Antragsdelikt im StGB – Definition und Erläuterungen mit Beispielen

Von fachanwalt.de-Redaktion, letzte Bearbeitung am: 19. Oktober 2023

Es gibt Delikte, bei denen zunächst ein Antrag des Geschädigten erforderlich ist, damit die Justizbehörden tätig werden und die Strafverfolgung aufnehmen. Solche Delikte werden als Antragsdelikte bezeichnet. Hiervon zu unterscheiden sind die Offizialdelikte, bei denen die Staatsanwaltschaft auch ohne Antrag des Geschädigten die Strafverfolgung aufnimmt.

Antragsdelikt nach StGB

Die sogenannten Antragsdelikte sind von den Offizialdelikten zu unterscheiden. Bei Offizialdelikten, zu denen alle Verbrechen und die meisten Vergehen zählen, erfolgt die Strafverfolgung durch die entsprechenden Behörden bereits von Amts wegen, die Staatsanwaltschaft muss also in jedem Fall tätig werden.

Antragsdelikt (© zerbor / fotolia.com)
Antragsdelikt (© zerbor / fotolia.com)
Anders ist es bei Antragsdelikten. Für die Strafverfolgung ist hier zunächst ein Antrag erforderlich. Antragsberechtigt ist dabei in der Regel derjenige, dessen Rechtsgut verletzt wurde. Entsprechende gesetzliche Regelungen zu den Antragsdelikten finden sich in den §§ 77ff. StGB.

So heißt es In § 77 Absatz 1 StGB: „Ist die Tat nur auf Antrag verfolgbar, so kann, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, der Verletzte den Antrag stellen.“ Der Strafantrag wird als Voraussetzung dafür gesehen, dass das Strafverfahren eröffnet werden kann.

Von Bedeutung ist auch § 77d StGB, der die Zurücknahme des Antrags regelt. Dort heißt es in Absatz 1: „Der Antrag kann zurückgenommen werden. Die Zurücknahme kann bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens erklärt werden. Ein zurückgenommener Antrag kann nicht nochmals gestellt werden.“

Antragsdelikte lassen sich nochmals in absolute und relative Antragsdelikte unterscheiden. 

Absolutes Antragsdelikt

Absolute Antragsdelikte bedürfen in jedem Fall eines Antrags. Hierzu gehören beispielsweise:

  • Hausfriedensbruch
  • Beleidigung
Fachanwalt.de-Tipp: Stellt der Geschädigte keinen Strafantrag, dürfen die Justizbehörden in diesem Fall nicht tätig werden. Es muss also unbedingt ein Strafantrag gestellt werden.

Relatives Antragsdelikt

Bei relativen Antragsdelikten kann die Strafverfolgung auch bei fehlendem Strafantrag erfolgen. Dafür muss jedoch ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehen. Das öffentliche Interesse ersetzt in diesem Fall den Strafantrag des Geschädigten. Als relatives Antragsdelikt ist beispielsweise die einfache vorsätzliche Körperverletzung anzusehen.

Fachanwalt.de-Tipp: Vom Strafantrag prinzipiell zu unterscheiden ist die Strafanzeige. Mittels einer Anzeige werden die Strafverfolgungsbehörden darüber informiert, dass es zu einer Straftat kam. Der Sachverhalt wird also schlichtweg mitgeteilt, so dass Polizei, Staatsanwaltschaft oder auch Gericht entsprechend informiert sind. Anders als bei einem Strafantrag kann eine Anzeige grundsätzlich durch jeden erstattet werden, nicht nur durch den Betroffenen, sondern beispielsweise auch durch einen unbeteiligten Zeugen. Mit einem Strafantrag hingegen wird das tatsächliche Verlangen deutlich gemacht, dass die Tat auch strafrechtlich verfolgt werden soll. Der Antragsteller macht mittels Strafantrag ausdrücklich klar, dass er die Strafverfolgung wünscht.

Auflistung: Was ist ein Antragsdelikt?

