Unzurechnungsfähigkeit – Definition und Erläuterungen zum Gesetz

Von fachanwalt.de-Redaktion, letzte Bearbeitung am: 4. Oktober 2023

Fehlt dem Täter bei der Tat die Einsicht und damit auch die Verantwortlichkeit für die Tat, kann er als unzurechnungsfähig anzusehen sein und somit straffrei ausgehen. Denn ein wichtiger Grundsatz des deutschen Rechts besagt, dass keine Strafe ohne Schuld möglich ist. Wer ohne Schuld eine Tat begangen hat, kann wegen dieser nicht bestraft werden. Gesetzlich geregelt ist die Unzurechnungsfähigkeit in den §§ 19-21 StGB.

Unzurechnungsfähigkeit – Definition & Gesetz

In Anlehnung an § 20 StGB lässt sich Unzurechnungsfähigkeit definieren als die Unfähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Gesetz (© photobyphotoboy / AdobeStock
Gesetz (© photobyphotoboy / AdobeStock
Ein maßgeblicher Grundsatz des deutschen Strafrechts lautet: Keine Strafe ohne Schuld.

Demnach kann nicht derjenige schuldhaft handeln, der unzurechnungsfähig ist, was Straffreiheit nach sich zieht.

Die Straffreiheit bezieht sich dabei auf die laut Tatbestand des Strafgesetzbuches vorgesehene Freiheits- oder Geldstrafe. Dennoch kann der Täter mit Konsequenzen für seine Tat rechnen, die vom jeweiligen Einzelfall abhängig gemacht werden. Möglich wäre etwa die Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik, wo sich der Täter aufgrund seiner schweren seelischen Störung einer Therapie unterziehen muss.

Begründet sich die Unzurechnungsfähigkeit durch Vollrausch, ist es auch denkbar, dass sich der Täter Entzugsmaßnahmen unterziehen muss. Das Strafgesetzbuch sieht verschiedene Paragraphen vor, die vorgeben, wann ein Täter als schuldfähig oder eben als schuldunfähig gilt. Insgesamt lassen sich vier Stufen der Zurechnungs- bzw. Schuldfähigkeit unterscheiden:

  • vollständig zurechnungsfähig
  • vermindert schuldfähig
  • bedingt schuldfähig
  • unzurechnungsfähig

Die Unzurechnungsfähigkeit eines Täters kann sich dabei aus unterschiedlichen Paragraphen ergeben.

Unzurechnungsfähigkeit im Paragraph 19 StGB

§ 19 StGB befasst sich mit der Schuldunfähigkeit des Kindes: „Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist.“ Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gelten als unzurechnungsfähig, da sie noch besonders jung sind und eine entsprechende Unreife vermutet wird. Erst ab 14 Jahren gilt man daher als strafmündig.

Paragraph 20 StGB

§ 20 StGB regelt hingegen die Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen: „Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.“ Hiervon zu unterscheiden sind nur vorübergehende seelische Störungen oder eine aus einem anderen Grund vorübergehend fehlende Einsichtsfähigkeit.

Fachanwalt.de-Tipp: In solchen Fällen ist nicht von Unzurechnungsfähigkeit, sondern von einer verminderten Schuldfähigkeit auszugehen. Dadurch kann die Strafe abgemildert werden, straffrei geht der Täter in solchen Fällen aber nicht aus!

Paragraph 323a StGB

In § 323a StGB ist der Vollrausch geregelt: „Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rausch versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist.“

Durch § 323a StGB kann es also trotz Unzurechnungsfähigkeit zu einer Bestrafung kommen. Wer also beispielsweise eine Körperverletzung begeht und aufgrund von Vollrausch unzurechnungsfähig war und somit straffrei davonkommt, kann nun durch § 323a StGB doch noch bestraft werden. So wird dann nicht mehr der eigentliche Verstoß an sich bestraft (in diesem Fall die Körperverletzung), sondern die Tatsache, dass man sich durch einen Vollrausch überhaupt in einen Zustand der Unzurechnungsfähigkeit versetzt hat.

Fachanwalt.de-Tipp: Es ist also nicht möglich, sich absichtlich derart zu betrinken, um als schuldunfähig eingestuft zu werden und somit straffrei auszugehen!

