Sozialrecht

Bedarfsgemeinschaft und ihre Bedeutung im Sozialrecht (Harz 4 / Bürgergeld) erklärt mit Beispielen

Zuletzt bearbeitet am: 16.04.2024

Die Bedarfsgemeinschaft ist ein zentraler Begriff im Sozialrecht und bezieht sich auf eine Gemeinschaft von Menschen, die zusammenleben und gemeinsam wirtschaften. Sie spielt eine entscheidende Rolle bei der Berechnung von Sozialleistungen, insbesondere im Bereich des Bürgergelds, da der Bedarf unter Einbeziehung des Einkommens und Vermögens ermittelt wird. Sie kann sich aus einer oder mehreren Personen zusammensetzen, von denen mindestens ein Mitglied erwerbsfähig und leistungsberechtigt im Sinne des SGB sein muss

Was ist eine Bedarfsgemeinschaft?

Von einer Bedarfsgemeinschaft ist auszugehen, wenn Menschen zusammenleben, gemeinsam wirtschaften und eine wechselseitige Verantwortung füreinander übernehmen. Andere Begriffe dafür können auch Lebensgemeinschaft, Einstehungsgemeinschaft, Familie sein.

Rechtlich bildet sich eine Bedarfsgemeinschaft bereits, wenn der Antragsteller den Antrag einreicht. Damit wird der Status einer unterstützten Bedarfseinheit festgelegt, ausgedrückt mittels einer zugewiesenen BG-Nummer. Die Bundesagentur für Arbeit definiert eine Bedarfsgemeinschaft so: „… ist eine eng verbundene Personengruppe, für die das Arbeitslosengeld II gemeinsam berechnet wird.

Personen in Bedarfsgemeinschaften: 

  • Nicht dauerhaft getrenntlebende Eheleute oder eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerinnen.
  • In einer Verantwortungs- und Einstehungsgemeinschaft lebende Personen (eheähnliche Gemeinschaft). 

Eine Bedarfsgemeinschaft ist relevant im Hinblick auf die Sozialleistungen wie Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitslose (Hartz 4), wobei mindestens ein Mitglied (in der Regel dar Antragsteller) erwerbsfähig und leistungsberechtigt im Sinne des SGB II sein muss. 

Das grundlegende Ziel ist darin zu sehen, die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, zu stärken und dazu beizutragen, dass sie ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können.

Auswirkungen auf den Leistungsanspruch (Harz 4 / Bürgergeld)

Das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft kann erheblichen Einfluss auf den Leistungsanspruch im Rahmen der Sozialhilfe nehmen, da dieser nach dem Einkommen und Vermögen aller Mitglieder bemessen wird. Eine Reduzierung oder gar Verweigerung von Sozialleistungen kann die Folge sein, falls die gesetzlichen Einkommensgrenzwerte überstiegen werden. Zusätzlich kann der Partner eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ebenfalls Mitglied der Bedarfsgemeinschaft werden, was den Leistungsanspruch (Hartz 4, Bürgergeld) weiter beeinflusst. Bei Fragen zu individuellen Fällen können Sie sich an einen Fachanwalt wenden, der sich auf Fragen zur Sozialhilfe spezialisiert.

Fachanwalt.de-Tipp: Falls die Behörde das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft vermutet, führt dies zu einer Beweislastumkehr, d. h. die Antragsteller müssen das Gegenteil beweisen (kein Vorliegen einer Einstehungsgemeinschaft). Dabei ist zu beachten, dass ein Zusammenleben in Form einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehen muss. Das bloße „zusammen Wohnen“ ist nicht ausreichend für die Begründung einer Bedarfsgemeinschaft. 

