Karlsruhe (jur). Die Mitglieder der urchristlichen Glaubensgemeinschaft „Zwölf Stämme“ müssen einen RTL-Fernsehbericht über Kindesmisshandlungen in der Sekte bis auf weiteres hinnehmen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Mitglieder der „Zwölf Stämme“ mit der Fernsehausstrahlung in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht unzulässig verletzt worden sind, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag, 29. Oktober 2013, veröffentlichten Beschluss (Az.: 1 BvR 2519/13). Die Karlsruher Richter lehnten damit den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab, den TV-Bericht nicht zu zeigen.
Konkret ging es um eine mehrmonatige verdeckte Recherche des RTL-Journalisten Wolfram Kuhnigk. Dieser hatte sich in der Glaubensgemeinschaft zwölf Tage als „Gast“ im ehemaligen Kloster im bayerischen Deiningen aufgehalten und die Lebensumstände der Sekte auf Video heimlich dokumentiert.
Dabei konnte der Reporter mit versteckter Kamera filmen, wie Sektenmitglieder mehrere Kinder in fensterlosen Räumen regelmäßig, teilweise mit Weidenruten, auf den nackten Po schlugen. Anlass für die Schläge waren Nichtigkeiten wie Spielen oder Reden beim Essen. Die Personen waren in dem Beitrag unkenntlich gemacht.
Aufgrund des am 9. September 2013 gesendeten RTL-Berichts reagierten auch die Behörden. Den Eltern von 40 Kindern wurde wegen des Verdachts der Kindesmisshandlung vorläufig das Sorgerecht entzogen. Die Kinder wurden von Polizei und Jugendamt-Mitarbeitern abgeholt und in Pflegefamilien gebracht.
Den Fernsehbericht wollte die Sekte von Anfang an per einstweiliger Anordnung verhindern. Ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht werde verletzt. Die „angeblich schlagenden Eltern“ und die „angeblich geschlagenen Kinder“ würden durch die „zirkusartige Darbietung“ in den Aufzeichnungen „irreversibel bloßgestellt“. Es werde lediglich das „bloße Sensationsinteresse“ befriedigt und zudem die „strafrechtliche Grenze des Verbots von Pornografie“ überschritten.
Doch sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Köln lehnten den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Auch die Verbreitung heimlich beziehungsweise widerrechtlich erlangter Informationen falle in den Schutzbereich der Meinungs- und Pressefreiheit, so das OLG in seinem Beschluss vom 9. September 2013 (Az.: 15 W 56/13).
Dass die konkret erhobenen Vorwürfe haltlos seien, sei „angesichts der vorläufigen Sorgerechtsentziehungen ebenso wenig glaubhaft wie eine behauptete Manipulation der Aufnahmen“, entschied das OLG. Wegen des erheblichen öffentlichen Interesses habe hier die Meinungsfreiheit gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der verfremdet gezeigten Personen Vorrang.
Das Bundesverfassungsgericht stellte in seinem Beschluss vom 9. September 2013 klar, dass die Instanzgerichte zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt haben. RTL habe die „relevanten verfassungsrechtlichen Grundsätze, insbesondere zu heimlichen Aufzeichnungen und zum Bildnisschutz“ beachtet. So wurden die gezeigten Personen unkenntlich gemacht. Es sei daher nicht erkennbar, inwiefern das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen so stark beeinträchtigt wurde, dass die Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt werden kann.
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