Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB

Von fachanwalt.de-Redaktion, letzte Bearbeitung am: 20. Januar 2024

Der Ehepartner ist unheilbar krank und möchte ernsthaft sterben. Diesem Wunsch kommt man nach und verabreicht ihm eine Überdosis von Medikamenten. Dies stellt eine strafbare Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB dar, die mit einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren bedroht ist.

Definition

Unter „Tötung auf Verlangen“ versteht man das Töten eines anderen Menschen auf dessen ernsthaften und ausdrücklichen Wunsch hin.

Gesetzliche Regelung

Der Straftatbestand Tötung auf Verlangen ist in § 216 StGB normiert. Darin heißt es:

  1. „Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.“
  2. „Der Versuch ist strafbar.“

Tötung auf Verlangen (© Pictures4you / fotolia.com)
Tötung auf Verlangen (© Pictures4you / fotolia.com)
Geschütztes Rechtsgut des § 216 StGB ist das Leben.

§ 216 StGB stellt zu § 212 StGB (Totschlag) eine Privilegierung dar und entfaltet eine Sperrwirkung gegenüber den anderen Tötungsdelikten. Wenn also eine Strafbarkeit nach § 216 StGB bejaht wird, kann gleichzeitig keine Bestrafung wegen eines anderen Tötungsdeliktes erfolgen.

Zunächst einmal muss die Tötung eines anderen Menschen gegeben sein.

Sodann muss die Tötung erfolgt sein aufgrund eines ausdrücklichen und ernstlichen Verlangens.  Das Verlangen ist mehr als die bloße Einwilligung in die Tötung. Es genügt nicht eine beiläufige Äußerung des Wunsches nach der Tötung. Erforderlich ist vielmehr eine Willensäußerung mit dem Ziel, den Adressaten zur Tötung zu veranlassen. Es ist also ein aktives Einwirken auf den Täter notwendig. Nach dem sog. Einwilligungsmaßstab ist das Verlangen ausdrücklich und ernstlich, wenn

  • das Verlangen auf einer fehlerfreien Willensbildung und einem frei verantwortlichen Willensentschluss beruht (Irrtum, Täuschung, Zwang und andere wesentliche Willensmängel schließen ein ernstliches Verlangen aus),
  • unmissverständlich das Verlangen zum Ausdruck gekommen ist
  • der Getötete in der Lage war, die Tragweite seiner Entscheidung einzuschätzen und sich dementsprechend zu verhalten. Sind Einsicht und Urteilsfähigkeit beeinträchtigt, so liegt kein ernstliches Verlangen vor (Depressive Stimmungslagen schließen die Ernstlichkeit eines Tötungsverlangen grds. aus),
  • das Verlangen im Augenblick der Tathandlung fortbestand,
  • das Verlangen an den Täter selbst oder einem bestimmbaren Personenkreis adressiert ist, zu welchem der Täter gehört (das Verlangen kann sich aber an eine Mehrzahl von Personen wenden, aber grds. nicht an eine unübersehbare Menge).

§ 216 StGB verlangt schließlich, dass der Täter durch das Verlangen des Opfers zur Tötung bestimmt worden ist. Der Tatentschluss des Täters wird also erst durch das Verlangen des Opfers geweckt.

Strafmaß

Der Strafrahmen des § 216 StGB umfasst Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren. Tötung auf Verlangen stellt somit lediglich ein Vergehen dar und kein Verbrechen.

Welche Strafe einen Täter im Ergebnis erwartet, hängt vom Einzelfall und seinen Umständen ab. Maßgeblich ist vor allem, ob derjenige vorbestraft und ob er geständig ist. Sollte der Täter keine Vorstrafen haben und ggf. geständig sein, ist es durchaus möglich, dass er eine Freiheitsstrafe im unteren Bereich des Strafrahmens erhält, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Wenn einem der Vorwurf der Tötung auf Verlangen gemacht wird, sollte man unverzüglich einen Rechtsanwalt auf dem Gebiet des Strafrechts oder einen Fachanwalt für Strafrecht einschalten.

Strafverteidiger-Tipp: Gegenüber der Polizei und der Staatsanwaltschaft sollte man also zunächst keine Angaben machen und von seinem „Recht zu Schweigen“ Gebrauch machen.

Beispiele

Die Tötung auf Verlangen ist in letzter Zeit stärker in den Vordergrund gerückt. Für sehr großes Aufsehen sorgte der Fall des sogenannten „Kannibalen von Rotenburg“, Armin Meiwes im Jahre 2001. Meiwes, der seit seiner Jugend von kannibalischen Gedanken besessen war, hatte im Jahre 2001 einen anderen Menschen (Bernd Brandes) getötet und anschließend Teile seines Körpers verspeist.

Nach Aussage von Meiwes habe sich Brandes im Internet in einem Kannibalen-Forum zum Verspeisen angeboten. Diesem Wunsch kam der Kannibale von Rotenburg nach und tötete Brandes. Im Ergebnis lautete das Urteil nicht Tötung auf Verlangen, sondern Mord und Störung der Totenruhe, wofür Meiwes eine lebenslange Freiheitsstrafe erhielt. Meiwes und sein Rechtsanwalt hatten versucht eine Verurteilung auf der Grundlage des Tatbestandes „Tötung auf Verlangen“ und damit auch ein erheblich niedrigeres Strafmaß zu erreichen.

Eine „Tötung auf Verlangen“ wurde verneint, weil die Zustimmungsbekundung des Getöteten kein „Verlangen“, sondern allenfalls eine - für § 216 StGB nicht ausreichende - Einwilligung gewesen sei. Zudem habe der Zustimmung des psychisch kranken Opfers die Ernstlichkeit gefehlt.

Im Nachfolgenden Fall ist eine  Strafbarkeit wegen § 216 StGB gegeben:

A ist unheilbar demenzkrank und depressiv. Er möchte sich das Leben nehmen, solange er noch im Besitz seiner geistigen Kräfte ist. Nach etlichen Gesprächen mit seiner Ehefrau E erklärt sich diese bereit, ihm dabei zu helfen. Sie besorgt ein Medikament (Betablocker), welches zuverlässig und schnell zum Tod führt. Sie verabreicht dem A eine Überdosis von dem Medikament, woraufhin A stirbt.

Abgrenzung zur Sterbehilfe

​​Strafrecht (© Stockwerk-Fotodesign / fotolia.com)
​​Strafrecht (© Stockwerk-Fotodesign / fotolia.com)
Es muss unterschieden werden zwischen direkter, indirekter und passiver Sterbehilfe.

Die direkte Sterbehilfe (jede durch aktives Tun verursachte geringfügige Lebensverkürzung) ist verboten und gilt in der Regel als Tötung auf Verlangen nach § 216 StGB. Das gilt – wie oben beschrieben- selbst dann, wenn der „Sterbehelfer“  durch ein ausdrückliches und ernsthaftes Tötungsverlangen zur Tötung bestimmt worden ist.

Indirekte Sterbehilfe meint aus ärztlicher Sicht die notwendige Leidenslinderung durch Verabreichung von geeigneten Medikamenten beim Sterbenden, wo der Todeseintritt zeitnah zu erwarten ist. Die eintretende Lebensverkürzung ist als Nebenfolge unbeabsichtigt und unvermeidbar. Wenn die medikamentöse Schmerzlinderung im Einklang mit dem tatsächlichen Willen des Sterbenden steht, ist diese Vorgehensweise gemäß § 34 StGB wegen Notstandes gerechtfertigt.

Passive Sterbehilfe meint das Unterlassen/Abbrechen lebenserhaltender Maßnahmen beim Sterbenden. Wenn der behandelnde Arzt eine medizintechnische Lebenserhaltung abbricht, gilt dies als Unterlassen. Wenn der Behandlungsabbruch durch einen Dritten erfolgt, wird dieser Vorgang als aktives Tun gewertet. Die passive Sterbehilfe ist strafbar und zwar als Totschlag durch Unterlassen nach § 212 StGB.