Im Falle des § 323a StGB hat sich der Täter sozusagen in zweierlei Hinsicht strafbar gemacht. Zum einen hat er eine rechtswidrige Tat begangen (z.B. Körperverletzung), zum anderen hat er beabsichtigt, die eigene Schuldfähigkeit durch übermäßigen Alkoholkonsum zu verbergen, um so straffrei davonzukommen.

Alkohol: Ab wieviel Promille ist man unzurechnungsfähig?

Als Richtwert wird eine Blutalkoholkonzentration von 3,0 Promille zugrunde gelegt.

Promille (© benjaminnolte / fotolia.com)
Promille (© benjaminnolte / fotolia.com)
Wird dieser Wert erreicht, kann Schuldunfähigkeit angenommen werden. Im Falle eines Tötungsdelikts ist eine Blutalkoholkonzentration von 3,3 Promille maßgeblich, um Schuldunfähigkeit zu bejahen, da bei solchen Delikten von einer erhöhten Hemmschwelle auszugehen ist.

Zwischen 2,0 und 2,9 Promille kann von einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ausgegangen werden, bei Tötungsdelikten wird die Grenze für die verminderte Schuldfähigkeit oft erst bei 2,2 Promille angesetzt. Die Werte sind dabei nicht als starre Vorgaben zu sehen, die Schuldfähigkeit wird stets auch einzelfallabhängig bewertet. Gerade auch bei alkoholabhängigen Personen, die stark an einen entsprechend hohen Konsum gewöhnt sind, wird eine noch höhere Blutalkoholkonzentration gefordert werden, damit man von Unzurechnungsfähigkeit ausgehen kann.

  • Unter 2,0 Promille ist von voller Schuldfähigkeit auszugehen
  • Zwischen 2,0 und 2,9 Promille kann von einer verminderten Schuldfähigkeit nach § 21 StGB ausgegangen werden
  • Ab 3,0 Promille kann eine absolute Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB vorliegen, da tiefgreifende Bewusstseinsstörungen in Betracht kommen

Psychische Störungen / Krankheit

§ 20 StGB regelt die Schuldunfähigkeit aufgrund seelischer Störungen. Hier kommt es also, anders als bei § 19 StGB, nicht auf das Alter der Betroffenen an, sondern auf deren geistigen, psychischen und seelischen Zustand. Zu den in § 20 StGB genannten krankhaft seelischen Störungen gehören: festgestellte Geisteskrankheiten, zum Beispiel Schizophrenie und Psychosen.

Schuldunfähig kann auch sein, wer unter einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung leidet, diese muss dabei nicht zwingend krankhafter Natur sein. Möglich wäre auch, dass die Bewusstseinsstörung beispielsweise durch starken Schlafmangel oder Hypnose herrührt.

Weiterhin nennt § 20 StGB Schwachsinn sowie andere schwere seelische Abartigkeiten als mögliche Gründe für eine Schuldunfähigkeit. Unter Schwachsinn versteht man dabei eine angeborene Intelligenzschwäche, auch als Debilität bekannt. Zu den anderen schweren seelischen Abartigkeiten zählen verschiedene von der Norm abweichende Zustände, die nicht auf organische Krankheiten zurückzuführen sind, wie es etwa bei Psychopathien der Fall sein kann.

Antrag auf Unzurechnungsfähigkeit

Ob in einem Verfahren einem Antrag auf Unzurechnungsfähigkeit stattgegeben wird, entscheidet in der Regel das Gericht. In vielen Fällen dient ein psychiatrisches Gutachten dazu, über die Zurechnungsfähigkeit zu entscheiden. Bei diesem erfolgt nicht nur eine genaue Untersuchung, sondern es fließen auch das Gesamtverhalten sowie die bisherige Lebensführung vor und während der Tat in die Gesamteinschätzung mit ein.

FAQ zum Thema Unzurechnungsfähigkeit

Was bedeutet Unzurechnungsfähigkeit?

Unzurechnungsfähigkeit ist ein Begriff aus dem Strafrecht und bezeichnet die Fähigkeit eines Menschen, bei der Begehung einer strafbaren Handlung die Bedeutung seines Handelns zu erkennen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Eine Person, die aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer geistigen Behinderung nicht in der Lage ist, die Bedeutung ihres Handelns zu verstehen oder danach zu handeln, kann als unzurechnungsfähig gelten.

