Durchsuchung nach § 102 StPO beim Verdächtigen

Von fachanwalt.de-Redaktion, letzte Bearbeitung am: 29. Dezember 2023

In einem Ermittlungsverfahren sammeln Polizei und Staatsanwaltschaft Beweise gegen den Beschuldigten. In manchen Fällen kommt es vor, dass der Beschuldigte sogar durchsucht wird. Der häufigste Fall einer Durchsuchung ist aber die sogenannte Hausdurchsuchung. In diesem Fall wird die Wohnung des Beschuldigten gründlich durchsucht. Dies stellt einen schweren Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung dar. Daher darf dies grds. nicht ohne vorherigen Beschluss des Richters geschehen. Lediglich bei Gefahr im Verzug sind auch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen zur Anordnung befugt.

Begriff der Durchsuchung

Deal im Strafprozess (© sharpi1980 - fotolia.com)
Deal im Strafprozess (© sharpi1980 - fotolia.com)
Eine  Durchsuchung ist ein Instrument der Strafverfolgung.

Damit meint ist im rechtlichen Sinne das gezielte Suchen nach Beweismitteln, Personen oder Gegenständen.

Objekt der Durchsuchung können Personen, Wohnungen, andere Räumlichkeiten oder bewegliche Sachen sein.

Durchsuchung beim Verdächtigen nach § 102 StPO

Die Durchsuchung beim Verdächtigen bzw. Beschuldigten richtet sich nach § 102 StPO (Strafprozessordnung). Danach kann bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen sowohl zum Zweck seiner Ergreifung als auch dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde.

Die Durchsuchung, die eine strafprozessuale Zwangsmaßnahme darstellt, ist in der Regel mit einem Grundrechtseingriff verbunden. Daher werden an eine solche Durchsuchung besondere Anforderungen gestellt. Vor allem ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.

Durchsuchungszweck

Die Durchsuchung nach 102 StPO hat den Zweck,

  • dass entweder Beweismaterial aufgefunden werden (Ermittlungsdurchsuchung) oder
  • aber gar der Beschuldigte ergriffen wird (Ergreifungsdurchsuchung).

Durchsuchungsobjekt / Durchsuchungsgegenstand

Eine Durchsuchung beim Verdächtigen, die lediglich der Ausforschung dient, ist verboten. Eine Durchsuchung bei ihm darf nur durchgeführt werden zum Zwecke seiner Ergreifung oder zur Beweissicherung. Dabei kommen als Durchsuchungsobjekt die Wohnung oder auch andere Räume des Verdächtigen in Betracht. Neben der Wohnung handelt es sich in der Regel um die Garage sowie das darin geparkte Fahrzeug sowie um Geschäftsräume, wo der Beschuldigte tätig ist. Sodann kommen Sachen des Verdächtigen und der Verdächtige selbst in Betracht. Durchsuchungsobjekte können nur Sachen sein, die dem Verdächtigen gehören, d.h. (bei beweglichen Sachen) wenigstens in seinem (Mit-) Gewahrsam stehen. Auf das Eigentum kommt es dabei also nicht an. Wenn allerdings eine Sache eindeutig einer anderen Person zuzuordnen ist bzw. eindeutig einer anderen Person gehört, darf diese Sache nicht durchsucht werden und es greift in diesem Fall § 103 StPO.

Bei anderen Personen ist eine Durchsuchung nur durchzuführen, wenn diese zur Ergreifung des Verdächtigen führen könnte (beschränkte Ergreifungsdurchsuchung) oder aber zum Auffinden bestimmter Gegenstände und Spuren (beschränkte Ermittlungsdurchsuchung) führen könnte. § 103 StPO erlaubt grds. nur die Durchsuchung von Räumlichkeiten. Personendurchsuchungen sind aber ausnahmsweise auch erlaubt.

Bei § 102 StPO reicht es aus, dass einfach nur die Möglichkeit besteht, das Gesuchte zu finden. Bei § 103 StPO sind die Anforderungen jedoch höher. Hier müssen bestimmte Tatsachen vorliegen, aus denen geschlossen werden kann, dass Beweismaterial oder aber der Beschuldigte dort gefunden werden könnte.

Was die Durchsuchung beim Verdächtigen selbst angeht, ist die Durchsuchung am Körper (hierzu gehören auch die natürlichen Körperöffnungen wie z.B. die Mundhöhle) und auch die Durchsuchung der sich am Körper befindlichen Kleidung zulässig. Davon erfasst wird nicht die Durchsuchung im Körper.