Schema

A. Tatbestandsmäßigkeit

I. Objektiver Tatbestand

1.) Tatobjekt: Anderer Mensch

2.) Tötungsverlangen des Getöteten

   a) ausdrücklich

   b) ernsthaft

3.) Tathandlung: Töten

4.) Tatentschluss durch Getöteten hervorgerufen („Bestimmen“)

5.) Täterschaftliche Tötung

II. Subjektiver Tatbestand

Vorsatz bzgl. aller objektiven TB-Merkmale (ausreichend ist dolus eventualis)

B. Rechtswidrigkeit

Es gelten die allgemeinen Grundsätze

Strafverteidiger-Tipp: Eine Einwilligung des Opfers ist keine Rechtfertigung.

C. Schuld

Es gelten die allgemeinen Grundsätze

FAQ zur Tötung auf Verlangen

Was versteht man unter "Tötung auf Verlangen" im deutschen Recht?

Die Tötung auf Verlangen ist eine spezielle Form der Tötungsdelikte im deutschen Strafrecht. Dies bezieht sich auf Fälle, in denen eine Person eine andere Person tötet, weil diese Person ausdrücklich darum gebeten hat. In Deutschland ist die Tötung auf Verlangen gemäß § 216 des Strafgesetzbuches (StGB) unter bestimmten Umständen strafbar.

§ 216 StGB lautet: "Wer auf ausdrückliches und ernstliches Verlangen die Tötung eines anderen vornimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft." Es ist wichtig zu beachten, dass trotz des Vorliegens eines ernsthaften Verlangens nach Tötung, die Durchführung der Tat dennoch eine strafbare Handlung darstellt.

Wie unterscheidet sich "Tötung auf Verlangen" von "Beihilfe zum Suizid"?

Tötung auf Verlangen und Beihilfe zum Suizid sind zwei verschiedene Begriffe im deutschen Strafrecht.

  • Tötung auf Verlangen: Bei der Tötung auf Verlangen führt eine Person aktiv die tödliche Handlung aus, die das Leben einer anderen Person beendet, und das auf deren ausdrücklichen Wunsch. Dies ist nach § 216 StGB strafbar.
  • Beihilfe zum Suizid: Bei der Beihilfe zum Suizid leistet eine Person lediglich Unterstützung, während die Suizid ausführende Person selbst die letzte Handlung vornimmt. Nach deutschem Recht ist Beihilfe zum Suizid nach § 25 StGB nicht strafbar. Allerdings kann die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung nach § 217 StGB unter bestimmten Umständen strafbar sein.

Welche Strafen stehen auf "Tötung auf Verlangen" im deutschen Strafrecht?

Nach § 216 StGB ist die Tötung auf Verlangen strafbar und kann mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren geahndet werden. Es ist wichtig zu betonen, dass die Strafe variiert, abhängig von den spezifischen Umständen des Einzelfalls. Ein Beispiel hierfür könnte ein Arzt sein, der auf ausdrückliches und ernsthaftes Verlangen eines unheilbar kranken Patienten eine tödliche Dosis Medikamente verabreicht. In einem solchen Fall könnte das Gericht bei der Urteilsfindung die Umstände der Tat, den Wunsch des Patienten, das Motiv des Arztes und weitere Faktoren berücksichtigen.


Noch keine Bewertungen vorhanden




Ihre Spezialisten
INHALTSVERZEICHNIS

TOOLS
TOP LINKS

Gratis-eBook „Fachanwalt finden“


Alle Infos zur Fachanwaltssuche!
Informationen und Tipps zur Fachanwaltssuche!

  • Was ist ein Fachanwalt?
  • Wichtige Infos zu Anwaltskosten, Beratungshilfe!
  • Kostenlos als PDF-Download