- Akteneinsicht im Verwaltungsrecht und ihre BedeutungAnspruch auf Akteneinsicht
- Rechtsgrundlage für Akteneinsicht Akteneinsicht gegenüber welchen Behörden? Wer darf die Akten einsehen? Akteneinsicht ohne Anwalt möglich? Wo und wie findet die Akteneinsicht statt? Wie lange dauert es bis man Einsicht bekommt? Darf die Behörde Akteneinsicht verweigern?
Das Recht auf ein faires Verfahren gehört in Deutschland zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtstaatlichen Verfahrens und wird als allgemeines Prozessgrundrecht qualifiziert. Die Wurzeln werden im Rechtstaatsprinzip gesehen, Art. 20 Abs. 3 GG. Teil des Rechts auf ein faires Verfahren ist das Recht auf Akteneinsicht des Betroffenen. Jeder Bürger hat also das Recht auf Akteneinsicht, auch im Verwaltungsverfahren. Sobald ein betroffener Bürger ein verwaltungsrechtliches Verfahren laufen hat, kann er mit Hilfe eines Rechtsanwalts Einsicht in die jeweilige Akte nehmen. Das Recht auf Akteneinsicht gilt vor allem auch im Strafverfahren.
Akteneinsicht im Verwaltungsrecht und ihre Bedeutung
Akteneinsicht im Verwaltungsrecht (© Mario Hoesel - stock.adobe.com)Zunächst einmal soll geklärt werden, was ein Verwaltungsverfahren gemäß Verwaltungsrecht ist:
Der Begriff des Verwaltungsverfahrens ist in § 9 VwVfG legaldefiniert:
„Das Verwaltungsverfahren ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags ein.“
Das Verwaltungsverfahren meint die Tätigkeit einer Behörde zur
- Prüfung
- Vorbereitung
- Erlassung
eines Verwaltungsaktes.
Derartige typische Verwaltungsakte sind z.B. Steuer- und Gebührenbescheide, Bußgeldbescheide, Rentenbescheide, Genehmigungsbescheide, Aufenthaltsgenehmigungen.
Einfach gesagt sind die Ergebnisse eines Verwaltungsaktes Gebote und Verbote.
Wenn z.B. das Jobcenter einem Bürger Leistungen bewilligt und dazu einen Bescheid erlässt, dann handelt es sich hierbei um Verwaltungsverfahren. Hat das Finanzamt einem Bürger einen Steuerbescheid zukommen lassen, handelt es sich ebenso um Verwaltungsverfahren.
Weitere Fallbeispiele von Verwaltungsverfahren:
- Bauamt lehnt Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung ab
- Bauamt erteilt Baugenehmigung und verbindet diese mit Auflagen
- Einbürgerungsbehörde lehnt Antrag auf Einbürgerung ab
- Ausländerbehörde lehnt Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab bzw. stimmt Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu und erteilt die Aufenthaltserlaubnis
- Ausländerbehörde stimmt Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zu und erteilt die Niederlassungserlaubnis
- Sozialamt lehnt Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe ab
- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnt Antrag auf Gewährung von Asyl ab
- Bundesamt erkennt Asylgründe an und erteilt auf Antrag des Betroffenen Asyl
- Ordnungsamt verhängt ein Fahrverbot und 2 Punkte in Flensburg
Wenn der Betroffene mit der Entscheidung der Behörde nicht einverstanden ist, kann er die Entscheidung anfechten (in der Regel mit einem Einspruch oder Widerspruch). Der Einspruch/Widerspruch sollte gut begründet werden. Hierzu sollte man zunächst Einsicht in die Akte nehmen. Daher ist das Thema Akteneinsicht so wichtig, weil sie dem Betroffenen die Möglichkeit gibt, sich über die gesamte Entscheidungsfindung der Behörde und den kompletten Vorgang zu informieren.
Sinn und Zweck der Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren
Im Rahmen der Akteneinsicht kann man in der Regel folgende Fragen beantworten:
- Worum geht es?
