Unwirksame Kündigungen führen häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen, insbesondere wenn es um den Anspruch auf Annahmeverzugslohn geht. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat in einem Urteil vom 11.09.2024 entschieden, dass Einkommen aus einer neuen Tätigkeit auf diesen Anspruch angerechnet wird. Dennoch bleibt der Arbeitgeber zur Zahlung verpflichtet, sofern kein böswilliges Unterlassen des Arbeitnehmers nachzuweisen ist.
Annahmeverzugslohn und böswilliges Unterlassen: Die rechtlichen Grundlagen
Gemäß § 615 BGB geraten Arbeitgeber bei einer unwirksamen Kündigung automatisch in Annahmeverzug. Dies verpflichtet sie, das Gehalt des Arbeitnehmers weiterzuzahlen, obwohl keine Arbeitsleistung erbracht wird. Der Anspruch entfällt jedoch, wenn der Arbeitnehmer böswillig eine zumutbare neue Beschäftigung ablehnt. Nach § 11 KSchG und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowie des LAG Baden-Württemberg liegt Böswilligkeit nur vor, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers bewusst und vorsätzlich erfolgt. Fahrlässigkeit allein genügt nicht.
Einkommensanrechnung: Das Urteil des LAG Baden-Württemberg
Das LAG Baden-Württemberg (Urteil AZ 4 Sa 10/24) stellte klar, dass Einkünfte aus einer neuen Beschäftigung auf den Annahmeverzugslohn angerechnet werden müssen. Im zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger, dessen Kündigung für unwirksam erklärt wurde, während des Annahmeverzugszeitraums eine neue Stelle angetreten. Das Gericht entschied, dass der Arbeitgeber den Annahmeverzugslohn abzüglich der erzielten Einkünfte zahlen muss. Diese Regelung zielt darauf ab, das finanzielle Risiko für Arbeitgeber zu begrenzen und Arbeitnehmer zu motivieren, zeitnah eine neue Tätigkeit aufzunehmen.
Verpflichtungen der Arbeitnehmer: Böswilliges Unterlassen vermeiden
Arbeitnehmer müssen im Falle einer unwirksamen Kündigung nachweisen, dass sie sich aktiv um eine neue Anstellung bemüht haben. Gerichte prüfen hierbei sorgfältig, ob zumutbare Angebote abgelehnt wurden. Maßgeblich sind:
- die Qualifikation des Arbeitnehmers,
- die Art der Tätigkeit und deren
- räumliche Zumutbarkeit.
Wer vorsätzlich und ohne triftigen Grund keine Bemühungen zeigt, riskiert den vollständigen Verlust seines Anspruchs auf Annahmeverzugslohn.
Finanzielle Risiken und Handlungsspielräume für Arbeitgeber
Ein Kündigungsschutzverfahren kann für Arbeitgeber erhebliche finanzielle Belastungen mit sich bringen. Der Annahmeverzugslohn umfasst nicht nur das Grundgehalt, sondern häufig auch variable Leistungen wie Boni oder Sonderzahlungen. Arbeitgeber sollten daher rechtzeitig strategische Einwände wie böswilliges Unterlassen oder die Berücksichtigung anderweitigen Einkommens geltend machen. Eine sorgfältige Vorbereitung kann helfen, finanzielle Risiken zu minimieren.
Exkurs: Annahmeverzugslohn
Der Annahmeverzugslohn ist ein gesetzlich verankerter Vergütungsanspruch (§ 615 Satz 1 BGB), der greift, wenn Arbeitgeber die angebotene Arbeitsleistung ihrer Mitarbeiter nicht annehmen. Voraussetzungen sind ein bestehendes Arbeitsverhältnis, das Arbeitsangebot sowie die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Die Berechnung erfolgt nach dem Lohnausfallprinzip und umfasst alle regulären Vergütungsbestandteile. Während des Annahmeverzugs muss sich der Arbeitnehmer anderweitige Verdienste anrechnen lassen. Typische Anwendungsfälle sind unwirksame Kündigungen, Freistellungen oder wirtschaftlich bedingter Arbeitsausfall. Diese Regelung schützt Arbeitnehmer vor ungerechtfertigtem Lohnausfall.
Praktische Empfehlungen für beide Seiten
- Für Arbeitnehmer: Dokumentieren Sie Ihre Bemühungen um eine neue Beschäftigung. Kopien von Bewerbungen, Absagen und Notizen zu Stellensuchen und Vorstellungsgesprächen können im Streitfall entscheidend sein, um Ihren Anspruch zu untermauern.
- Für Arbeitgeber: Sammeln Sie Beweise, welche böswilliges Unterlassen belegen könnten, etwa ungenutzte Stellenausschreibungen oder Hinweise auf unzureichende Bemühungen des Arbeitnehmers. Eine gut vorbereitete Verteidigung kann unberechtigte Ansprüche erfolgreich abwehren.
Fazit
Arbeitgeber sind bei unwirksamen Kündigungen grundsätzlich verpflichtet, Annahmeverzugslohn zu zahlen. Gleichzeitig ermöglicht die Anrechnung anderweitigen Einkommens eine finanzielle Entlastung. Arbeitnehmer sollten ihre Bemühungen sorgfältig dokumentieren, um ihre Ansprüche abzusichern, während Arbeitgeber mit strategischem Vorgehen die finanziellen Folgen minimieren können. Eine fundierte rechtliche und wirtschaftliche Vorbereitung ist für beide Seiten unerlässlich.
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