München (jur). Welcher Fußgänger kennt und schätzt nicht den ungetrübten Blick auf „die gesamte zu überquerende Fahrbahnoberfläche“ an einer grünen Fußgängerampel. Fußgänger können und müssen deshalb auch Mängel der Beschaffenheit des Überwegs erkennen, wie das Amtsgericht München in einem am Freitag, 10. Juni 2022, bekanntgegebenen Urteil entschied (Az.: 182 C 8281/21). Es wies die Klage eines Mannes ab, der über einen etwas tiefer gelegenen Gullydeckel gestürzt war.
Der Mann hatte im Frühjahr 2020 einen Fußgängerüberweg in der Münchener Innenstadt überquert. Dort befand sich ein Gullydeckel, der etwa zweieinhalb Zentimeter tiefer als die umgebende Straßenoberfläche in die Straße eingelassen war. Der Kläger trat ausgerechnet auf die Kante, knickte um und brach sich den Fuß. Anschließend war er länger in orthopädischer Behandlung.
Von der für den Gullydeckel verantwortlichen kommunalen Versorgungsgesellschaft verlangte der Mann 4.000 Euro Schmerzensgeld und 928 Euro Schadenersatz. Es handele sich hier um eine vielbefahrene Straße, bei der Fußgänger naturgemäß mehr auf den Verkehr als auf den Boden achten. Es bestünden daher erhöhte Verkehrssicherungspflichten. Diesen sei die Versorgungsgesellschaft nicht nachgekommen.
Das Amtsgericht München war jedoch ganz anderer Ansicht und wies die Klage ab. Stadt und Versorgungsbetriebe müssten nur solche Gefahren beseitigen, auf die sich Fußgänger nicht einstellen können. Dabei müssten Fußgänger geringe Höhenunterschiede im Belag in der Regel hinnehmen. Das gelte auch hier für den zweieinhalb Zentimeter tieferen Gullydeckel.
„Entscheidend sind jedoch die Gesamtumstände der jeweiligen Örtlichkeit“, heißt es weiter in dem Münchener Urteil. Und diese Umstände brachten hier die zuständige Richterin des Amtsgerichts in schon fast poetisches Schwärmen. Denn während in einer Fußgängerzone Schaufenster und andere Menschen den ungetrübten Blick beeinträchtigen, gelte dies an einer Fußgängerampel nicht.
„Bei Grün breitet sich vor dem Fußgänger mithin die gesamte zu überquerende Fahrbahnoberfläche aus und überblickt er diese.“ Abbiegende Autos müssten dem Fußgänger Vorrang gewähren, weshalb er sich „auf den Überquervorgang konzentrieren“ und seine Aufmerksamkeit dabei insbesondere der Fahrbahnoberfläche widmen könne. Dort habe der Mann den Gullydeckel schon wegen seiner Größe klar erkennen können und auch müssen, befand die Richterin.
Der betreffende Gullydeckel wurde inzwischen auf Fahrbahnhöhe angehoben. Dazu verpflichtet war die Versorgungsgesellschaft aber nicht, betonte das Amtsgericht.
Dies sah inzwischen auch der gestürzte Fußgänger ein. Seine zunächst eingelegte Berufung nahm er zurück. Das jetzt bekanntgegebene Urteil des Amtsgerichts München vom 21. Dezember 2021 ist damit rechtskräftig.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock