Hannover (jur). Fluggäste können sich bei einer Verspätung des Fliegers nicht auf Kosten der Fluggesellschaft mit alkoholhaltigen Getränken „erfrischen“. Im Falle einer Annullierung oder großen Verspätung können Reisende zwar „Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit“ von dem Luftfahrtunternehmen erwarten, nicht aber alkoholhaltige Getränke wie „Aperol Spritz“, entschied das Amtsgericht Hannover in einem am Freitag, 14. April 2023 bekanntgegebenen Urteil vom Vortag (Az.: 513 C 8538/22).
Die Kläger hatten einen Hinflug von Hannover über London nach Miami und einen Rückflug von Miami über New York und London nach Hannover gebucht. Bereits mit dem Hinflug erreichten die Kläger ihr Ziel erst mit einer über dreistündigen Verspätung. Der Rückflug wurde sogar annulliert. Die Reisenden wurden dann ersatzweise über Madrid nach Hamburg befördert, von wo aus sie weiter mit der Bahn nach Hannover fuhren. Sie trafen dort mit einer Verspätung von viereinhalb Stunden ein.
EU-Recht sieht bei Verspätungen von mehr als drei Stunden eine Ausgleichszahlung für den Reisenden vor. Abhängig von der Entfernung des Endziels bemisst sich diese zwischen 250 bis 600 Euro pro Person. Geht die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurück, wie etwa Naturkatastrophen, besteht kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.
Im Streitfall hatten die Kläger wegen der Flugverspätung und -annullierung neben Ausgleichs-, Entschädigungs- und Schadenersatzansprüchen auch die Erstattung der Verpflegungskosten bei den Zwischenaufenthalten in Madrid und London geltend gemacht, konkret 20,80 Euro und 88,00 Euro.
Die Fluggesellschaft wollte jedoch nicht alles bezahlen. So monierte das Unternehmen, dass die Kläger während ihres Aufenthaltes in London sich zwei „Aperol-Spritzer“ zum Preis von 15 britischen Pfund (17,67 Euro) gegönnt haben. Alkoholische Getränke müssten aber nicht erstattet werden.
Das Amtsgericht urteilte, dass nach der geltenden EU-Fluggastrechteverordnung Luftfahrtunternehmen bei großen Verspätungen oder Flug-Annullierungen „Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis“ anbieten müssen. Unterlassen sie dies, können Reisende sich auf Kosten des Unternehmens selbst die Verpflegung besorgen.
Allerdings gehörten zu „Erfrischungen“ nicht alkoholhaltige Getränke wie Aperol Spritz. Denn deren Wirkung dürfte im Regelfall den gegenteiligen Effekt haben. Bier könne dagegen als „Erfrischung“ gelten, vorausgesetzt es sei alkoholfrei.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock