Bankrecht und Kapitalmarktrecht

Banken dürfen nicht auf die Vorlage eines Erbscheins bestehen

Zuletzt bearbeitet am: 13.03.2024

Wenn Erben über Konten von verstorbenen Angehörigen verfügen wollen, dürfen Banken nach einem aktuellen BGH-Urteil nicht mehr von vornherein auf die Vorlage eines Erbscheins bestehen. Darauf macht die Arbeitsgemeinschaft für Bank- und Kapitalmarktrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) aufmerksam.

Bisher verlangten Banken von den Erben häufig einen Erbschein und verwiesen auf entsprechende Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Allerdings ist für die Betroffenen die Ausstellung eines Erbscheins nicht nur mit Zeitaufwand, sondern auch mit Kosten verbunden: Je nach Höhe des Vermögens können Gebühren von mehreren hundert Euro, in Einzelfällen sogar mehr als 1.000 Euro anfallen.

Aufgrund dieser Kostenbelastung führte ein Verbraucherschutzverband vor dem BGH einen Musterprozess gegen eine Sparkasse und erstritt ein Urteil zu Gunsten der Bankkunden. In den ABG dürfe sich eine Bank nicht pauschal das Recht vorbehalten, von den Erben die Vorlage eines Erbscheins zu verlangen, urteilten die BGH-Richter (Urteil vom 8. Oktober 2013, Aktenzeichen XI ZR 401/12).

Zwar habe eine Bank das Recht, sich die Zugriffsberechtigung des Erben zweifelsfrei nachweisen zu lassen und ihr Schadensrisiko durch unberechtigte Kontenzugriffe zu minimieren. Wenn jedoch die Hinterbliebenen eines verstorbenen Kunden statt mit einem Erbschein ihren Erbanspruch auf andere Weise dokumentierten, müsse die Bank dies akzeptieren. „Damit können Erben nun beispielsweise durch die Vorlage eines beglaubigten Testamentes oder eines notariellen Erbvertrags ihre Legitimierungspflicht erfüllen und unnötige Kosten vermeiden“, erläutert Paul H. Assies, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Bank- und Kapitalmarktrecht.

Allerdings bleibe bei komplexen oder strittigen Erbsituationen den Geldinstituten das Recht erhalten, sich durch die Vorlage eines Erbscheins abzusichern, gibt Fachanwalt Assies zu bedenken. Als Maßgabe stellt der BGH die Abwägung der Bank- und Kundeninteressen in den Mittelpunkt: Wenn im individuellen Fall das Interesse der Bank, sich bei unklaren Konstellationen gegen missbräuchliche Kontoverfügungen durch Scheinerben abzusichern, schwerer wiegt als der Wunsch der Erben nach einer kostengünstigen und unkomplizierten Abwicklung, kann auch weiterhin ein Erbschein verlangt werden. Besteht die Bank trotz klarer Erbverhältnisse auf der Vorlage eines Erbscheins, sollten betroffene Erben den Rat eines Fachanwalts für Bank- und Kapitalmarktrecht einholen.

Quelle: DAV Arbeitsgemeinschaft Bank- und Kapitalmarktrecht

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