Mitglieder: Beispiele

Nach § 7 Abs. 3 SGB II kann eine Mitgliedschaft in einer Bedarfsgemeinschaft zusätzlich zum erwerbsfähigen Leistungsberechtigten bestehen für:

  1. Eltern oder Elternteile des erwerbsfähigen und unverheirateten Kindes, sofern sein Lebensalter unter 25 Jahren liegt. Der Anspruch erstreckt sich auch auf den im Haushalt lebenden Partner des Elternteils. 
  2. Nicht dauernd getrennte Ehegatten oder Lebenspartner
  3. Personen, die mit dem erwerbsfähigen Antragsteller im gemeinsamen Haushalt leben und es vermutet werden kann, dass es der wechselseitige Wille ist, dass sie füreinander Sorge tragen (eheähnliche Gemeinschaft, Verantwortungs- oder Einstehungsgemeinschaft).  
  4. Die unverheirateten Kinder der in den Punkten 1 bis 3 aufgezählten Personen und des erwerbsfähigen Anspruchsstellers, sofern sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können und unter 25 Jahre alt sind. 

In aller Regel wird davon ausgegangen, dass jedes Mitglied seinen Beitrag zur Deckung des Gesamtbedarfs leistet (Einstandspflicht). 

Vertreter der Bedarfsgemeinschaft (vermutet Bevollmächtigter)

Gegenüber dem Jobcenter muss ein Vertreter der Bedarfsgemeinschaft genannt werden. Dieser hat das Recht, Leistungen zu beantragen und diese auch entgegenzunehmen. An ihn werden die Bewilligungsbescheide und der sonstige Schriftverkehr übermittelt. 

Fachanwalt.de-Tipp: Einer Bedarfsgemeinschaft wird vom Jobcenter eine eindeutige Identifikationsnummer zugewiesen. Sie dient zur Identifizierung und Zuordnung aller relevanten Informationen. Alle kommunikativen Vorgänge werden unter der BG-Nummer zusammengefasst und diese ist daher auf allen Schriftstücken (elektronisch oder analog) anzugeben. Sie gilt für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, unabhängig von einer allfälligen eigenen Kundennummer beim Jobcenter. 

Formen

Vom Grundsatz kommen fünf Formen von Bedarfsgemeinschaften zur Anwendung: 

  • Single-Bedarfsgemeinschaft
  • Alleinerziehende Bedarfsgemeinschaften
  • Paar-Bedarfsgemeinschaften ohne Kinder
  • Paar-Bedarfsgemeinschaften mit Kindern
  • Sonstige Gemeinschaften

Sonderform temporäre Bedarfsgemeinschaft

Damit liegt ein Sonderfall vor, der vom Bundessozialgericht für spezifische Situationen definiert wurde. Sie entsteht beispielsweise, wenn getrenntlebende Eltern abwechselnd das Umgangsrecht an ihren Kindern ausüben

Normalerweise hätte nur der Elternteil, bei dem sich die Kinder gewöhnlich aufhalten, Anspruch auf Sozialleistungen für die Kinder. Ohne die Regelung der temporären Bedarfsgemeinschaft hätte der andere Elternteil keinen Anspruch auf zusätzliche Leistungen. Dies könnte die Ausübung des Umgangsrechts finanziell erschweren. Aus diesem Grund wird für jeden Tag, den das Kind beim anderen Elternteil verbringt - auf Antrag - 1/30 des Regelsatzes zugesprochen.

Gemischte Bedarfsgemeinschaft

Dieser weitere spezielle Fall kommt zum Tragen, wenn eine Person innerhalb der Bedarfsgemeinschaft von den Leistungen nach dem SGB II (Sozialgesetzbuch II, Hartz IV) ausgeschlossen ist, zum Beispiel weil sie eine Altersrente bezieht.

Temporäre Bedarfsgemeinschaft auf Probe

Ziehen Paare zusammen, geht der Gesetzgeber davon aus, dass ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu übernehmen besteht und vermutet damit das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft.

Allerdings kann dieser Umstand zunächst als "Bedarfsgemeinschaft auf Probe" gelten. Die beiden Partner haben ein Jahr Zeit herauszufinden, ob das Zusammenleben funktioniert und eine längerfristige Partnerschaft im Bereich des Möglichen liegt. Ist das Probejahr in diesem Sinne erfolgreich verlaufen, dann gilt damit die Bedarfsgemeinschaft als begründet. Einkommen und Vermögen beider Partner werden für die Berechnung der Sozialleistungen herangezogen. 

