Ihr Telefon klingelt und am anderen Ende gibt sich jemand als vermeintlicher Enkel aus, der gerade einen tragischen Autounfall hatte und ganz dringend Geld braucht. Er schickt – da er selber stark verletzt sei und schon im Krankenhaus liegen würde - einen Freund vorbei, dem Sie mehrere tausend Euro geben. Der Anrufer ist aber nicht der Enkel, sondern eine völlig fremde Person. Soeben sind Sie Opfer eines „Enkeltricks“ geworden.
Definition
Beim Enkeltrick geben sich Betrüger bei vor allem älteren oder hilflosen Menschen als nahen Verwandten (Enkel, Neffe) aus und spielen eine Notsituation vor, um dadurch schnell an das Geld oder andere Wertgegenstände der Opfer zu kommen.
Enkeltrickbetrug nach StGB und Strafe
Strafrechtlich handelt es sich bei dem „Enkeltrick“ um eine besondere Form des Betrugs (§ 263 StGB) und wird als gewerbsmäßiger Bandenbetrug nach § 263 Abs. 5 StGB („besonders schwerer Fall des Betrugs“) eingestuft, worauf Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 10 Jahren stehen. Nach § 263 Abs. 3 StGB droht einem Täter nur eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren.
Ein solcher Fall liegt vor, wenn nur ein Merkmal vorliegt, also nur bandenmäßig oder nur gewerbsmäßig begangen wurde. Wenn der Betrug sowohl bandenmäßig als auch gewerbsmäßig begangen wurde, liegt ein Fall des § 263 Abs. 5 StGB vor. Der Enkeltrick wird in der Regel bandenmäßig und gewerbsmäßig ausgeführt.
Prinzipielles Vorgehen
Enkeltrick (© zentilla / Fotolia.com)Mit dem Enkeltrick machen Gauner Millionen. Die Opfer sind in der Regel alt und hilflos, manchmal sogar vergesslich und dement. Die Täter sind meist jung, rigoros und organisiert. Beim „Enkeltrick“ handelt es sich in der Regel um ein bandenmäßig organisiertes Verbrechen, worauf immer wieder alte Menschen herein fallen.
Die Täter (Frauen und Männer) agieren in der Regel aus dem Ausland heraus. Sie versammeln sich in Callcentern und sprechen meist fließend deutsch. Sie besorgen sich massenweise Telefonnummern von altmodisch klingenden Vornamen und arbeiten alle Nummern ab.
Wenn von 100 Angerufenen 95 auflegen und nur 5 sich auf ein Gespräch einlassen, kommen die Täter ihrem Ziel schon näher. Der Anrufer sagt meist, dass er aus dem Auto oder aus dem Zug anruft, und daher seine Stimme anders klingt als sonst. Er nennt seinen wahren Namen nicht. Er gibt sich als Verwandter (Neffe, Enkel etc.) aus und täuscht oftmals eine Notsituation (Unfall etc.) vor. Dann verlangen sie Geld und zwar so viel wie die Opfer haben.
In manchen Fällen geben sich die Täter als Polizei, Behörde oder Gericht aus und behaupten, ein Neffe oder Enkel sei in einem Strafverfahren oder Unfall verwickelt und sei daher in Polizeigewahrsam. Um diesen frei zu bekommen, müsste der Angerufene Betrag X zahlen, den ein Mitarbeiter vom Gericht oder von der Polizei in ziviler Kleidung abholen würde. Wenn die Opfer erst einmal auf den „Trick“ hereingefallen sind, halten die Täter in regelmäßigen Abständen Kontakt, um sicher zu gehen, dass dieser wirklich das Geld besorgt und eben nicht zur Polizei gegangen ist. In seltenen Fällen wird die Überweisung auf ein Konto verlangt.
Hintermänner der Enkeltrick-Mafia
Die Hintermänner der Enkeltrick-Mafia bekommt man so gut wie nie zu greifen. Diese sitzen meist im Ausland (Polen, Tschechien, Ungarn etc.) und fungieren von dort aus. Oft handelt es sich um Roma-Clans, die streng hierarchisch strukturiert sind. Polen gilt dabei als der wichtigste Rückzugsort der Telefongangster. Oftmals werden dort Wohnungen zu Callcentern umfunktioniert. Die Gespräche am Telefon führen die Hintermänner zum großen Teil selbst aus.