Durchsuchungsvoraussetzungen

Folgende Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit eine Durchsuchung vorgenommen werden kann. Für die Anordnung einer Durchsuchung ist der Richter zuständig, vgl. § 105 Absatz 1 StPO. Wenn jedoch Gefahr im Verzug ist, sind auch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (Polizei) zur Anordnung befugt. Die Ermittlungsbehörden sind nur dann befugt, wenn es sich nicht um eine Durchsuchung nach § 103 Absatz 1 Satz 2 StPO (terroristische Straftaten) handelt. 

Paragraph (© photobyphotoboy / AdobeStock)
Paragraph (© photobyphotoboy / AdobeStock)
Für die Annahme einer Gefahr im Verzug stellt das Bundesverfassungsgericht jedoch strenge Anforderungen. Bloße Vermutungen, Spekulationen und hypothetische Erwägungen reichen dabei nicht aus. Es muss grds. versucht werden, eine richterliche Anordnung zu bekommen, wobei es ausreicht, wenn man versucht, den Richter telefonisch zu erreichen. Wenn jedoch durch die bedingte zeitliche Verzögerung die Gefahr besteht, dass es zu einem Beweismittelverlust kommen könnte, kann von der sogenannten „Eilkompetenz“ Gebrauch gemacht werden.  Wenn es zu einem solchen Fall kommt, muss dies unmittelbar nach der Durchsuchung in den Ermittlungsakten dokumentiert werden. Aus der Begründung muss erkennbar sein, ob die Ermittlungsbeamten versucht haben, den Ermittlungsrichter zu erreichen. Sodann muss dargelegt werden, aus welchen Gründen die Beamten eine Gefahr im Verzug angenommen haben.

Wenn es einen Durchsuchungsbeschluss gibt, muss dieser ausreichend bestimmt sein. Der Richter muss sich davon überzeugen, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist und dass zumindest ein Anfangsverdacht besteht. Darüber hinaus muss der Beschluss Grenzen und Ziel der Durchsuchung darlegen. Der Beschluss wird spätestens nach einem halben Jahr unwirksam.

Durchsuchungsverbote

Im Rahmen einer Durchsuchung sind sogenannte „Durchsuchungsverbote“ zu berücksichtigen. So ist eine nächtliche Durchsuchung grds. verboten; nur unter den Voraussetzungen des § 104 StPO ist eine nächtliche Durchsuchung erlaubt, also z.B. auf frischer Tat oder bei Gefahr im Verzug. Die Nachtzeit umfasst folgende Zeiträume:

  • vom ersten April bis dreißigsten September von 21 Uhr bis 4 Uhr morgens
  • vom ersten Oktober bis einunddreißigsten März von 21 Uhr bis 6 Uhr morgens
Fachanwalt.de-Tipp: Wenn Sie als Beschuldigter eine Durchsuchung über sich ergehen lassen haben, sollten Sie einen Fachanwalt für Strafrecht kontaktieren. Dieser wird im Rahmen einer Akteneinsicht prüfen, ob der Beschluss und die Durchsuchung rechtmäßig erfolgt sind. Zudem wird er nach erfolgter Akteneinsicht eine Ersteinschätzung abgeben, ob die Ihnen vorgeworfene Straftat bewiesen werden kann oder nicht.

FAQ zur Durchsuchung

Was bedeutet eine Durchsuchung nach deutschem Recht?

Eine Durchsuchung bezeichnet im deutschen Rechtskontext eine strafprozessuale Maßnahme, bei der ein Ort, eine Person oder ein Objekt systematisch auf bestimmte Gegenstände oder Personen untersucht wird, um Beweismittel zu finden oder aufzuklären.

Laut § 102 der Strafprozessordnung (StPO) sind Durchsuchungen bei Verdächtigen zur Ergreifung oder zur Auffindung von Beweismitteln grundsätzlich erlaubt. Die Durchsuchung ist an gewisse Voraussetzungen und Verfahrensregeln geknüpft. Es müssen ausreichende Verdachtsgründe vorliegen und in der Regel ist ein Durchsuchungsbeschluss eines Richters erforderlich. Ausnahmen gelten in sogenannten Gefahr in Verzug Situationen. Zu beachten ist auch:

  • Ort der Durchsuchung: Die Durchsuchung kann an verschiedenen Orten stattfinden, einschließlich der Wohnung, Geschäftsräumen oder dem Fahrzeug des Verdächtigen.
  • Ziel der Durchsuchung: Ziel der Durchsuchung ist die Sicherstellung von Beweismitteln oder die Ergreifung einer Person.
  • Rechte des Betroffenen: Die Person, bei der durchsucht wird, hat bestimmte Rechte, einschließlich des Rechts auf einen Anwalt und des Rechts, bei der Durchsuchung anwesend zu sein.