Zu den typischen Antragsdelikten gehören üblicherweise Bagatelldelikte, bei denen lediglich persönliche Rechtsgüter verletzt werden, bei denen aber nicht das Interesse der Allgemeinheit betroffen ist. Prinzipiell lässt sich sagen, dass alle Straftaten als Offizialdelikte anzusehen sind und somit von Amts wegen verfolgt werden, es sei denn, der Strafantrag wird als Voraussetzung für die Strafverfolgung ausdrücklich durch das StGB gefordert. Antragsdelikte stellen daher die Ausnahme von der Regel dar.

Bedrohung (© sabphoto / fotolia.com)
Bedrohung (© sabphoto / fotolia.com)
Die Bedrohung ist in § 241 StGB geregelt. Bei der Bedrohung handelt es sich nicht um ein Antragsdelikt, es ist somit kein Strafantrag vonnöten. Haben die Ermittlungsbehörden Kenntnis von der Bedrohung erlangt, sind sie von Amts wegen dazu verpflichtet, entsprechende Ermittlungen einzuleiten.

  • Nötigung

Auch die Nötigung nach § 240 StGB zählt zu den Offizialdelikten und somit zu den Straftaten, die schon von Amts wegen zu verfolgen sind. Das Stellen eines Strafantrags ist somit nicht nötig.

Dasselbe gilt für den Betrug nach § 263 StGB. Auch hier ist von einem Offizialdelikt auszugehen.

  • Diebstahl

Der Diebstahl und die Unterschlagung geringwertiger Sachen gelten nach § 248a StGG als relative Antragsdelikte. Die Wertgrenze wird dabei bei rund 50 Euro festgesetzt. Die Strafverfolgung geschieht also nur auf Antrag oder wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung zu bejahen ist.

  • Körperverletzung

Die Körperverletzung nach § 223 StGB zählt zu den relativen Antragsdelikten. In § 230 StGB heißt es hierzu: „Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Stirbt die verletzte Person, so geht bei vorsätzlicher Körperverletzung das Antragsrecht nach § 77 Absatz 2 auf die Angehörigen über.“

  • Sachbeschädigung

Damit die Sachbeschädigung nach § 303 StGB strafrechtlich verfolgt werden kann, ist ein Antrag des Geschädigten erforderlich, es sei denn, es besteht ausreichend öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. Die Sachbeschädigung zählt daher ebenfalls zu den relativen Antragsdelikten. Das Erfordernis eines Strafantrags ist in § 303c StGB geregelt.

  • Unterschlagung

Die Unterschlagung ist in § 246 StGB geregelt. Im Falle der Unterschlagung geringwertiger Sachen, ist gemäß § 248a StGB ein Strafantrag erforderlich, der aber auch durch das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung ersetzt werden kann. Geht es nicht nur um geringwertige Sachen, liegt ein Offizialdelikt vor und die Staatsanwaltschaft ist von Amts wegen verpflichtet, zu ermitteln.

  • 201 StGB

In § 201 StGB wird die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gesetzlich geregelt. Gemäß § 205 StGB werden die Fälle des § 201 Absatz 1 und 2 StGB nur auf Antrag verfolgt.

  • Falsche Verdächtigung

Die falsche Verdächtigung ist in § 164 StGB zu finden. Es handelt sich hierbei nicht um ein Antragsdelikt, es muss für die Strafverfolgung somit kein entsprechender Strafantrag gestellt werden.

  • 229 StGB

§ 229 StGB befasst sich mit der Strafbarkeit im Falle der fahrlässigen Körperverletzung. Ebenso wie für die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 StGB, wird auch für die fahrlässige Körperverletzung von § 230 StGB ein Strafantrag vorausgesetzt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

  • 242 StGB

Dieb (© photographeeeu / fotolia.com)
Dieb (© photographeeeu / fotolia.com)
Gemäß § 248a StGB wird der Diebstahl geringwertiger Sachen nur auf Antrag verfolgt, außer es besteht besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. Dann erfolgt die Strafverfolgung bereits von Amts wegen. Es handelt sich somit um ein relatives Antragsdelikt. Ein absolutes Antragsdelikt ist der Haus- und Familiendiebstahl nach § 247 StGB. Hier wird die Tat nur auf Antrag verfolgt.

