Sozialrecht

Bei nicht erforderlicher Krankenbehandlung gilt „Vertrauenshaftung“

Zuletzt bearbeitet am: 15.02.2023

Karlsruhe. Wenn eine private Krankenversicherung die Kosten für eine Behandlung bisher immer vorbehaltlos übernommen hat, kann sie zur Übernahme der Kosten ausnahmsweise erneut verpflichtet sein, wenn sich die Behandlung als medizinisch nicht erforderlich erweist. Das hat das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 2. Februar 2023 (Az.: 12 U 194/22) entschieden. Eine derartige „Vertrauenshaftung“ endet nach dem Urteil jedoch dann, wenn vom Krankenversicherer eine Prüfung angekündigt oder sogar die Übernahme zukünftiger Kosten abgelehnt werden.

Bei der Klägerin lagen verschiedene orthopädische Beschwerden sowie Sehprobleme vor. Von ihrem Arzt wurde dies ab Mitte 2013 mit hyperbarer Ozontherapie und einer Photonentherapie behandelt. Diese gerätebasierten Behandlungen zielen unter anderem darauf ab, chronischen Entzündungen entgegenzuwirken und die Selbstheilung und Zellregeneration zu unterstützen. Zunächst hatte der private Krankenversicherer die Kosten hierfür getragen.

Die Krankenversicherung äußerte erst im März 2015Zweifel an der Therapie. Für eine Prüfung forderte sie Befund- und Behandlungsberichte an. Die Klägerin hatte im ersten Quartal 2015 da bereits 4.235 Euro für ihre Behandlung ausgegeben. Sie setzte ihre Behandlung bis Juli 2015 fort, wofür sie weitere rund 5.300 € bezahlte.

Allerdings erstattete die Krankenversicherung ihr nur einen Bruchteil der eingereichten Gesamtsumme von 9.543 Euro, da die Behandlung medizinisch nicht notwendig gewesen sei.

Das haben mehrere Sachverständige vor dem Landgericht Karlsruhe bestätigt. Die private Krankenversicherung müsse daher laut ihren Versicherungsbedingungen die Behandlungskosten nicht bezahlen.

Der Versicherer muss trotzdem 4.235 Euro zahlen. Nach dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe hat nun ebenso das Oberlandesgericht entschieden. Bei der Klägerin bestehe ein "Anspruch aus Vertrauenshaftung". Die Versicherung habe die Behandlungskosten zunächst eineinhalb Jahre vorbehaltlos übernommen. Die Klägerin habe deshalb bis zur Ankündigung der Prüfung im März 2015 davon ausgehen dürfen, dass dies auch in Zukunft so bleiben würde.

Nach dem Urteil aus Karlsruhe ist dies in derartigen Fällen jedoch kein Automatismus. Die Kostentragungspflicht sei davon abhängig, wie stark sich der Versicherte darauf verlassen habe und wie finanziell er davon auch abhängig war. Ein gleichbleibendes Krankheitsbild spreche zudem eher für Vertrauenshaftung.

Das OLG Karlsruhe hatte eine Revision nicht zugelassen.

Quelle: © Fachanwalt.de

Symbolgrafik: © M.Schuppich - stock.adobe.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Sozialrecht Fristen sind auch für das Jobcenter Fristen

Karlsruhe (jur). Nicht nur Arbeitslose, sondern umgekehrt auch die Jobcenter müssen sich an Fristen halten. Tun sie das nicht, ist eine Untätigkeitsklage „grundsätzlich nicht treuwidrig“, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Mittwoch, 15. März 2023, veröffentlichten Beschluss entschied (Az.: 1 BvR 311/22).  Die Klägerin aus Südhessen und ihre zwei Kinder bezogen Grundsicherungsleistungen, hier noch das Anfang 2023 vom Bürgergeld abgelöste Hartz IV. In einem Leistungsbescheid vom Oktober 2020 hatte das Jobcenter viel zu hohe Einkünfte angerechnet – 1.400 statt 907 Euro.  Mithilfe eines Anwalts legte die Frau erfolgreich ... weiter lesen

Sozialrecht Ohne notwendige Unterstützung kein „sozialwidriges Verhalten“

Celle (jur). Wenn ein Jobcenter einem Arbeitslosen keine Hilfen für den Umzug in eine andere Stadt gibt, darf es sich nicht wundern, wenn er eine neue Stelle dort nicht antritt. „Sozialwidriges Verhalten“ liegt nicht vor, wenn das Jobcenter den Betroffenen ‚allein lässt‘ und nicht die nötige Hilfe leistet“, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem am Montag, 13. März 2023, veröffentlichten Urteil (Az.: L 11 AS 336/21).  Der heute 60-jährige Kläger aus Osnabrück ist ausgebildeter Industriekaufmann und einem Schwerbehinderten gleichgestellt. Bis 2003 hatte er als Buchhalter gearbeitet. Danach fand er nur noch ... weiter lesen

Sozialrecht BSG erleichtert Gehbehinderten Zugang zu Behindertenparkplätzen

Kassel (jur). Gehbehinderte Menschen haben künftig leichteren Zugang zu Behindertenparkplätzen. Sie müssen sich nicht darauf verweisen lassen, dass sie auf glatten Oberflächen oder in vertrauter Umgebung noch weitere Strecken bewältigen können, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in zwei am Freitag, 10. März 2023, bekanntgegebenen Urteilen vom Vortag (Az.: B 9 SB 1/22 R und B 9 SB 8/21 R).  Im ersten Fall leidet der Kläger aus Sachsen an Muskelschwund. Er kann daher nur unter ebenen und möglichst glatten „Idealbedingungen“ längere Strecken gehen, etwa auf einem Krankenhausflur; Bordsteine oder unebene Wege bereiten dagegen Probleme. Der zweite ... weiter lesen

Sozialrecht Kein höheres Elterngeld für arbeitslose schwangere Frauen

Kassel (jur). Eine Schwangerschaft während der Arbeitslosigkeit und eine damit einhergehende berufliche Einschränkung begründet kein höheres Elterngeld. Betroffene Frauen können nicht verlangen, dass die Zeiten der Arbeitslosigkeit während ihrer Schwangerschaft bei der Berechnung des Elterngeldes ausgeklammert werden, urteilte am Donnerstag, 9. März 2023, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 10 EG 1/22 R).  Nach den gesetzlichen Bestimmungen werden für die Bemessung des Elterngeldes regelmäßig die Erwerbseinkünfte der letzten zwölf Monate vor der Geburt des Kindes herangezogen. Maßgeblich sind die Einkünfte aus abhängiger und selbstständiger ... weiter lesen

Ihre Spezialisten