Verwaltungsrecht

Anwohner müssen elektromagnetische Felder von Stromleitung dulden

Zuletzt bearbeitet am: 03.01.2023

Mannheim (jur). Bürgerinnen und Bürger können nicht beanspruchen, dass sie vor elektromagnetischen Feldern gänzlich verschont bleiben. Gehen von Hochspannungsleitungen elektromagnetischen Felder ohne schädliche Umwelteinwirkungen aus, sind zusätzliche Freileitungen zur Gewährleistung der Netzstabilität regelmäßig nicht zu beanstanden, entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim in einem am Dienstag, 3. Januar 2023, zugestellten Urteil (Az.: 6 S 833/20). 

Konkret ging es um 110-kV-Leitungen im Ostalbkreis. Bereits seit den 1920er Jahren befindet sich dort eine Stromleitung. Die Wohnbebauung ist dabei im Laufe der Jahre immer näher an die Leitungstrasse herangerückt. Als das Regierungspräsidium Stuttgart zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität eine zweite 110-kV-Leitung in einem Planfeststellungsbeschluss genehmigte, zogen die acht Kläger, Anwohner und Eigentümer vor Gericht. 

Sie befürchteten eine erhebliche Belastung durch elektromagnetische Felder, die von der neuen Stromleitung ausgehen. Eine Erdverkabelung sei für die zweite Leitung vorzuziehen. Ihr Interesse an „jeglicher Verschonung vor elektromagnetischen Feldern“ sei nicht hinreichend berücksichtigt worden. 

Doch der VGH wies die Klage ab. Wegen der steigenden Einspeisung erneuerbarer Energien in das Stromnetz bestehe die Gefahr einer Aus- und Überlastung benachbarter Stromkreise. Ohne eine zweite Leitung drohe eine dauerhafte Versorgungsunterbrechung. Zudem rufe die Hochspannungsleitung durch ihre elektromagnetischen Felder keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervor. Die maßgeblichen Grenzwerte würden weit unterschritten. Die Versorgungssicherheit habe damit Vorrang vor den Interessen der Kläger. 

Im Planfeststellungsbeschluss sei auch das sogenannte Minimierungsgebot beachtet worden. Danach wurden die technischen Möglichkeiten der Minimierung elektrischer und magnetischer Felder soweit möglich ausgeschöpft. Ein Anspruch auf eine alternative Trassenführung und einer Erdverkabeldung ergebe sich nicht. Die im Gesetz vorgesehene Erdverkabelung gelte außerdem nur für neue Trassen und nicht für Bestandstrassen, urteilte der VGH. 

Die Grundstückseigentümer hätten sich zudem seit den 1920er Jahren auf das Bestehen der Freileitung an Ort und Stelle einrichten können. Sie hätten damit kein schutzwürdiges Interesse, in Zukunft von den Belastungen der elektromagnetischen Felder freigestellt zu werden. 

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

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