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Enterbt, was tun? – So setzen Sie Ihre Rechte als Erbe durch

Redaktion fachanwalt.de  •  Zuletzt bearbeitet am: 30.07.2024

Die gesetzliche Erbfolge in Deutschland sieht vor, dass nahestehende Blutsverwandte als erstes erben. Nicht jeder Erblasser ist jedoch automatisch mit dieser Erbfolge einverstanden. Da es in Familien immer wieder zu Streitigkeiten kommt, kommt es auch immer wieder vor, dass Verwandte enterbt werden sollen. Eine vollständige Enterbung ist bei besonders nahestehenden Verwandten jedoch nur in seltenen Fällen möglich.

Kann man enterbt werden und was bedeutet das genau?

Enterbt - was tun?
Enterbt - was tun?
Enterbt werden können grundsätzlich nur nahestehende Verwandte, die andernfalls erbberechtigt gewesen wären. Dazu gehören vor allem Kinder und Ehepartner. Diese sind in der Regel die ersten, die im Todesfall erben, vor allem, wenn es keinen Nachlass gibt. Hinterlässt der Erblasser keinen Partner und auch keine Kinder, kommen die nächsten Verwandten in Frage. Das sind meist Eltern und Geschwister.

Grundsätzlich werden die Erben durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in eine Rangfolge eingeordnet, nach der sie erben.

Diese Rangfolge lautet wie folgt:

1. Erben erster Ordnung = Kinder, Enkelkinder und alle weiteren Abkömmlinge des Verstorbenen

2. Erben zweiter Ordnung = Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen des Verstorbenen

3. Erben dritter Ordnung = Großeltern des Verstorbenen und Abkömmlinge der Großeltern

4. Erben vierter Ordnung = Urgroßeltern und weitere Abkömmlinge der Urgroßeltern

Erben einer höher stehenden Ordnung schließen Erben einer späteren Ordnung aus. Das bedeutet beispielsweise: Sind Geschwister vorhanden, sind Großeltern nicht erbberechtigt.

Der Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner nimmt innerhalb der Rangfolge eine Sonderstellung ein. Er erbt grundsätzlich neben den Verwandten. Zudem hat er gemäß § 1371 BGB das Recht auf die Gegenstände des gemeinsamen Haushaltes.

Tipp
Fachanwalt.de-Tipp: Besonders nahestehende Verwandte haben Anrecht auf einen sogenannten Pflichtteil. Sie können also im deutschen Erbrecht nicht vollständig enterbt werden. Die vollständige Enterbung von Pflichtteilsberechtigten ist nur in sehr seltenen Ausnahmefällen möglich.

Was steht mir zu, wenn ich enterbt wurde?

Insbesondere Kinder und Ehepartner haben Anspruch auf einen Pflichtteil und können nicht ohne weiteres vollständig enterbt werden.

Grundsätzlich besteht im deutschen Erbrecht zwar Testierfreiheit, diese unterliegt allerdings bestimmten Grenzen. Die Testierfreiheit ist im § 1937 BGB zugesichert. § 2303 BGB regelt jedoch die Grenzen im Rahmen eines Pflichtteils.

Der Pflichtteilsanspruch gilt grundsätzlich für nahe Angehörige. Dies betrifft die Kinder, den Ehepartner und gegebenenfalls auch die Eltern des Erblassers sowie die Nachkommen seiner Kinder. Eltern und Nachkommen der Kinder, das heißt Enkel und Urenkel, sind jedoch nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn Ehepartner und Kinder nicht mehr am Leben sind oder nie vorhanden waren.

Tipp
Fachanwalt.de-Tipp: Wer in diese Verwandtschaftskategorie fällt und durch ein Testament enterbt wird, hat also immer noch Anspruch auf diesen Pflichtteil.

Wie groß ist der Pflichtteil beim Erbe?

Pflichtteil beachten (© M. Schuppich - stock.adobe.com)
Pflichtteil beachten (© M. Schuppich - stock.adobe.com)
Der Pflichtteil und seine Berechnung ist in den §§ 1924 bis 1936 BGB geregelt. Grundsätzlich betrifft er die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruches. Im Klartext haben enterbte Ehegatten und Kinder immer einen Anspruch auf 50% ihres gesetzlichen Erbteils.

Ein Beispiel: Max Mustermann hinterlässt nach seinem Tod zwei Kinder. Seine Ehepartnerin ist bereits seit mehreren Jahren verstorben. Max hat kein gutes Verhältnis zu seinen Kindern und möchte sie daher enterben. Stattdessen möchte er seinen Bruder als einzigen Alleinerben einsetzen. Er hält dies auch testamentarisch fest. Da Max keinen Ehepartner oder Ehepartnerin mehr hatte, wären die Kinder rein nach gesetzlicher Erbfolge alleine erbberechtigt. Ihr gesetzlicher Anspruch würde jeweils 50% betragen. Ihr gesetzlicher Pflichtteil beträgt also jeweils 25% des Nachlasses. Geschwister erben stets zu gleichen Teilen. Beide Kinder haben entsprechend noch Anspruch auf 25% des Erbes. Bei zwei Kindern ist dies insgesamt 50% des Nachlasses, so dass der Bruder von Max noch die anderen 50% erhält.

Der gesetzliche Erbteil und damit auch der gesetzliche Pflichtteil des Ehepartners hängt von der vereinbarten Regelung ab. Der Regelfall ist der Fall der Zugewinngemeinschaft, bei der der Ehepartner grundsätzlich Anspruch auf ein Viertel des Erbes (also ein Achtel Pflichtteil) sowie auf den sogenannten Zugewinnausgleich hat.

Diese Regelung wird kraft Gesetzes automatisch getroffen, wenn kein Ehevertrag besteht und soll den Hinterbliebenen absichern, falls sein Partner zu Lebzeiten deutlich mehr erwirtschaftet hatte. Die Höhe des Pflichtteils des Ehepartners hängt außerdem davon ab, wie viele andere Verwandte noch vorhanden sind. Er erbt grundsätzlich zu einem Viertel neben Verwandten erster Ordnung und zu 50 % neben Verwandten zweiter Ordnung.

Kann auch Pflichtteil entzogen werden?

Ein Pflichtteil kann grundsätzlich nur in sehr seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Voraussetzung dafür ist das Vorliegen eines triftigen Grundes. Explizite Gründe sind in § 2333 BGB benannt. Grundsätzlich handelt es sich dabei um schwere Vergehen seitens des Pflichtteilsberechtigten. Diese Vergehen müssen sich außerdem gegen den Erblasser oder eine ihm nahestehende Person gerichtet haben. Auch eine vorsätzliche Tat, die zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr ohne Bewährung geführt hat, kann einen Grund für eine Pflichtteilsentziehung sein.

Beispiele dafür sind Fälle, in denen:

  • Der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser oder einem nahe stehenden Verwandten nach dem Leben trachtete
  • Der Pflichtteilsberechtigte sich dem Erblasser oder einem nahe stehenden Verwandten eines anderen schweren vorsätzlichen Vergehens strafbar gemacht hat
  • Der Pflichtteilsberechtigte Unterhaltspflichten böswillig verletzte

Wer einen Pflichtteilsberechtigten wirksam komplett enterben möchte, muss dafür deutliche Angaben über die Gründe machen. So muss beispielsweise die etwaige Straftat schriftlich festgehalten und erläutert werden. Es muss außerdem klar dargelegt werden, warum es dadurch für den Erblasser unzumutbar ist, den Pflichtteilsberechtigten weiterhin als Erben am Erbe teilhaben zu lassen.

Tipp
Fachanwalt.de-Tipp: Wer einen Pflichtteilsberechtigten enterben möchte, sollte vor der Testamentserstellung einen Fachanwalt für Erbrecht zur Beratung hinzuziehen. Der Anwalt fkann rechtsicher darüber aufklären, ob ausreichend Gründe für die Enterbung vorliegen und wie das Testament verfasst werden muss, um rechtmäßig zu sein. So wird sichergestellt, dass der letzte Wille erfüllt wird.

Was kann man gegen Enterbung tun?

Testament anfechten (© Gina Sanders - stock.adobe.com)
Testament anfechten (© Gina Sanders - stock.adobe.com)
Wer enterbt wurde und meint, dass dies nicht berechtigt ist, kann versuchen, dagegen anzugehen. Nicht immer ist eine Enterbung rechtmäßig. In manchen Fällen kann es sich daher lohnen, rechtliche Schritte einzuleiten. Der einfachste Weg ist die Anfechtung des Testaments, für die allerdings gute Gründe vorliegen müssen.

Anfechtung

Besteht die Möglichkeit, dass eine Enterbung nicht rechtmäßig war, kann sie angefochten werden. Dafür sollte jedoch ausreichend Recherche betrieben werden, um sicherzugehen, dass die Enterbung tatsächlich nicht rechtmäßig war.

Die Enterbung ist beispielsweise unrechtmäßig, wenn die im Testament oder Erbvertrag beschriebenen Tatsachen und Gründe für die Enterbung gar nicht wahr sind. Auch besteht die Möglichkeit, dass der letzte Wille gegen Gesetze verstößt und damit unwirksam ist. Zudem könnte auch die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt des Verfassens des Testamentes angefochten werden.

Grundsätzlich kommen folgende Möglichkeiten als Anfechtungsgrund in Frage:

  • Mangelnde rechtliche Wirksamkeit der Gründe für die Enterbung
  • Formfehler des Testaments
  • Testament verstößt gegen geltendes Recht
  • Testament wurde unter Irrtum oder Drohung geschrieben
  • Mangelnde Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt des Testamentes

Schon ein Formfehler im Testament kann das Testament ungültig machen. Ein Testament muss beispielsweise eigenhändig verfasst werden und unbedingt eigenhändig unterschrieben werden. Gibt es Zweifel an der Formrichtigkeit oder gar an der Unterschrift bzw. Handschrift des Verfassers, kann das Testament ungültig sein. In jedem Fall lohnt es sich, einen Fachanwalt zu Hilfe zu ziehen. Formfehler sind häufig leicht erkennbar. Andere Fehler zu entdecken – etwas Wahrheit über beschriebene Enterbungsgründe oder Straftaten – kann mehr Recherche verlangen.

Pflichtteil aufzahlen durch Pflichtteilsklage

Wird festgestellt, dass ein Pflichtteil besteht, muss er von den Erben ausgezahlt werden. Wird der Pflichtteil jedoch nicht ausgezahlt, kann die Auszahlung eingeklagt werden. Dafür muss eine Pflichtteilsklage erhoben werden. Dies geschieht vor dem zuständigen Nachlassgericht. Das Gericht prüft den Fall und sollte festgestellt werden, dass eine Auszahlung verpflichtend ist und wird die Ausstellung gerichtlich angeordnet.

Die Klage erfordert zusätzlichen Aufwand, allerdings werden die Kosten von der verlierenden Partei übernommen. Wer sicher ist, dass ein Anspruch auf Pflichtteilsauszahlung besteht, sollte den Schritt daher ruhig wagen.

So kann ein Fachanwalt für Erbrecht Ihnen weiterhelfen

Ein Fachanwalt für Erbrecht kann seinen Mandanten umfassend über alle Möglichkeiten, die mit dem Erbe zu tun haben, beraten. Streitigkeiten rund um das Erbe sind keine Seltenheit. Mit Hilfe des Experten lassen sich jedoch viele Probleme klären. Der Fachanwalt wird seinen Mandanten umfassend über alle Pflichten und Rechte aufklären. Er kann Empfehlungen aussprechen und im Zweifelsfall auch vor Gericht vertretend für seinen Mandanten auftreten. Das Hinzuziehen des Rechtsexperten empfiehlt sich in vielen Fällen, insbesondere dann, wenn es kompliziert wird. Eine rechtssichere Beratung kann häufig schon vermittelnd wirken, so dass ein Gerichtsprozess nicht nötig wird. Sollte es doch zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen, sind die Chancen eines Erfolgs in der Regel mithilfe eines Anwalts deutlich höher.


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