Arbeitsrecht

Arbeitsrecht: Rechte des Arbeitnehmers bei Lohnrückstand des Arbeitgebers

19.10.2019

In der Regel wird der Arbeitslohn gem. § 614 BGB am ersten Tag des Folgemonats, in dem die Arbeit geleistet wurde, zur Zahlung fällig. Kann der Arbeitgeber die Vergütung zum Fälligkeitstermin nicht zahlen, kommt er mit der Lohnzahlung in Verzug.

1. Zurückbehaltungsrecht

Dem Arbeitnehmer kann bei rückständigen Lohn zunächst ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB zustehen (BAG 25.10.1984, Az. 2 AZR 417/83). Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung solange zurückbehalten darf, bis der Arbeitgeber die Lohnzahlung erbracht hat. Die Arbeitsleistung kann aber nicht verweigert werden, wenn der Lohnrückstand verhältnismäßig geringfügig oder nur eine kurzfristige Verzögerung der Lohnzahlung zu erwarten ist. In der Regel wird ein Rückstand von 1,5 bis 2 Bruttomonatsgehältern als nicht mehr geringfügig angesehen (BAG 25.10.2007, Az. 8 AZR 917/06 – 2 Gehälter). Teilweise wird auch vertreten, dass bereits ein Rückstand von einem Monatsgehalt erheblich ist (LAG Köln, 11.10.2017, Az. 9 Ta 176/17).

Das Zurückbehaltungsrecht ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auszuüben. Es darf dann nicht geltend gemacht werden, wenn dem Unternehmen hierdurch ein unverhältnismäßig hoher Schaden entsteht. Es ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Lohnanspruch auf andere Weise gesichert ist. Das Zurückbehaltungsrecht muss gegenüber dem Arbeitgeber ausdrücklich erklärt werden und deutlich gemacht werden, aufgrund welcher Gegenforderungen die Arbeitsleistung nicht erbracht wird (ArbG Cottbus 21.02.2012, Az. 6 Ca 1376/11).

2. Fristlose Kündigung

Der Lohnzahlungsverzug stellt weiterhin auch einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsvertrages dar (BAG 17.01.2002, Az. 2 AZR 494/00). Ein wichtiger Grund liegt dann vor, wenn die Lohnzahlung in nicht unerheblicher Höhe unterblieben ist oder sich der Verzug über einen längeren Zeitraum erstreckt. Ferner ist von Bedeutung, ob der Arbeitgeber bereits zum wiederholten Mal mit der Zahlung des Lohns in Verzug gekommen ist.

Vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung ist der Arbeitnehmer jedoch verpflichtet, den Arbeitgeber abzumahnen (BAG 17.01.2002, Az. 2 AZR 494/00). Hierzu muss der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung konkret bezeichnen und deutlich machen, dass er das Arbeitsverhältnis beenden wird, wenn der Lohnzahlungsverzug andauert. Eine Abmahnung ist nur dann entbehrlich, wenn sie keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Das kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber von sich aus mitteilt, dass die ausstehenden Löhne nicht gezahlt werden können (BAG 26.07.2007, Az. 8 AZR 817/06).

3. Schadenersatzansprüche

Liegen die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung vor, ist der Arbeitgeber zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 628 Abs. 2 BGB). Der Arbeitgeber ist zum Ersatz des durch die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet. Der Kündigende soll so gestellt werden, als wäre das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß fortgeführt und durch ordentliche Kündigung beendet worden (LAG Rheinland-Pfalz 21.04.2009, Az. 3 Sa 701/08). Darüber hinaus hat der Arbeitnehmer auch Anspruch auf eine angemessene Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes (BAG 16.07.2013, Az. 9 AZR 784/11).

4. Ausschlussfristen

In der Regel werden in Arbeitsverträgen oder in Tarifverträgen Ausschlussfristen vereinbart. Diese umfassen auch den rückständigen Lohn. Der Arbeitnehmer muss deshalb vertragliche oder tarifvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen beachten und die Lohnrückstände schriftlich und gegebenenfalls gerichtlich innerhalb der Ausschlussfristen geltend machen. Ansonsten läuft er Gefahr, dass die rückständigen Lohnansprüche verfallen.

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Henry Bach
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