Die Verleumdung ist in § 187 StGB geregelt. Um ein Strafverfahren im Falle einer Verleumdung in Gang zu setzen, ist ein Strafantrag erforderlich. Das Antragserfordernis ergibt sich für alle Beleidigungsdelikte aus § 194 StGB.

  • Urkundenfälschung

Die Urkundenfälschung ist in § 267 StGB geregelt. Urkundenfälschung ist kein Antragsdelikt. Ein Strafantrag ist daher nicht notwendig, damit strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen werden.

  • Üble Nachrede

Ebenso wie bei der Verleumdung ergibt sich das Antragserfordernis für die üble Nachrede, wie für sämtliche Beleidigungsdelikte, aus § 194 StGB. Es handelt sich somit ebenfalls um ein Antragsdelikt.

  • 201a StGB

§ 201a StGB regelt die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Gemäß § 205 StGB werden Fälle des § 201a StGB nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

  • 241 StGB

§ 241 StGB regelt den Tatbestand der Bedrohung. Es handelt sich hierbei um ein Offizialdelikt, bei dem von Amts wegen ermittelt wird.

Die Erforderlichkeit eines Strafantrags im Falle einer Beleidigung ist in § 194 StGB geregelt. Prinzipiell wird die Beleidigung nur auf Antrag verfolgt. Hiervon bestehen jedoch aus Ausnahmen.

  • Erschleichen von Leistungen

Das Erschleichen von Leistungen ist in § 265a StGB geregelt. Es gelten entsprechend die Verfolgungsvoraussetzungen der §§ 247, 248a StGB.

Der Hausfriedensbruch ist in § 123 StGB geregelt und gehört zu den absoluten Antragsdelikten. Ohne Strafantrag des Geschädigten kommt es somit nicht zur Strafverfolgung durch die Justizbehörden.

  • Häusliche Gewalt

Für häusliche Gewalt gibt es keinen eigenständigen Straftatbestand, so dass verschiedene Delikte wie u.a. Nötigung, Körperverletzung, Stalking oder sexueller Missbrauch in Frage kommen können. Entsprechend gelten auch deren individuelle Verfolgungsvoraussetzungen.

  • Nötigung im Straßenverkehr

Gefährdung (© dan race / fotolia.com)
Gefährdung (© dan race / fotolia.com)
Die Nötigung ist ein Offizialdelikt. Wird der Fall einer Nötigung bekannt, erfolgt automatisch die Strafverfolgung, ohne extra Strafantrag des Geschädigten. Einen eigenen Straftatbestand für Nötigung im Straßenverkehr gibt es nicht. Daher ist der allgemeine Tatbestand von § 240 StGB einschlägig.

  • Sexuelle Belästigung

Die sexuelle Belästigung ist in § 184i StGB geregelt. Gemäß Absatz 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort ist in § 142 StGB geregelt. Bei der Fahrerflucht handelt es sich um ein Offizialdelikt, das somit von Amts wegen verfolgt wird und nicht nur auf Antrag des Geschädigten.

  • Unterschlagung

Die Unterschlagung nach § 246 StGB wird gemäß § 248a StGB nur auf Antrag bzw. bei besonderem öffentlichen Interesse verfolgt, wenn es sich nur geringwertige Sachen handelt.

  • Untreue

Die Untreue nach § 266 StGB ist ein Offizialdelikt. § 266 Absatz 2 StGB weist jedoch darauf hin, dass Untreue ausnahmsweise auch ein Antragsdelikt sein kann. Beispielsweise dann, wenn der Geschädigte ein Angehöriger ist oder wenn nur ein geringer Schaden entstanden ist.

  • Verletzung der Unterhaltspflicht

Die Verletzung der Unterhaltspflicht ist in § 170 StGB geregelt. Es handelt sich um ein Offizialdelikt.

  • Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 StGB ist ebenfalls als Offizialdelikt einzuordnen.

Frist

Die Antragsfrist ist in § 77b StGB geregelt. Demnach kann der Antrag zur Strafverfolgung nur innerhalb von drei Monaten gestellt werden. Innerhalb dieser Frist muss der Strafantrag der Polizei oder Staatsanwaltschaft zugehen. Gemäß § 77b Absatz 2 StGB beginnt die Frist mit dem Ablauf des Tages, an dem der Berechtigte von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt.

