasseler Verhandlung bestanden beim 4. BSG-Senat in allen drei Punkten erhebliche Zweifel. Wegen der dürftigen Tatsachenfeststellungen des LSG muss dies den Fall aber nun nochmals prüfen.
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