Steigern Sie Ihre Sichtbarkeit und gewinnen Sie mehr Mandate. Jetzt 1 Monat kostenlos testen!Pfeil rechtsPremiumeintrag jetzt kostenlos testenPfeil rechts

Arbeitgeber darf mit Dienstplan nicht Entgeltfortzahlung umgehen

SternSternSternSternStern
(3 Bewertungen)08.11.2023 Arbeitsrecht
Zuletzt bearbeitet am: 18.10.2024

Chemnitz (jur). Weist eine Arbeitnehmerin wegen einer bevorstehenden Operation auf eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit hin, darf der Arbeitgeber bei der Planung von Arbeitsschichten nicht das Recht auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall umgehen. Wurde die Beschäftigte während ihrer Krankschreibung nicht in die sonst üblichen Schichten eingeteilt, kann der Arbeitgeber für den entgangenen Lohn zu Schadenersatz verpflichtet sein, entschied das Sächsische Landesarbeitsgericht (LAG) in einem in Chemnitz kürzlich veröffentlichten Urteil vom 8. September 2023 (Az.: 2 Sa 197/22). 

Die Klägerin arbeitete im Schichtdienst im Bereich der ambulanten Pflege und Betreuung und übernahm dort Fahrdienste. Es galt eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden. Beginn und Ende der Einsatzzeiten sowie Pausen hingen von den Dienst- und Einsatzplänen ab. Für den Erhalt der Grundvergütung in Höhe von 1.901 Euro legte der Arbeitgeber ein monatliches Stundensoll von 173,17 Stunden zugrunde. 

Noch vor Erstellung des Dienstplans teilte die Klägerin im Mai 2021 ihrem Arbeitgeber mit, dass sie wegen einer geplanten Zahnoperation voraussichtlich vom 20. bis 26. Mai 2021 arbeitsunfähig sein werde. Die Zeiten wurden im Dienstplan als „wunschfrei“ vermerkt. Die Beschäftigte war dann über den ursprünglich vermuteten Zeitraum hinaus auch am 27. und 28. Mai 2021 arbeitsunfähig erkrankt. 

Der Arbeitgeber zahlte ihr für diese beiden Tage Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, nicht aber für die Tage davor. Trotz der Arbeitsunfähigkeit wurde die Frau im Streitmonat so eingesetzt, dass sie ihr monatliches Stundensoll erreichen konnte. 

Vor Gericht verlangte sie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder eine Gutschrift auf ihr Arbeitszeitkonto für ihre gesamte Zeit der Arbeitsunfähigkeit. Ihr Arbeitgeber habe kein Recht sie während ihrer angekündigten voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit „auszuplanen“. Hätte sie diese nicht vorab angezeigt, wäre sie im streitigen Zeitraum im Dienstplan eingeteilt gewesen. Nur weil sie Rücksicht auf die Dienstplanung genommen und den Arbeitgeber über die voraussichtliche Krankschreibung informiert habe, dürfe sie nicht mit einer unterbliebenen Entgeltfortzahlung bestraft werden. 

Der Arbeitgeber bestritt, dass mit der Dienstplanerstellung die Entgeltfortzahlung umgangen werden sollte. Sie habe zudem ihr Stundensoll im Monat Mai 2021 mehr als erfüllt und sei auch entsprechend vergütet worden. Der Dienstplan habe daher vom Arbeitgeber mit Zustimmung des Betriebsrats angewiesen werden können. 

Während das Arbeitsgericht Bautzen der Klägerin in vollem Umfang recht gab, hatte die Klage vor dem LAG immerhin noch teilweise Erfolg. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall stehe der Klägerin allerdings nicht zu. Dieser Anspruch bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung sei (vgl. BAG-Urteil vom 28. Januar 2004, Az.: 5 AZR 58/03). Hier sei die Erbringung der Arbeitsleistung aber wegen des Dienstplans nicht nötig gewesen. 

Allerdings habe der Arbeitgeber den Dienstplan nicht wie vorgeschrieben nach „billigem Ermessen“ erstellt. Er wollte mit der unterbliebenen Einsatzplanung im streitigen Zeitraum im Ergebnis den Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall umgehen. Dafür spreche die Tatsache, dass die Klägerin direkt nach der angekündigten voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit wieder eingeplant gewesen sei. 

Zwar habe die Klägerin keinen Anspruch auf eine bestimmte Planung. Die bisherige Handhabung, sie im Durchschnitt an drei Tagen pro Woche einzusetzen, dürfe aber nicht unberücksichtigt bleiben. Der Arbeitgeber habe bei der Dienstplanerstellung allein seine eigenen betrieblichen und wirtschaftlichen Interessen verfolgt. „Das Interesse der Klägerin, durch ihr vertragstreues Verhalten nicht schlechter gestellt zu werden, fand bei der Dienstplanung dagegen keinerlei Berücksichtigung“, kritisierte das LAG. 

