Verwaltungsrecht

Altersgrenze für Prüfsachverständige wegen erhöhtem Fehlerrisiko zulässig

22.01.2015
 (2)
Zuletzt bearbeitet am: 12.12.2023

Leipzig (jur). Prüfsachverständige für Gebäude müssen eine Altersgrenze hinnehmen. Mit einem am Mittwoch, 21. Januar 2015, verkündeten Urteil billigte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Altersgrenze von 70 Jahren in Hessen (Az.: 10 CN 1.14). Bei älteren Prüfern bestehe ein „erhöhtes Risiko von Fehlleistungen“. Die altersbedingte Benachteiligung sei daher gerechtfertigt, um die Sicherheit der Gebäude zu gewährleisten und das Leben ihrer Nutzer zu schützen.

Nach der Hessischen Bauordnung wird die Sicherheit größerer öffentlich zugänglicher Gebäude durch anerkannte Sachverständige überprüft. Das gilt etwa für Hochhäuser, Krankenhäuser und Schulen sowie für größere Veranstaltungshallen, Gaststätten, Geschäfte und Einkaufszentren. Die Anerkennung der hierfür zuständigen Prüfsachverständigen erlischt mit dem 70. Geburtstag.

Ein heute 71 Jahre alter Sachverständiger wollte seine Arbeit nicht aufgeben und klagte. Die Höchstaltersgrenze verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage nun ab. Die Altersgrenze sei zwar eine Benachteiligung wegen des Alters, sie sei aber gerechtfertigt. Denn sie sei „geeignet, zur Bausicherheit beizutragen, indem sie das altersbedingt erhöhte Risiko von Fehlleistungen bei der Prüftätigkeit ausschließt“. So diene die Altersgrenze der Gebäudesicherheit und damit „dem Schutz von Leben und Gesundheit der Gebäudenutzer und der Allgemeinheit“.

Wegen dieses „legitimen Zwecks“ verstoße die Höchstaltersgrenze weder gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz noch gegen EU-Recht, urteilte das Bundesverwaltungsgericht. Eine individuelle Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Sachverständigen sei demgegenüber weniger wirksam und kaum praktikabel.

Die Altersgrenze von 70 Jahren sei den betroffenen Prüfsachverständigen auch zumutbar, weil sie deutlich über dem Renteneintrittsalter von künftig 67 Jahren liege.

Nach einem früheren Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hängt die Zulässigkeit einer Altersgrenze für Sachverständige aber auch von der jeweiligen Tätigkeit ab. Sie kann – etwa bei Sachverständigen der Industrie- und Handelskammern – unzulässig sein, wenn keine Sicherheitsrisiken bestehen und auch ältere Menschen die Anforderungen gut erfüllen können (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 1. Februar 2012).

Auch der Europäische Gerichtshof in Luxemburg macht Altersgrenzen von der konkreten Tätigkeit abhängig. So wertete es eine frühere tarifliche Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten der Lufthansa als zu früh; 65 Jahre seien offenbar ausreichend, wenn ein jüngerer Pilot mitfliegt (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 13. September 2011, Az.: C-447/09).

Andere Altersgrenzen hatten vor den Gerichten Bestand. So billigte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr der Hansestadt (Beschluss vom 15. Mai 2012, Az.: 1 Bs 44/12; JurAgentur-Meldung vom 30. Mai 2012). Nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs ist aus organisatorischen Gründen auch die bundesweite Altersgrenze von 70 Jahren für Notare rechtmäßig (Beschluss vom 24. November 2014, Az.: NotZ (Brfg) 5/14; JurAgentur-Meldung vom 29. Dezember 2014).

Der Verwaltungsgerichtshof Kassel (Beschluss vom 28. Oktober 2013, Az.: 1 B 1638/13; JurAgentur-Meldung vom 31. Oktober 2013) und das Oberverwaltungsgericht Koblenz (Urteil vom 25. November 2011, Az.: 2 A 11201/10.OVG; JurAgentur-Meldung vom 15. März 2011) bestätigten den Zwangsruhestand mit 65 Jahren für Landesbeamte in Hessen und Rheinland-Pfalz. Dagegen können Beamte in Baden-Württemberg wegen Besonderheiten des dortigen Landesrechts bis zum 68. Geburtstag weiterarbeiten (Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim vom 15. Januar 2013, Az.: 4 S 1519/12; JurAgentur-Meldung vom 31. Januar 2013).

