Kassel (jur). In einem Wohnheim untergebrachte psychisch kranke Ausländer können vom Sozialhilfeträger die Kostenerstattung für die Beschaffung eines neuen Passes beanspruchen. Die vom Heimatland erhobenen Gebühren für die Ausstellung eines neuen Passes sind dem „weiteren notwendigen Lebensunterhalt“ zuzuordnen und nicht aus dem Taschengeld, welches der Bewohner als Barbetrag erhält, zu bezahlen, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Freitag, 9. Dezember 2022, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag (Az.: B 8 SO 11/20 R).
Damit bekam der heute 44-jährige türkische Kläger von den obersten Sozialrichtern recht. Der Mann hatte infolge Drogenkonsums eine Schizophrenie entwickelt. Seit dem 12. Oktober 2009 steht er unter Betreuung. Er verfügt über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Vom Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen als überörtlichem Sozialhilfeträger erhält er für seine Unterbringung Eingliederungshilfe. 2012 bekam er zudem ein Taschengeld in Höhe von monatlich 101 Euro.
Als der Mann einen neuen türkischen Pass benötigte, beantragte sein Betreuer beim LWV die Übernahme der Passbeschaffungskosten in Höhe von 162 Euro. Aus dem Taschengeld könne der psychisch Kranke den Betrag nicht bezahlen oder ansparen.
Der Sozialhilfeträger bewilligte jedoch nur ein Darlehen. Mit zehn Euro monatlich sollte der Kläger das Darlehen von seinem Taschengeld zurückzahlen.
Doch der Kläger kann die Übernahme der Passbeschaffungskosten als Zuschuss verlangen, urteilte das BSG. Dies gelte für Ausländer, die „im Zeitpunkt des Bedarfsfalls in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe“ – hier das Wohnheim für psychisch kranke Menschen – leben. Die Passgebühren seien „dem weiteren notwendigen Lebensunterhalt“ zuzuordnen. „Dieser umfasst die dem Regelbedarf zuzuordnenden aktuellen Bedarfe, die ohne die stationäre Unterbringung als Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten wären und die von der Einrichtung selbst nicht erbracht werden und nicht vom Barbetrag (und der Bekleidungspauschale) zu decken sind“, entschieden die Kasseler Richter.
Die Gewährung eines Darlehens scheide hier aus. Denn anders als der Regelsatz sehe der Barbetrag für Bewohner einer stationären Einrichtung keine Ansparbeträge vor. Daher gebe es auch keine gleichheitswidrige Besserstellung gegenüber Ausländern, die nicht in einer stationären Einrichtung leben und den vollen Regelsatz erhalten.
Am 29. Mai 2019 hatte das BSG zu ausländischen Hartz-IV-Beziehern geurteilt, dass sie von der Sozialhilfe nicht die Passbeschaffungskosten verlangen können (Az.: B 8 SO 14/17 R und B 8 SO 8/17 R). Die Passbeschaffungskosten seien grundsätzlich im Regelbedarf bereits enthalten und müssten daraus bezahlt werden. Offen ließen damals die obersten Sozialrichter, ob das Jobcenter bei extrem hohen Passkosten doch noch mit einem Zuschuss einspringen muss, wenn Hilfebedürftige das Darlehen faktisch nicht zurückzahlen können.
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