Dabei ist zu beachten, dass eine temporäre Bedarfsgemeinschaft auf Probe nicht möglich ist, wenn ein gemeinsames Kind in der Gemeinschaft lebt, Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgt werden oder eine Befugnis vorliegt, über das Vermögen des anderen Partners zu verfügen.

Umzug / Auszug

Nach dem Auszug einer Person aus der Bedarfsgemeinschaft wird vom Jobcenter der Bedarf neu berechnet (Basis: Einkommen und Vermögen der verbleibenden Mitglieder). Sollte die ausziehende Person der Vertreter der Bedarfsgemeinschaft sein, muss ein Ersatz bestimmt werden. Es kann auch sein, dass eine Bedarfsgemeinschaft durch Auszug vollständig aufgelöst wird. 

Ausnahmen

Grundsätzlich bilden Personen, die zusammenleben und gemeinsam wirtschaften, eine Bedarfsgemeinschaft, die vor allem in Bezug auf das Bürgergeld relevant ist. Ausnahmen von dieser Definition der Bedarfsgemeinschaft sind: 

  • Wohngemeinschaften, in der die so lebenden Personen zwar zusammenwohnen, jedoch in der Regel nicht gemeinsam wirtschaften;
  • Kinder, die älter als 25 Jahre sind, sind aus der Bedarfsgemeinschaft ausgeschlossen, auch wenn sie im selben Haushalt leben;
  • Personen, die nicht erwerbsfähig oder leistungsberechtigt im Sinne des SGB II sind, können ebenfalls keine Bedarfsgemeinschaft bilden; 
  • Kinder bis 25 Jahre, wenn diese bspw. verheiratet sind und / oder eigene Kinder zu versorgen haben;
  • Enkel und Großeltern;
  • Nichten und Neffen; 
  • Pflegeeltern und Pflegekinder;
  • Geschwister (die ohne Eltern zusammenleben); 
  • Verschwägerte oder sonstige Verwandte.

Fachanwalt.de-Tipp: Die spezifischen Bedingungen, die zur Bildung einer Bedarfsgemeinschaft führen, sind im SGB II festgelegt. Für „normale“ Bürger ist es oft schwierig, die Zusammenhänge zu erkennen und die folgerichtigen Entscheidungen zu treffen. In diesen Fällen ist es ratsam, einen Fachanwalt für Sozialrecht zu konsultieren, der durch Beratung helfend zur Seite steht. 

Einkommensgrenzen bei Bedarfsgemeinschaft

Diese Grenzen sind gesetzlich nicht festgelegt. Vielmehr werden Einkommen und Vermögen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft bei der Berechnung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II), wie zum Beispiel dem Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, berücksichtigt.

Damit orientiert sich die Einkommensgrenze indirekt durch die Höhe der zustehenden Leistungen nach dem SGB II, die sich nach dem Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und den hierfür geltenden Regelsätzen richtet. Überschreitet das Einkommen und Vermögen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft diesen Bedarf, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

Die Berechnung erfolgt durch Anrechnung der monatlichen Einnahmen auf die Hartz 4 Leistungen und können diese ggf. mildern. Das Arbeitslosengeld wird für die gesamte Bedarfsgemeinschaft festgesetzt. Aktuell geltende Regelsätze sind der untenstehenden Tabelle zu entnehmen: 

Leistungsberechtigte Hartz 4 Regelsatz 2022 Bürgergeld-Regelsatz 2023
Alleinstehende € 449,-- € 502,--
Bedarfsgemeinschaft € 404,-- € 451,--
Volljährige von 18 bis 24 Jahren im Haushalt der Eltern oder Einrichtungen € 360,-- € 402,--
Jugendliche von 14 bis 17 Jahren € 376,-- € 420,--
Kinder von 6 bis 13 Jahren € 311,-- € 348,--
Kinder von 0 bis 5 Jahren € 285,-- € 318,--

 

Quellen

Symbolgrafik: © martintu - stock.adobe.com

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