- Gibt es irgendwelche Vorwürfe gegen einen selbst?
- Was weiß die Behörde?
- Welche Unterlagen und Dokumente hat die Behörde vorliegen/gesammelt?
- Gibt es Zeugen? Wenn ja, wer und was haben diese Zeugen gesagt?
- Welche Beweise liegen sonst noch vor?
- Wie ist der aktuelle Sachstand bei der Behörde?
Um diese und ggf. weitere Fragen zu beantworten, kann man sämtliche Unterlagen, Dokumente und Beweise sichten, die die Behörde vorliegen hat. Ausgehend von diesen Informationen und dem Stand des Verfahrens kann man dann der Behördenentscheidung widersprechen und die Behörde ggf. zu einer Korrektur verpflichten.
Anspruch auf Akteneinsicht
Akten im Verwaltungsverfahren (© Harald07 - stock.adobe.com)Hat man als Bürger ein Verwaltungsverfahren laufen, so hat man in der Regel nicht alle Informationen, die die in diesem Fall zuständige Verwaltungsbehörde hat. Fraglich ist, ob man auf die Informationen zugreifen kann?
Rechtsgrundlage für Akteneinsicht
Jeder Mensch hat laut der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) das Recht auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör. Hierzu gehört auch das Recht auf Akteneinsicht, welches verfassungsrechtlich festgeschrieben ist und sich indirekt aus Art. 20 Abs. 3 GG ergibt.
Das Recht auf Akteneinsicht ergibt sich allerdings auch direkt aus dem Gesetz und zwar aus § 29 Abs. 1 VwVfG (Verwaltungsverfahrens-Gesetz). Danach hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist.
Nach § 29 Abs. 2 VwVfG ist die Behörde zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, wenn durch die Akteneinsicht
- die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt,
- das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder soweit
- die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen, geheim gehalten werden müssen.
Das Akteneinsichts-Recht aus § 29 Abs. 1 VwVfG bezieht sich auf die Fälle, wo das Verfahren noch mit der Behörde geführt wird und der Rechtstreit somit noch nicht vor Gericht ausgetragen wird. Ist die Angelegenheit schon vor Gericht, ist § 100 Abs. 1 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) einschlägig. Danach können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Beteiligte können sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen.
Akteneinsicht gegenüber welchen Behörden?
Die Akteneinsicht hat man grundsätzlich gegenüber allen Verwaltungsbehörden.
Zu den deutschen Behörden, gegenüber man die Akteneinsicht vornehmen kann, gehören z.b. folgende Behörden:
- Bußgeldstelle
- Ordnungsamt
- Einbürgerungsbehörde
- Ausländerbehörde
- Finanzamt
- Bauaufsichtsbehörde
Wer darf die Akten einsehen?
Alle am Verwaltungsverfahren beteiligten Personen sind berechtigt, Einsicht in die Akten zu nehmen. Zu den beteiligten Personen gehören vor allem:
- der Antragsteller (also der Bürger)
- der Adressat eines Verwaltungsaktes (z. B. ein Bauherr oder auch ein Verkehrsteilnehmer)
- Vertragspartner eines öffentlich-rechtlichen Vertrags (Besitzer eines Parkplatzes)
Akteneinsicht ohne Anwalt möglich?
Die Frage ist, ob man die Akteneinsicht selbst vornehmen darf oder ob man dafür einen Rechtsanwalt beauftragen muss.
Für die Akteneinsicht benötigt man grundsätzlich keinen Rechtsanwalt. Man könnte die Akte also auch selbst einsehen.
Ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht weiß mit seiner Erfahrung und Expertise wie er die Akteneinsicht vornehmen und nach welchen Informationen er suchen muss. Vorhandene Fehler wird er leichter erkennen als ein Laie. Der Rechtsanwalt wird zunächst Einsicht in die jeweilige Verfahrensakte nehmen und die daraus gewonnen Informationen auswerten und den Mandanten darüber informieren. Danach wird er die weiteren Schritte wie z.B. Einlegung des Rechtsbehelfs (Einspruch/Widerspruch) und vor allem die Begründung des Rechtsbehelfs vornehmen. So kann der Fachanwalt für Verwaltungsrecht zielgerichteter und effektiver einen rechtswidrigen Bescheid aufheben lassen.
