Medizinrecht

Ärzte müssen nicht in jedem Fall Lebend-Organspende durchführen

Zuletzt bearbeitet am: 09.12.2023

Hamm (jur). Ärzte und Krankenhäuser müssen Patienten nicht für eine Organspende bei Eurotransplant anmelden, wenn dies von vornherein aussichtslos ist. Auch einem Angebot Angehöriger für eine Lebend-Spende müssen sie nicht in jedem Fall nachkommen, wie das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem am Dienstag, 1. Juli 2014, bekanntgegebenen Urteil entschied (Az.: 26 U 135/13).

Es wies damit die Erben eines Mannes aus Westfalen ab. Wegen eines früheren Alkoholmissbrauchs litt er an einer Leberzirrhose. Im September 2009 wurde zudem Leberkrebs diagnostiziert. Die Ärzte versuchten nicht mehr, für den Patienten bei Eurotransplant eine Spenderleber zu bekommen. Auch gingen sie nicht auf das Angebot eines Sohnes für eine Lebendspende ein.

Vier Monate nach der Krebsdiagnose, im Januar 2010, starb der Mann. Ehefrau und Kinder verlangten ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro.

Das OLG Hamm wies die Klage jedoch ab. Das Verhalten der Ärzte war nicht behandlungsfehlerhaft, heißt es in dem rechtskräftigen und auch bereits schriftlich veröffentlichten Urteil vom 25. März 2014.

Zur Begründung verwies das OLG auf die sogenannten Milan- oder Mailand-Kriterien. Diese beschreiben für Patienten mit Leberzirrhose und -karzinom, wie weit die Krankheiten fortgeschritten sein dürfen, damit eine erfolgreiche Lebertransplantation in Betracht kommt. Wegen des allgemeinen Organmangels nimmt Eurotransplant nur Anträge für Patienten an, die diese Kriterien erfüllen. Statistisch überleben dann drei von vier Patienten für mindestens vier Jahre.

Hier seien die Leberwerte für eine Transplantation zunächst noch zu gut, dann aber bezüglich des Krebses die Mailand-Kriterien nicht erfüllt gewesen. Daher habe zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit einer erfolgreichen Anmeldung bei Eurotransplant bestanden, betonte das OLG.

Auch auf das Angebot des Sohnes für eine Lebendspende hätten die Ärzte nicht eingehen müssen. Für den Sohn sei dies mit einem tödlichen Risiko von immerhin einem Prozent verbunden gewesen. Ein Arzt sei nicht verpflichtet, ein solches Risiko für den kindlichen Spender in Kauf zu nehmen. Die Überlebenschancen für den Empfänger seien bei einer Lebendspende deutlich geringer als bei einer normalen Transplantation, da hier in den durch Krankheit geschwächten Körper eine durch Teilung geschädigte Leber verpflanzt werde. In Deutschland werde üblicherweise auch eine Lebendspende daher nur durchgeführt, wenn die Mailand-Kriterien erfüllt sind.

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik: © Picsfive - Fotolia.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Medizinrecht Zweifel bei Freistellung von Masernschutzimpfung eines Schülers

Düsseldorf (jur). Bei Zweifel an einem ärztlichen Zeugnis über eine Freistellung von einer Masernimpfung kann das Gesundheitsamt eine amtsärztliche Untersuchung anordnen. Mit Zwangsmitteln kann die ärztliche Untersuchung allerdings nicht durchgesetzt werden, entschied das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einem am Freitag, 17. November 2023, bekanntgegebenen Beschluss (Az.: 29 L 2480/23).  Konkret ging es um einen siebenjährigen Schüler aus Wuppertal. Dieser wollte ohne vorgeschriebene Masernschutzimpfung die Schule besuchen. Hierfür legte er ein ärztliches Attest einer Ärztin aus der Oberpfalz vor. Diese hatte ihm auf einem Vordruck bescheinigt, dass der ... weiter lesen

Medizinrecht Patientenverfügung muss Behandlungssituation erfassen

Karlsruhe (jur). Soll eine Patientenverfügung eine Zwangsbehandlung in der geschlossenen Psychiatrie verhindern, darf der psychisch Kranke das Behandlungsverbot nicht zu allgemein fassen. Die in der Verfügung enthaltene Regelung muss sich auf die konkrete Behandlungssituation der geschlossenen Unterbringung beziehen und die etwaigen Konsequenzen wie etwa Gesundheitsschäden bei ausbleibender Behandlung erfassen, forderte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Mittwoch, 17. Mai 2023, veröffentlichten Beschluss (Az.: XII ZB 232/21). Bei einer bestehenden konkreten Gefahr für Leib und Leben anderer Personen – wie etwa Pflegekräfte und Ärzte – kann die Zwangsmedikation ... weiter lesen

Medizinrecht Kein Schmerzensgeld für „Krebsangst“ wegen verunreinigter Arznei

Frankfurt/Main (jur). Wenn eine später festgestellte Verunreinigung eines Medikaments das Krebsrisiko minimal erhöht, rechtfertigt dies keine Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am Dienstag, 16. Mai 2023, bekanntgegebenen Urteil entschieden (Az.: 13 U 69/22).  Hintergrund sind 2018 bei einem chinesischen Hersteller festgestellte Verunreinigungen des Wirkstoffs Valsartan. Er enthielt N-Nitrosodimethylamin, das als „wahrscheinlich krebserregend“ gilt. Mehrere Pharmaunternehmen, die den Blutdrucksenker von dort bezogen hatten, mussten ihre Medikamente zurückrufen. Die Klägerin aus Südhessen ... weiter lesen

Medizinrecht Haartransplantation im In- und Ausland: Worauf Patienten vor der OP achten sollten

Eine Haartransplantation ist ein medizinischer Eingriff, der mit erheblichen Risiken verbunden sein kann. Wenn bei diesem Eingriff Fehler auftreten, kann der Patient unter Umständen Anspruch auf Schadensersatz haben. Sorgfältige Auswahl der medizinischen Einrichtung Vor einer Entscheidung für eine Haartransplantation sollten Patienten sorgfältig prüfen, welche Aspekte zu berücksichtigen sind. Ferner ist besonders die gründliche Recherche über den behandelnden Arzt oder die Klinik von Bedeutung. Wird eine Transplantation im Ausland in Betracht gezogen, kann die Auskunft zusätzlich erschwert sein.  Erfahrungsberichte Eine Möglichkeit, die ... weiter lesen

Ihre Spezialisten