Fachanwalt.de-Tipp: Wenn diese Frist verstreicht, ohne dass Strafantrag gestellt wurde, muss das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt werden.

FAQ zum absoluten Antragsdelikt

Was ist ein absolutes Antragsdelikt?

Ein absolutes Antragsdelikt ist eine besondere Kategorie von Straftaten im deutschen Strafrecht, bei denen die Strafverfolgungsbehörden nur aufgrund eines ausdrücklichen Strafantrags eines Berechtigten tätig werden dürfen. Die Berechtigten sind in der Regel die Opfer oder deren gesetzliche Vertreter. Diese Art von Delikten dient dem Schutz der Privatsphäre und Autonomie der Betroffenen, indem sie selbst entscheiden können, ob ein strafrechtliches Eingreifen erwünscht ist. Nach § 194 Abs. 1 StGB sind Beleidigungsdelikte typische Beispiele für absolute Antragsdelikte. Andere Beispiele sind Hausfriedensbruch (§ 123 StGB) und Körperverletzung (§ 223 StGB), sofern es sich um einfache Fälle handelt.

  • Definition: Absolute Antragsdelikte sind Straftaten, bei denen die Strafverfolgungsbehörden nur aufgrund eines ausdrücklichen Strafantrags eines Berechtigten tätig werden dürfen.
  • Beispiele: Beleidigung, Hausfriedensbruch, einfache Körperverletzung.

Welche Voraussetzungen müssen für einen Strafantrag bei absoluten Antragsdelikten erfüllt sein?

Ein Strafantrag bei absoluten Antragsdelikten muss bestimmte formelle und inhaltliche Voraussetzungen erfüllen:

  1. Antragsberechtigung: Nur der Geschädigte oder sein gesetzlicher Vertreter sind zur Stellung eines Strafantrags berechtigt. Bei einer juristischen Person, etwa einer GmbH, ist der gesetzliche Vertreter, z.B. der Geschäftsführer, antragsberechtigt.
  2. Antragsfrist: Der Strafantrag muss innerhalb einer Frist von 3 Monaten ab Kenntnis des Antragsberechtigten von der Tat und dem Täter gestellt werden (§ 194 Abs. 2 StGB). Die Frist beginnt mit dem ersten Tag des Folgemonats, in dem die Kenntnis erlangt wurde.
  3. Form und Inhalt: Der Strafantrag kann grundsätzlich formlos, also auch mündlich, gestellt werden. Er muss aber den Täter und die Tat, wegen der Strafverfolgung beantragt wird, eindeutig benennen.

Ein Beispiel: Ein Geschädigter wird im Januar beleidigt und erfährt im Februar, wer der Täter war. Der Strafantrag müsste dann spätestens bis Ende Mai gestellt werden.

Können absolute Antragsdelikte auch ohne Strafantrag verfolgt werden?

Grundsätzlich gilt, dass absolute Antragsdelikte ohne einen Strafantrag nicht verfolgt werden können. Allerdings gibt es einige Ausnahmen, bei denen die Strafverfolgungsbehörden auch ohne Strafantrag tätig werden können:

  • Amtsermittlungsgrundsatz: In Ausnahmefällen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, kann die Staatsanwaltschaft von Amts wegen ermitteln (§ 230 StGB). Dies geschieht jedoch nur in seltenen Fällen, beispielsweise wenn die Tat einen erheblichen Unrechtsgehalt aufweist oder bei einer Wiederholungstat.
  • Erzwingungshaft: Bei Verstößen gegen zivilrechtliche Unterlassungsansprüche, die auf Antragsdelikten beruhen, kann auch ohne Strafantrag eine Erzwingungshaft angeordnet werden (§ 890 ZPO). Diese dient der Durchsetzung des zivilrechtlichen Anspruchs und ist keine strafrechtliche Sanktion.

Ein Beispiel für den Amtsermittlungsgrundsatz wäre, wenn ein Amtsträger, wie ein Polizeibeamter oder ein Richter, in Ausübung seiner Tätigkeit beleidigt wird. In solchen Fällen kann die Staatsanwaltschaft auch ohne Strafantrag tätig werden.


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