Was passiert, wenn jemand aufgrund von Unzurechnungsfähigkeit eine Straftat begeht?

Wenn eine Person aufgrund von Unzurechnungsfähigkeit eine Straftat begeht, kann sie strafrechtlich nicht verurteilt werden. Stattdessen wird in einem solchen Fall eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik angeordnet, um die Person zu behandeln und ihre Gefährlichkeit für die Gesellschaft zu reduzieren.

Welche Voraussetzungen müssen für die Feststellung von Unzurechnungsfähigkeit erfüllt sein?

Für die Feststellung von Unzurechnungsfähigkeit müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

Der Täter muss zum Zeitpunkt der Tat aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer geistigen Behinderung nicht in der Lage gewesen sein, die Bedeutung seines Handelns zu erkennen oder danach zu handeln. Die psychische Erkrankung oder geistige Behinderung muss krankhaft sein, das heißt, sie muss von längerer Dauer sein und nicht nur vorübergehend auftreten. Die Erkrankung oder Behinderung muss zur Tatzeit vorliegen.

Wer stellt die Unzurechnungsfähigkeit fest?

Die Feststellung der Unzurechnungsfähigkeit obliegt in der Regel einem Gericht. Hierzu werden in der Regel psychiatrische oder psychologische Gutachten eingeholt, die die Unzurechnungsfähigkeit des Täters belegen oder ausschließen sollen.

Was passiert nach einer erfolgreichen Behandlung?

Wenn eine Person nach einer erfolgreichen Behandlung wieder als zurechnungsfähig gilt, kann sie für die begangene Tat nachträglich verurteilt werden. Die Strafe kann jedoch in der Regel nicht höher ausfallen als diejenige, die bei der Anordnung der Unterbringung vorgesehen war.

Was ist der Unterschied zwischen Unzurechnungsfähigkeit und Schuldfähigkeit?

Die Schuldfähigkeit bezieht sich darauf, ob ein Täter zum Zeitpunkt der Tat in der Lage war, das Unrecht seiner Handlung zu erkennen und danach zu handeln. Ist dies der Fall, so ist der Täter schuldfähig und kann strafrechtlich verurteilt werden. Die Unzurechnungsfähigkeit hingegen bezieht sich darauf, ob der Täter aufgrund einer psychischen Erkrankung oder geistigen Behinderung in der Lage war, das Unrecht seiner Handlung zu erkennen oder danach zu handeln.

Welche Folgen hat eine Unterbringung aufgrund von Unzurechnungsfähigkeit?

Eine Unterbringung aufgrund von Unzurechnungsfähigkeit hat in der Regel zur Folge, dass die betroffene Person für eine bestimmte Zeit in einer psychiatrischen Klinik untergebracht wird. Hier soll die Person behandelt und stabilisiert werden, um ihre Gefährlichkeit für die Gesellschaft zu reduzieren. Die Dauer der Unterbringung ist abhängig von der Schwere der Erkrankung und der Dauer der Behandlung.

Wie kann Unzurechnungsfähigkeit im Alltag erkannt werden?

Im Alltag kann Unzurechnungsfähigkeit schwer zu erkennen sein, da sie sich nicht immer durch offensichtliche Symptome äußert.

Anzeichen können jedoch sein:

  • Verwirrtheit oder Desorientierung
  • Halluzinationen oder Wahnvorstellungen
  • Selbstgefährdendes oder fremdgefährdendes Verhalten
  • Unkontrollierte Wutausbrüche oder Aggressionen
  • Unverständliches oder wirres Reden

Was ist die Bedeutung von Unzurechnungsfähigkeit im Strafprozess?

Die Feststellung der Unzurechnungsfähigkeit hat eine entscheidende Bedeutung im Strafprozess. Wenn eine Person als unzurechnungsfähig eingestuft wird, kann sie nicht strafrechtlich verurteilt werden, sondern wird in der Regel in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Dadurch soll die Person behandelt und stabilisiert werden, um ihre Gefährlichkeit für die Gesellschaft zu reduzieren.


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