Unter welchen Umständen ist eine Durchsuchung zulässig?

Die Zulässigkeit einer Durchsuchung ist in der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Nach § 102 StPO ist eine Durchsuchung bei Verdächtigen zulässig, wenn der Zweck der Durchsuchung die Ergreifung der Person oder die Beschlagnahme von Beweismitteln ist.

Es muss ein hinreichender Tatverdacht bestehen. Nach § 105 StPO ist außerdem ein Durchsuchungsbeschluss des Richters erforderlich, es sei denn, es liegt Gefahr in Verzug vor. Zu berücksichtigen ist dabei:

  • Hinreichender Tatverdacht: Es muss ein konkreter Verdacht vorliegen, dass eine Straftat begangen wurde.
  • Durchsuchungsbeschluss: In der Regel ist ein Durchsuchungsbeschluss des Richters notwendig. Dieser legt den Umfang und das Ziel der Durchsuchung fest.
  • Gefahr in Verzug: Liegt Gefahr in Verzug vor, kann die Durchsuchung auch ohne richterlichen Beschluss durchgeführt werden.

Was sind meine Rechte während einer Durchsuchung?

Während einer Durchsuchung haben Sie eine Reihe von Rechten, die aus den Grundrechten des Grundgesetzes (GG) und den Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) resultieren. Insbesondere das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Artikel 13 GG und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung spielen hier eine entscheidende Rolle.

Dazu zählen unter anderem:

  • Belehrungsrecht: Die Durchsuchung darf erst beginnen, nachdem Sie über den Grund der Durchsuchung und Ihre Rechte aufgeklärt wurden (§ 163b Abs. 1 StPO).
  • Anwesenheitsrecht: Sie haben das Recht, bei der Durchsuchung anwesend zu sein und eine Vertrauensperson hinzuzuziehen (§ 105 Abs. 2 StPO).
  • Anwaltsrecht: Sie haben das Recht, einen Anwalt hinzuzuziehen. Dieser kann prüfen, ob die Durchsuchung rechtmäßig ist und Ihre Rechte wahren.
  • Beschwerderecht: Sollten Sie der Meinung sein, dass die Durchsuchung rechtswidrig war, können Sie Beschwerde einlegen (§ 304 StPO).

Als Beispiel: Die Polizei klingelt an Ihrer Tür und gibt an, einen Durchsuchungsbeschluss zu haben. Sie dürfen vor Beginn der Durchsuchung den Beschluss lesen und sich über Ihre Rechte belehren lassen. Sie können einen Anwalt kontaktieren und diesen bitten, an der Durchsuchung teilzunehmen.

Was ist, wenn die Durchsuchung rechtswidrig war?

Wenn eine Durchsuchung rechtswidrig war, kann dies verschiedene Konsequenzen haben. Grundsätzlich können Sie gegen die Durchsuchung Beschwerde einlegen (§ 304 StPO). Darüber hinaus können rechtswidrig erlangte Beweismittel im Strafverfahren unverwertbar sein (sogenanntes Beweisverwertungsverbot). Hier sind einige Punkte, die zu beachten sind:

  • Beschwerde: Nach § 304 StPO können Sie gegen die Durchsuchung Beschwerde einlegen. Dies muss in der Regel innerhalb einer Woche nach Kenntnis der Durchsuchung geschehen.
  • Beweisverwertungsverbot: Wenn Beweismittel rechtswidrig erlangt wurden, können diese im Strafverfahren unverwertbar sein. Allerdings gibt es hier Ausnahmen und es ist eine Einzelfallentscheidung.
  • Schadensersatz: In bestimmten Fällen können Sie auch Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn Sie durch die rechtswidrige Durchsuchung einen Schaden erlitten haben.

Beispiel: Bei einer Durchsuchung wurde ohne Ihren Anwalt Beweismaterial beschlagnahmt. Wenn der Richter feststellt, dass die Durchsuchung rechtswidrig war, kann dieses Beweismaterial möglicherweise nicht im Strafverfahren gegen Sie verwendet werden.


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