Überstunden oder Mehrarbeit anordnen – wann ist das zulässig und welche Fristen Arbeitgeber beachten müssen

Von fachanwalt.de-Redaktion, letzte Bearbeitung am: 8. Mai 2024

Für die einen sind es Zeichen des kapitalistisch-ausbeuterischen Unternehmertums, für die anderen notwendige Ergänzung zum monatlichen Einkommen. Es gibt nicht viele Themen, die die Arbeitsgerichte mit so schöner Regelmäßigkeit beschäftigen, wie Überstunden / Mehrarbeit. Was können und dürfen Arbeitgeber tatsächlich? Sind Arbeitnehmer zu Überstunden verpflichtet und wie viele Stunden müssen geleistet werden? Wird Mehrarbeit bezahlt? Ein Bündel spannender Themen, zu denen sie hier die Antwort finden. Kurz und bündig.

Darf der Arbeitgeber Überstunden oder Mehrarbeit anordnen?

In erster Linie ist die Anordnung von Überstunden mitbestimmungspflichtig. Es muss also laut § 87 BetrVG der Betriebsrat informiert werden. Es sei denn es liegt bereits eine vertragliche Regelung oder Betriebsvereinbarung vor.

Fehlt im Arbeitsvertrag die Regelung für Überstunden (Ausmaß, Anordnung), dann besteht für den Arbeitnehmer trotz Anordnung keine Verpflichtung zur Leistung.

Die Ausnahme besteht dann, wenn ein erheblicher Schaden droht. Das kann eine Lieferverzögerung genauso sein, wie ein Elementarschaden (Feuer, Wasser, Sturm).

Eine Anordnung von Überstunden durch den Vorgesetzen darf nur erfolgen, wenn die letzten sechs Monate die durchschnittliche, tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden nicht überschritten wurde.

Unterschied Überstunden – Mehrarbeit

Überstunden / Mehrarbeit anordnen (© adrianilie825  / fotolia.com)
Überstunden / Mehrarbeit anordnen (© adrianilie825 / fotolia.com)
Obwohl beide Begriffe meistens synonym verwendet werden, gibt es einen Unterschied:

  • Überstunden: Arbeitsleistung vom vertraglich festgelegten täglichen Stundenausmaß (z.B. 8 Stunden) bis zur Erreichung der Höchststundengrenze (10 Stunden). Bei Überstunden handelt es sich also um die Überschreitung der regelmäßig geltenden Arbeitszeit, die aufgrund von Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung fixiert/vereinbart sind.

 

  • Mehrarbeit meint die Arbeitszeit, die die tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden übersteigt und innerhalb von 24 Wochen wieder ausgeglichen werden muss. Es hat somit keinerlei Bezug zur Vergütung. Man darf also die tägliche Arbeitszeit auf 10 Stunden ausweiten, muss aber innerhalb der 24 Wochen wieder auf die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit kommen. Man spricht also von Mehrarbeit, wenn die gesetzliche Höchstarbeitszeit überschritten wurde.

Frist: Wie lange vorher kann der Chef Mehrarbeit anordnen?

Falls es sich um betriebliche Notfälle handelt, betriebliche Gründe vorliegen, können Überstunden sehr kurzfristig angeordnet werden.

Ist dies nicht der Fall und wird der Zeitraum der Ankündigung im Arbeitsvertrag nicht definiert, kann sich der Arbeitgeber an §315 BGB orientieren. Er hat sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben. Konkret heißt das, er hat bei der Anordnung von Überstunden die privaten Belange der Arbeitnehmer angemessen zu berücksichtigen.

Obwohl es keine offizielle Regelung gibt, kann an §12 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) angelehnt werden. Der Gesetzgeber definiert hier den Ankündigungszeitraum für Arbeit auf Abruf mit 4 Tagen im Voraus. Daraus kann abgeleitet werden, dass dies auch bei der angeordneten Leistung von Überstunden zutrifft.

Form: mündlich oder schriftlich?