Es kann auch sein, dass der Fachanwalt für Verwaltungsrecht die Behörde anruft und dadurch das für den Mandanten bessere Ergebnis ggf. leichter erreicht. Als Laie ist man mit der Behördensprache und den dortigen Abläufen nicht vertraut. Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht wird erkennen, worauf die Behörde ihre Entscheidung stützt und ob diese Entscheidung rechtmäßig oder eher rechtswidrig ist.
Der Fachanwalt wird dem Mandanten vor allem auch Sicherheit geben im Hinblick darauf, ob die Entscheidung der Behörde richtig oder falsch ist. Manchmal stellt es sich – vor allem nach erfolgter Akteneinsicht - heraus, dass die Entscheidung der Behörde richtig ist und man somit keine Chance hat, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Nicht immer lohnt es sich, gegen eine Entscheidung vorzugehen.
Wo und wie findet die Akteneinsicht statt?
Wo die Akteneinsicht stattfindet, hängt davon ab, wer die Akteneinsicht vornimmt.
Wenn man selbst die Akteneinsicht vornehmen möchte, hat man sich grundsätzlich zur jeweiligen Behörde zu begeben, weil die Akteneinsicht vor Ort vorzunehmen ist. Als Betroffener hat man zuvor einen schriftlichen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen. Danach erhält man von der Behörde die Nachricht, wann und wo man die Akteneinsicht vornehmen muss. Man kann in der Regel mit der Behörde auch einen Termin für die Akteneinsicht abstimmen. Eine Frist bis wann man die Akteneinsicht beantragen muss, gibt es nicht. Man kann die Akteneinsicht also in der Regel in jeder Lage des Verfahrens beantragen.
Hat man einen Rechtsanwalt beauftragt, erhält dieser in der Regel die Akteneinsicht auf dem Postwege, so dass ihm die jeweilige Akte postalisch zugeschickt wird. Entweder erhält der Rechtsanwalt die Akte als Kopie, die er gegen Zahlung einer Gebühr behalten darf oder er behält die Akte für einige Zeit und muss die Akte wieder zurücksenden. Die jeweilige Gebührt fällt auch im letzteren Fall an.
Nach § 29 Abs. 3 VwVfG findet die Akteneinsicht bei der Behörde statt, die die Akten führt. Im Einzelfall kann die Einsicht auch bei einer anderen Behörde oder bei einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfolgen; weitere Ausnahmen kann die Behörde, die die Akten führt, gestatten, vgl. § 29 Abs. 3 VwVfG.
Ist das Verfahren bei Gericht anhängig, so kommt § 100 VwGO zur Anwendung. Nach § 100 Abs. 3 VwGO wird die Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Die Akteneinsicht kann, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, auch durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt werden. Nach dem Ermessen des Vorsitzenden kann der nach § 67 Absatz 2 Satz 1 und 2 Nummer 3 bis 6 bevollmächtigten Person die Mitnahme der Akten in die Wohnung oder Geschäftsräume gestattet werden.
Wie lange dauert es bis man Einsicht bekommt?
Wie lange es dauert bis man Einsicht in die Akte bekommt, hängt in der Regel vom jeweiligen Einzelfall und der Auslastung der jeweiligen Behörde ab. Es gibt keine gesetzliche Vorgabe, innerhalb welcher Zeit die Behörde die Akteneinsicht gewähren muss.
In der Regel erhält man die Akte innerhalb von ca. 2-4 Wochen nach erfolgtem Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht.
Darf die Behörde Akteneinsicht verweigern?