In der streitigen 20. Kalenderwoche 2021 sei die Klägerin „nicht mit dem Mindestmaß an Diensten eingeplant“ gewesen, „welches noch billigem Ermessen entsprochen hätte, nämlich mit drei Schichten“, urteilte das LAG. Tatsächlich sei sie nur an einem Tag eingesetzt worden. Wegen der unterbliebenen Einteilung für zwei weitere Schichten könne sie Schadenersatz in Höhe von insgesamt 246,77 Euro verlangen.

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik:© andyller - stock.adobe.com

Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

Diesen Artikel bewerten: SternSternSternSternStern (3 Bewertungen)
Diesen Artikel teilen: Linkedin Xing X
Whatsapp
Facebook
Fragen? Jetzt Fachanwalt.de-KI kostenlos fragen

Ihr Chatverlauf

Schildern Sie Ihr Problem ausführlich und erhalten innerhalb von Sekunden eine kostenlose KI-Ersteinschätzung:

SofortantwortSofortantwort 24/7
NachfragemöglichkeitNachfragemöglichkeit
Kostenlos!Kostenlos!
Antwort erhalten Pfeil nach rechts
Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Behandelnde Ärztin kann bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit als Zeugin aussagen
15.01.2025Redaktion fachanwalt.deArbeitsrecht

Das Arbeitsgericht Berlin hat am 19. März 2024 ( Az.: 22 Ca 8667/23 ) entschieden, dass eine behandelnde Ärztin als sachverständige Zeugin aussagen kann, wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers bestehen. Diese Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für den Umgang mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) und deren Beweiswert im arbeitsrechtlichen Kontext, da sie zeigt, dass der Beweiswert einer AU unter bestimmten Umständen erschüttert werden kann, was eine ärztliche Zeugenaussage erforderlich macht. Arbeitsunfähigkeit: Rechtliche Grundlagen Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin basiert auf dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), insbesondere § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Wesentliche Punkte: Anspruch auf Entgeltfortzahlung setzt eine ärztliche Bescheinigung voraus....

weiter lesen weiter lesen

Neue Verdienstgrenze bei Minijobs: Mehr Verdienstmöglichkeiten 2025
09.01.2025Redaktion fachanwalt.deArbeitsrecht

Mit Beginn des Jahres 2025 treten bedeutende Änderungen für Minijobber in Kraft. Neben einer Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12,82 Euro pro Stunde wird auch die monatliche Verdienstgrenze für geringfügige Beschäftigungen von aktuell 538 Euro auf 556 Euro erhöht. Diese Anpassungen betreffen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen und bieten neue Chancen, erfordern jedoch auch eine präzise Planung.  Verdienstgrenze bei Minijobs: Rechtliche Grundlagen der Anpassung Mindestlohngesetz (MiLoG): Regelt den gesetzlichen Mindestlohn, der ab Januar 2025 auf 12,82 Euro pro Stunde steigt. Sozialgesetzbuch IV (§ 8 Abs. 1a SGB IV): Definiert die Geringfügigkeitsgrenze für Minijobs, die dynamisch an den Mindestlohn gekoppelt ist. Mit diesen gesetzlichen Grundlagen wird sichergestellt,...

weiter lesen weiter lesen
Der digitale Arbeitsvertrag ab 2025: Das sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer beachten
12.12.2024Redaktion fachanwalt.deArbeitsrecht

Ab dem 1. Januar 2025 wird es in Deutschland erstmals möglich sein, digitale Arbeitsverträge abzuschließen. Diese Neuerung, eingeführt durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV), markiert einen entscheidenden Meilenstein in der Modernisierung des Arbeitsrechts. Schnellere, effizientere und rechtlich abgesicherte Verfahren werden den Arbeitsalltag transformieren und die Digitalisierung in der Arbeitswelt entscheidend voranbringen. Dieser Fortschritt steht exemplarisch für die Anpassung des Arbeitsrechts an die Erfordernisse einer zunehmend digitalen Gesellschaft. Neue Chancen durch digitale Arbeitsverträge Die Möglichkeit, Arbeitsverträge digital abzuschließen, revolutioniert den Einstellungsprozess. Bislang war die eigenhändige Unterschrift auf Papier notwendig.  Ab 2025 können...

weiter lesen weiter lesen

Anspruch auf Verdienstausfallschaden bei ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit
11.12.2024Redaktion fachanwalt.deArbeitsrecht

In einer Entscheidung vom 8. Oktober 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass ein Geschädigter Anspruch auf Ersatz seines Verdienstausfallschadens hat, selbst wenn die ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit objektiv nicht vorlag. Entscheidend ist, ob der Geschädigte berechtigterweise auf die ausgestellte Bescheinigung vertraut hat. Diese rechtliche Bewertung sorgt für Klarheit in einem sensiblen Bereich des Schadensrechts. Bedeutung des Urteils und der zugrunde liegende Fall Das Urteil  (AZ: VI ZR 250/22 ) bezieht sich auf den Fall eines Unfallgeschädigten, der in einer Waschstraße von einem Fahrzeug erfasst wurde. Die Verletzungen, darunter eine tiefe Risswunde und Quetschungen am linken Unterschenkel, erforderten eine stationäre Behandlung . Ein Arzt bescheinigte dem Betroffenen eine...

weiter lesen weiter lesen

Rechtsanwalt gesucht?
Sie haben Fragen?