Im Regelfall ist die Anordnung von Überstunden formfrei und bedarf nicht der Schriftlichkeit. Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit ist eine schriftliche Anordnung zu empfehlen.

Fachanwalt.de-Tipp: Die Erstellung von Vereinbarungen für die Leistung von Überstunden sollte in jedem Fall mit der Hilfe von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht vorgenommen werden.

Muster einer Anordnung von Überstunden

Im Folgenden finden Sie ein Muster einer Anordnung von Überstunden zur kostenlosen Nutzung.

Das folgende Muster ist an die jeweiligen Erfordernisse anzupassen. Es geht davon aus, dass es keine Betriebsvereinbarung oder andere rechtliche Instrumente gibt, die die Leistung von Überstunden / Mehrarbeit regelt. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Anordnung von Überstunden

Gültig für Dienstvertag für __________________ vom______________

§ 1 Die Normalarbeitszeit beträgt ____ Stunden und wird mittels Zeitkontrollsystem erfasst.

§ 2 Es besteht eine Verpflichtung zu Überstunden und Mehrarbeit im Rahmen der gesetzlichen
Bestimmungen (ArbZG) und der Betriebsvereinbarung vom _____________.

§ 3 Überstunden müssen durch den Vorgesetzten angeordnet werden.

§ 4 Überstunden und Mehrarbeit werden durch Freizeit ausgeglichen. Eine Abgeltung findet nur auf Antrag des Arbeitnehmers und in Ausnahmefällen statt.

§ 4.1 Überstunden, die zur Auszahlung kommen, werden mit der nächsten Monatsabrechnung im Folgemonat ausgeglichen.

§ 5 Überstunden und Mehrarbeit werden wie reguläre Arbeit vergütet. Nacht- und Feiertagsarbeit analog der gesetzlichen Bestimmungen.

§ 6 Der Abbau von Überstunden ist mit dem Vorgesetzen zu planen.

§ 7 Alle anderen Vereinbarungen des Arbeitsvertrages bleiben von dieser Vereinbarung unberührt.

§ 8 Salvatorische Klausel: Soll­te ei­ne Be­stim­mung die­ser Vereinbarung un­wirk­sam sein oder wer­den, nichtig sein oder nichtig werden, so wird die Wirk­sam­keit der üb­ri­gen Be­stim­mun­gen da­von nicht be­rührt. An­stel­le der un­wirk­sa­men/nichtigen Be­stim­mung wer­den die Par­tei­en ei­ne sol­che Be­stim­mung tref­fen, die dem mit der unwirksamen/nichtigen Be­stim­mung beabsichtigten Zweck am nächs­ten kommt. Dies gilt auch für die Aus­fül­lung even­tu­el­ler Ver­trags­lü­cken.

___________________________________________
Ort/Datum/Unterschriften der Vertragsparteien

Sie können hier ein Muster einer Anordnung von Überstunden als Word-Dokument herunterladen

Rechtlicher Hinweis zu den Vorlagen: Bei dem kostenlosen Muster handelt es sich um ein unverbindliches Muster aus unserem Magazin. Für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Vorlage wird keine Gewähr übernommen. Es ist nicht auszuschließen, dass die abrufbaren Muster nicht den zurzeit gültigen Gesetzen oder der aktuellen Rechtsprechung genügen. Die Nutzung erfolgt daher auf eigene Gefahr. Das unverbindliche Muster muss vor der Verwendung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater individuell überprüft und dem Einzelfall angepasst werden.

Überstunden bei Teilzeit

Eine Teilzeitvereinbarung weicht rechtlich nicht von der Normalarbeitszeit ab. Ohne vertragliche Grundlage ist eine Anordnung von Überstunden nicht möglich.

Bei Teilzeitarbeitern kann eine gewisse Regelmäßigkeit von Überstunden zu einer Stolperfalle werden. Es findet in dem Fall ein automatischer Übergang zur Vollzeitstelle statt. Dies geschieht auch ohne Vereinbarung auf Grundlage einer „stillschweigenden Übereinkunft“. Der Wille der Vertragsparteien wird durch die Umsetzung deutlich ersichtlich.

Der Arbeitgeber kann diese Situation nicht einseitig zurücknehmen. Er braucht dazu die Einwilligung des Arbeitnehmers, um die Stunden auf das Ausmaß der Teilzeit-Arbeit zu reduzieren. Im anderen Fall kann er das Dilemma nur durch eine Änderungskündigung (mit Bedacht auf die geltenden Kündigungsfristen) lösen.

Wie viele Überstunden sind zumutbar?

Wie vie Überstunden sind zumutbar? (© ddrockstar  / fotolia.com)
Wie vie Überstunden sind zumutbar? (© ddrockstar / fotolia.com)
Grundsätzlich regelt das Arbeitszeitgesetz die zulässige Anzahl der Wochenstunden (§3 ArbZG). Damit ist die rechtlich mögliche Anzahl von Überstunden begrenzt. Es dürfen aber nicht mehr als 25% der vertraglich geregelten Regelarbeitszeit sein.

Ausnahmen davon sind Jugendliche und werdende Mütter, deren tägliche Arbeitszeit mit 8 Stunden beschränkt ist (JArbSchG, MuSchG).

Pauschale Regelungen, dass Überstunden mit dem Arbeitslohn abgegolten sind, sind nicht rechtens. Wenn so eine Klausel im Arbeitsvertrag aufgenommen wird, dann muss die Anzahl der Überstunden konkret angegeben werden. Die Anzahl muss auch in einer nachvollziehbaren Relation zur Stellung und dem Gehalt des Arbeitnehmers stehen.

Bei einer „pauschalierten“ Regelung dürfen die Überstunden nicht mehr als 10% der vereinbarten Arbeitszeit im Monat ausmachen.

Überstunden ohne Anordnung des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet Überstunden zu vergüten, die er nicht angeordnet hat und von deren Leistung er nicht informiert gewesen ist. Eine Vergütung kann nur dann verlangt werden, wenn die Überstunden vorher angeordnet oder im Nachhinein gebilligt wurden.

Allerdings kann eine nachträgliche Billigung auch aus dem Verhalten des Arbeitgebers abgeleitet werden. Duldet er die Leistung von Überstunden „stillschweigend“ über einen längeren Zeitraum kommentarlos, so ist davon auszugehen, dass er damit einverstanden ist.

Wenn der Arbeitnehmer Überstunden leistet, obwohl er (nachweislich) darauf hingewiesen wurde, dass es keinen Ausgleich dafür gibt, muss weder Freizeitausgleich noch Bezahlung gewährt werden.

Fachanwalt.de-Tipp:
Wenn im Arbeitsvertrag Überstundenklauseln über den Ausgleich, die Bezahlung enthalten sind, dann können sie schnell rechtlich unwirksam sein. Dies gilt bei Pauschalierungen und Einschränkungen (bspw. Ausgleich erst ab der 10. Stunde).
Solche Klauseln gelten dann als „Allgemeine Geschäftsbedingungen“, wenn sie einseitig vom Arbeitgeber vorformuliert und für eine Anzahl von Verträgen ausgearbeitet wurden.
Um dem vorzubeugen müssen die Klauseln klar und transparent formuliert und für den Arbeitnehmer nachvollziehbar sein. Aussagen wie „Überstunden im betrieblichen Ausmaß“ oder „Überstunden nach Vereinbarung“ erfüllen diese Bedingung nicht.
Es ist auch genau zu prüfen, ob die Klausel keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellt. Das ist dann der Fall, wenn Überstunden mit dem Festgehalt abgegolten sind. Damit würde sich das Verhältnis von Lohn und Arbeitsleistung wesentlich verschieben.

FAQ zum Thema Überstunden oder Mehrarbeit anordnen

Was ist der Unterschied zwischen Überstunden und Mehrarbeit?