Anspruch gemäß VwVfG (© mann77 - stock.adobe.com)Nach dem Verwaltungsverfahrens-Gesetz (VwVfG) ist die Behörde verpflichtet, dem Antragsteller bzw. dem Betroffenen Einsicht in die Akten zu gewähren, vgl. § 29 Abs. 3 VwVfG.
Somit liegt es nicht im Ermessen der Behörde, ob sie dem Antragsteller Akteneinsicht gewährt oder nicht, sondern die Behörde ist zur Gewährung von Akteneinsicht verpflichtet.
Es gibt dennoch Situationen, in denen die Akteneinsicht verweigert werden kann.
In folgenden Fällen kann die Akteneinsicht nicht gewährt werden:
- Die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung wird beeinträchtigt. In diesem Fall könnte die Behörde wegen der Akteneinsicht ihre Aufgabe/n wie z.B. Beweissammlung oder auch Ermittlungsarbeiten nicht erfüllen.
- Für den Staat ergeben sich Nachteile. In diesem Fall enthalten die Akten Informationen, die eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen.
- Datenschutz – Geheimhaltungsinteresse von Dritten: In diesem Fall enthalten die Akten Infos zu den Vermögensverhältnissen, Geschäftsgeheimnissen oder auch zum Gesundheitszustand von dritten Personen. Durch die Akteneinsicht würde man das Geheimhaltungsinteresse verletzen.
Die Behörde darf dem Betroffenen also nur dann Akteneinsicht verweigern, wenn einer der vorgenannten Gründe vorliegt. In allen anderen Fällen muss die Behörde dem Antrag auf Akteneinsicht stattgeben. Die Entscheidung für die Nicht-Gewährung der Akteneinsicht muss die Behörde begründen.
Wenn die Behörde den Antrag auf Akteneinsicht ablehnt, kann man dagegen Widerspruch einlegen. In diesem Fall sollte man sich an einen Fachanwalt für Verwaltungsrecht wenden.
Kosten
Für die Akteneinsicht fallen in der Regel auch Kosten an. Wenn man Akteneinsicht beantragt, muss man mit der
- Zahlung einer sogenannten Auslagenpauschale (maximal 20 Euro) sowie
- Kosten für die Begutachtung in Papier und/oder Digitalform (5 bis 12 Euro)
- Kosten für Kopien (50 cent für je Seite für die ersten 50 Seiten, danach 15 Cent pro Seite.
- evtl. Versandkosten rechnen.
Wenn man einen Anwalt für die Akteneinsicht beauftragt hat, fallen Anwaltskosten an, die in der Regel zwischen 150 und 300 Euro liegen werden. Es gibt sicherlich auch Fälle, wo die Anwaltskosten auch höher liegen können. Die Rechtsanwaltskosten richten sich nach dem Rechtsanwalts-Vergütungs-Gesetz (RVG). Die Kostenfrage hat man mit dem jeweiligen Rechtsanwalt direkt zu Beginn zu klären.
Akteneinsicht beantragen – Muster Antrag
Wie bereits oben dargelegt, ist es ratsamer, die Akteneinsicht über einen Fachanwalt für Verwaltungsrecht vornehmen zu lassen. Wenn man sich dennoch dazu entschlossen hat, selbst einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen, dann könnte dies wie folgt aussehen:
Peter Mustermann
Hallerstraße 10
10000 Musterstadt
An
Ordnungsamt Musterstadt
Blumenstraße 20
1000 Musterstadt
Musterstadt, den 01.12.20XX
Aktenzeichen: 33.22.11.33
Sehr geehrte Damen und Herren,
in der im Betreff genannten Angelegenheit habe ich Ihr Schreiben vom 20.07.2024 erhalten, wonach Sie mir eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 30 km/h innerorts vorwerfen.
Bevor ich mich zu dem Vorwurf äußere, beantrage ich hiermit, mir Akteneinsicht zu gewähren.
Gern kann ich die Akte bei Ihnen vor Ort einsehen. Alternativ bitte ich um postalische Übersendung der Akte in Kopie an mich. Die Kosten dafür können Sie mir gerne in Rechnung stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Mustermann