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik: © Lisa F. Young  - Fotolia.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Verwaltungsrecht BVerwG entscheidet über Regelung zur Mehrarbeitsvergütung bei Dienstunfällen

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat unter dem Aktenzeichen 2 C 2.23 ein Urteil zum Thema Vergütung von Mehrarbeit bei vorzeitiger Ruhestandsversetzung aufgrund eines Dienstunfalls gefällt. Polizeikommissar fordert nach Dienstunfall Überstunden-Vergütung Ein Polizeikommissar (Besoldungsgruppe A 9 LBesO), der im Zeitraum 2015 bis 2016 mehrfach zu zusätzlichen Einsätzen bei der Polizei herangezogen wurde, erlitt im September 2016 einen Dienstunfall. Anschließend folgten krankheitsbedingte Auszeiten, die teilweise durch den Ausgleich von Überstunden und regulären Urlaub unterbrochen waren. Mit Ende Juli 2018 wurde er wegen anhaltender Dienstunfähigkeit ... weiter lesen

Verwaltungsrecht BVerwG-Urteil bestätigt aktuelle Zuschussregelung für kirchliche Kitas in NR

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig unter dem Aktenzeichen 5 C 7.22 bestätigt, dass die Regelung zur Finanzierung von kirchlichen Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen für das Kindergartenjahr 2016/2017, welche kirchlichen Trägern geringere staatliche Zuschüsse gewährt als anderen freien Trägern, keine Glaubensdiskriminierung darstellt und verfassungsrechtlich zulässig ist. Gericht weist Klage kirchlicher Kita gegen Zuschussdifferenzierung ab Die nordrhein-westfälische Förderpraxis für Kindertageseinrichtungen basiert auf dem Kinderbildungsgesetz (KiBiz) vom 8. Juli 2016. Nach diesem Gesetz erhalten Einrichtungsträger vom ... weiter lesen

Verwaltungsrecht BayVGH bestätigt Leinenzwang für zwei Hunde aus Günzburg

In einer Entscheidung vom 22. Januar 2024 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) den Leinenzwang für zwei Hund aus dem Landkreis Günzburg bekräftigt (Az.:  10 ZB 23.1558 ) . Diese Anordnung wurde ursprünglich von der zuständigen Sicherheitsbehörde erlassen und durch Urteile des Verwaltungsgerichts Augsburg am 18. Juli 2023 bestätigt. Der Eigentümer der Hunde hatte gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt, die nun vom BayVGH abgewiesen wurde. Leinenzwang nach Bürgerbeschwerden bestätigt Der Besitzer der beiden großen Hunde wurde mit Bescheiden vom Februar 2023 von der Verwaltungsgemeinschaft des Landkreises Günzburg, der ... weiter lesen

Verwaltungsrecht Gericht bestätigt Klassenfahrtausschluss nach Schlag in Gesicht

Das Verwaltungsgericht Berlin hat in seiner Entscheidung (Az.: VG 3 L 61.24 ) festgelegt, dass ein Schüler, der einen Mitschüler schlägt, rechtmäßig von einer Klassenfahrt ausgeschlossen werden kann. Der Eilantrag gegen die Maßnahme wurde zurückgewiesen, wobei das Gericht den Erziehungsauftrag der Schule und die Sicherheit aller Schüler in den Vordergrund stellte. Schüler von Skifahrt ausgeschlossen: Mutter hält Strafe für unverhältnismäßig Ein Schüler der 9. Klasse einer Berliner Oberschule wurde nach einem Vorfall im Dezember 2023, bei dem er einen Mitschüler ins Gesicht schlug, von einer anstehenden Skifahrt ausgeschlossen. Dies erfolgte nach mehreren ... weiter lesen

Ihre Spezialisten