Überstunden und Mehrarbeit sind zwei unterschiedliche Konzepte. Überstunden sind die Stunden, die ein Arbeitnehmer über seine reguläre Arbeitszeit hinaus arbeitet. Sie sind in der Regel im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag definiert und werden zusätzlich zum normalen Gehalt vergütet. Mehrarbeit hingegen bezieht sich auf die Arbeitszeit, die über die gesetzliche Höchstarbeitszeit hinausgeht und ist nur in Ausnahmefällen erlaubt.

Darf ein Arbeitgeber Überstunden oder Mehrarbeit anordnen?

Ja, ein Arbeitgeber darf Überstunden oder Mehrarbeit anordnen, wenn es einen entsprechenden Grund gibt. Dieser Grund kann beispielsweise ein unvorhergesehenes Ereignis oder ein dringender Arbeitsbedarf sein. Der Arbeitgeber muss jedoch sicherstellen, dass die Anordnung rechtmäßig ist und die Arbeitnehmer nicht übermäßig belastet werden.

Wie werden Überstunden oder Mehrarbeit vergütet?

Überstunden werden in der Regel mit einem höheren Stundenlohn vergütet als die reguläre Arbeitszeit. Die genaue Vergütung ist im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag geregelt. Mehrarbeit kann entweder durch Freizeit ausgeglichen werden oder es kann ein Zuschlag auf den Stundenlohn gezahlt werden. Auch hier ist die genaue Regelung im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag festgelegt.

Was passiert, wenn ein Arbeitnehmer Überstunden oder Mehrarbeit verweigert?

Ein Arbeitnehmer darf Überstunden oder Mehrarbeit verweigern, wenn er sich dadurch übermäßig belastet fühlt oder wichtige private Gründe dagegensprechen. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer dafür nicht benachteiligen oder gar kündigen. Es ist jedoch ratsam, im Vorfeld mit dem Arbeitgeber zu sprechen und eine Lösung zu finden, die für beide Seiten akzeptabel ist.

Kann ein Arbeitnehmer Überstunden oder Mehrarbeit ablehnen, wenn er bereits Überstunden geleistet hat?

Ja, ein Arbeitnehmer hat das Recht, Überstunden oder Mehrarbeit abzulehnen, wenn er bereits Überstunden geleistet hat und dadurch übermäßig belastet wäre. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer auch hierfür nicht benachteiligen oder gar kündigen.

Gibt es Ausnahmen von den gesetzlichen Vorschriften zu Überstunden und Mehrarbeit?

Ja, es gibt Ausnahmen von den gesetzlichen Vorschriften zu Überstunden und Mehrarbeit. Zum Beispiel können bestimmte Branchen wie Gesundheitswesen, Verkehr und Medien von den gesetzlichen Vorschriften abweichen, wenn es betrieblich notwendig ist. Es ist jedoch wichtig, dass der Arbeitgeber sicherstellt, dass die Arbeitnehmer dadurch nicht übermäßig belastet werden und die Ausnahmen rechtmäßig sind.

Fachanwalt.de-Tipp: Die Anordnung von Überstunden oder Mehrarbeit ist ein wichtiger Bestandteil des Arbeitslebens, kann jedoch zu Konflikten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern führen, wenn sie nicht rechtmäßig oder angemessen sind. Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass die Anordnung rechtmäßig ist und die Arbeitnehmer nicht übermäßig belastet werden. Arbeitnehmer sollten ihre Rechte kennen und gegebenenfalls Unterstützung durch Betriebsrat oder Gewerkschaft suchen.

Noch keine Bewertungen vorhanden




Ihre Spezialisten
INHALTSVERZEICHNIS

TOOLS
TOP LINKS

Gratis-eBook „Fachanwalt finden“


Alle Infos zur Fachanwaltssuche!
Informationen und Tipps zur Fachanwaltssuche!

  • Was ist ein Fachanwalt?
  • Wichtige Infos zu Anwaltskosten, Beratungshilfe!
  • Kostenlos als PDF-Download