Die Hintermänner sprechen oftmals fließend deutsch. Die Personen, die später bei den Opfern das Geld abholen, sind keine Hintermänner, sondern eher die „kleinen Fische“, die auch „Läufer“ genannt werden. Diese erhalten in der Regel einen Pauschalbetrag für das Abholen des Geldes (in der Regel ca. 500 bis 1000 Euro). Die Namen der Hintermänner geben sie nicht her, da sie sonst um ihr Leben fürchten müssen. Die Hintermänner kommen also selbst bei Fällen, die auffliegen, straffrei davon. Die Läufer erhalten meist eine Freiheitsstrafe von 2 bis 4 Jahren, je nach Einzelfall.
Im Jahre 2016 wurde jedoch einer der größten Hintermänner („Lolli“) in Budapest gefasst, der die Jahre zuvor wie ein König in Polen und Ungarn gelebt hatte. Der damals 29-Jährige zeigte sich oft bei rauschenden Festen seiner Familie in polnischen Nobelhotels. In sozialen Netzwerken (Facebook etc.) postete er sogar Fotos seiner Fuhrparks, worauf nur noble Autos (Ferrari, Porsche etc.) zu sehen waren. Sein Vater gilt als Erfinder des Enkeltricks.
Dieser hatte zuvor jahrelang in Deutschland (Hamburg) gelebt. „Lolli“ soll einer der aktivsten Hintermänner der "Enkeltrick-Mafia" in den Jahren zuvor vergangenen Millionen verdient haben. Zur Legende in Clan-Kreisen wurde er im Jahre 2015 durch eine Tat in Österreich, wo er es schaffte einer 82-Jährigen Seniorin 640.000 Euro Ersparnisse abzunehmen. Die Geschädigte glaubte am Telefon einen alten Freund aus der Kriegszeit wiedererkannt zu haben. „Lolli“ schaffte es schließlich mit einer Lügengeschichte über einen angeblichen Immobilienkauf, dass die alte Dame einem Abholer an der Haustür ihre kompletten Ersparnisse in Höhe von 640.000 Euro gab.
Nachdem er in Ungarn gefasst und nach Deutschland ausgeliefert wurde, musste sich „Lolli“ vor dem Landgericht Hamburg wegen des Vorwurfs des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in 43 Fällen verantworten. Er wurde im Ergebnis vom Gericht zu 12 ½ Jahren Gefängnis verurteilt.
So kann man sich gegen Betrüger schützen
- Am Telefon und an der Tür stets vorsichtig sein, wenn es sich um Personen handelt, die man nicht kennt.
- Im Telefonbuch den Vornamen mit dem Anfangsbuchstaben abkürzen lassen. Aus Helga Schmidt wird dann H. Schmidt! Diesbezüglich an die Telekom wenden.
- Bei unerwünschten Anrufen sollte man sofort auflegen. Man sollte sich auf keine Gespräche oder Diskussionen einlassen.
- Man sollte unbekannten Personen am Telefon und an der Tür keine Informationen über sich (Einkommen, Familienstand etc.) preisgeben.
- Telefonnummer im Display notieren und aufbewahren. Bei einem Verdacht sollte man diese Nummer der Polizei geben.
- Wenn sich jemand an der Tür oder am Telefon als Neffe, Enkel oder anderer Verwandter/Bekannter ausgibt, sollte man diesem grds. nicht glauben und sich auf die Person nicht einlassen. Also lieber misstrauisch sein und die Tür zuschlagen bzw. das Telefon auflegen.
- Auf Ratespielchen „rate mal, wer dran ist! Oder „rate mal wer ich bin!“ nicht einlassen und nicht mitspielen. Auch da einfach auflegen oder Tür zuschlagen!
- Wenn man Zweifel an der Identität des Anrufers hat, der sich als Verwandter ausgibt, lieber auflegen und diesen angeblichen Verwandten selbst anrufen.
- Am Telefon und an der Tür grds. auf keine Angebote, Geschäfte oder Verträge einlassen.
- Fremde nicht in die Wohnung/Haus lassen und auf keinen Fall Geld an Unbekannte aushändigen. Solchen Zahlungsaufforderungen auf keinen Fall nachkommen.
- Wenn Behörden von einem Geld wollen, bekommt man dies schriftlich. Zudem sind Telefonnummer, Aktenzeichen und Sachbearbeiter im Schreiben erwähnt, so dass man hier erst einmal Rücksprache halten sollte.
- Keine PIN, Passwörter oder andere Geheimnummern herausgeben. Banken und andere Institutionen verlangen so etwas nicht.
- Beim Verdacht, dass es sich um Betrüger handeln könnte, sollte man die Polizei anrufen. Im Zweifel lieber misstrauisch sein und die Polizei informieren!
Enkeltrick zum Opfer gefallen – was tun?
Opfer des Enkeltricks (© lettas / Fotolia.com)Wenn man Opfer eines Enkeltricks oder eines Betrugs geworden ist, sollte man zunächst umgehend die Polizei unter der Nummer 110 informieren. Scheuen Sie sich nicht, die Polizei zu informieren. Ggf. können mit Ihrer Hilfe die Täter gefasst werden. Alternativ könnte man auch zunächst eine nahestehende Vertrauensperson aus der Familie oder einen guten Freund/Nachbarn einschalten, mit dem man dann gemeinsam die Polizei einschaltet.
Bevor die Polizei eintritt sollte man sich Notizen machen zum Vorfall (Datum, Uhrzeit, Täterbeschreibung, Telefonnummer, Kleidung, Aussehen etc.). Jede Info hilft hierbei der Polizei bei den Ermittlungen. Als Opfer einer Straftat könnte man im Nachhinein noch einen Fachanwalt für Strafrecht hinzuziehen. Dieser könnte später Einsicht in die Ermittlungsakte nehmen und einen später gründlich über den Fall und das Ergebnis informieren.
Als Geschädigter bekommt man zwar auch von der Polizei und/oder von der Staatsanwaltschaft Informationen über das Ergebnis der Ermittlungen; diese sind jedoch meist sehr kurz und schwammig. Da die Täter meist nicht gefasst werden, trägt man die Rechtsanwaltskosten in der Regel selbst. Bei der Polizei fallen keine Kosten für die Anzeige an.
Enkeltrick – Verbrechensform mit großer Zukunft
Im Schnitt erbeuten die Täter ca. 10.000 bis 15.000 Euro. In einigen Fällen geben die Opfer zwischen 30.000 und 80.000 Euro her. Zahlen, die man eigentlich gar nicht glauben mag. In Deutschland zählt die Polizei Jahr für Jahr ca. 500 vollendete Enkeltrick-Taten mit über 4 Millionen angerichtetem Schaden und ca. 3.000 Versuchen, die angezeigt wurden. Die Dunkelziffer und der tatsächliche Schaden sind demnach weitaus höher. Nach Schätzungen der Polizei werden nur 50 % der vollendeten Taten und ca. jeder 20. Versuch bei der Polizei angezeigt.
Manche Opfer haben Hemmungen davor, die Tat anzuzeigen. Sie schämen sich! Zudem befürchten sie Ärger mit den eigenen Kindern oder anderen Verwandten zu bekommen, die ihnen damit drohen, sie ins Altenheim zu stecken. Zudem sind die psychischen Folgen für die Opfer gravierend, da sie meist ohnehin schon ein zurückgezogenes Leben führen und durch derartige Taten weiteren psychischen Schaden nehmen. Dies führt dazu, dass die Opfer sich nicht mehr aus dem Haus trauen und auch nicht mehr ans Telefon gehen. Im schlimmsten Fall kann es sogar zum Suizid oder Suizidversuchen kommen.
Da es in Deutschland aufgrund des demographischen Wandels immer mehr ältere Menschen gibt und Krankheiten wie Demenz immer mehr zunehmen, wird der „Enkeltrick“ bei den Gaunern auch in Zukunft ein beliebtes Verbrechen sein.