Arbeitsrecht

Berufsunfähigkeit im Arbeitsrecht: Was Sie unbedingt wissen müssen!

19.09.2023
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Zuletzt bearbeitet am: 27.09.2023

Berufsunfähigkeit – ein Begriff, der für viele erst einmal schwer greifbar erscheint, aber dennoch von enormer Relevanz ist. Einfach ausgedrückt bedeutet Berufsunfähigkeit, dass jemand aufgrund von Krankheit, Unfall oder anderen körperlichen bzw. geistigen Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, seinen bisherigen Beruf oder eine vergleichbare Tätigkeit auszuführen. Dies kann dauerhaft oder für einen längeren, festgelegten Zeitraum der Fall sein.

Jeder von uns kann in eine Situation kommen, in der man seinen Beruf nicht mehr wie gewohnt ausüben kann. Sei es durch einen unvorhergesehenen Unfall, eine plötzliche Erkrankung oder andere Lebensumstände. In solchen Momenten ist es von unschätzbarem Wert, über seine Rechte und Möglichkeiten im Arbeitsrecht informiert zu sein. Denn es gilt nicht nur Einkommen und finanzielle Zukunft abzusichern, sondern auch Gesundungsprozess und Lebensstandard.

Grundlagen der Berufsunfähigkeit

Berufsunfähigkeit beschreibt eine Situation, in der aufgrund von körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen der zuletzt ausgeübte Beruf nicht mehr zu mindestens 50 % verrichtet werden kann. Dies kann durch verschiedene Ursachen hervorgerufen werden, beispielsweise durch Unfälle, chronische oder psychische Erkrankungen. Dabei geht es nicht nur um die Verringerung der Arbeitszeit, sondern auch um die Unfähigkeit, bestimmte zentrale Tätigkeiten des Berufes auszuführen.

Unterschied zwischen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit

Während Berufsunfähigkeit sich speziell auf den zuletzt ausgeübten Beruf bezieht, ist die Erwerbsunfähigkeit allgemeiner. Eine Person gilt als erwerbsunfähig, wenn aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen keinerlei Tätigkeit mehr ausgeübt werden kann, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verfügbar ist. Das bedeutet, selbst wenn der vorherige Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann, aber eine andere Tätigkeit theoretisch möglich wäre, liegt keine Erwerbsunfähigkeit vor.

Erste Schritte bei der Feststellung einer Berufsunfähigkeit

Liegt der Verdacht einer Berufsunfähigkeit vor, empfiehlt es sich, umgehend einen Arzt aufzusuchen. Die Diagnose gibt dann Aufschluss über den Grad der Berufsunfähigkeit. Wer davon ausgeht, dass die gesetzliche Unfallversicherung an dieser Stelle einspringt, täuscht sich gewaltig. Diese leistet nur in Fällen von speziellen Berufskrankheiten. Da die Krankheitsbilder im Falle einer Berufsunfähigkeit so individuell sind, wie die Betroffenen selbst, sind der Großteil aller vorkommenden Erkranken in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht mitversichert. Parallel dazu sollte daher immer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen werden, die dann direkt mit entsprechender Diagnose kontaktiert werden kann. Wie hier erklärt wird, schützen die Leistungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung vor existenziellen Bedrohungen und bieten damit die sichere Grundlage für eine Genesung ohne finanzielle Sorgen. 

Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern

Der Arbeitsvertrag legt die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers in einem Beschäftigungsverhältnis fest. Bezüglich einer Berufsunfähigkeit können spezielle Regelungen oder Klauseln enthalten sein, die die Fortführung des Arbeitsverhältnisses, Umschulungsmaßnahmen oder auch Kündigungsmodalitäten im Fall von längerer Arbeitsunfähigkeit beschreiben. Es ist jedoch nicht immer der Fall, dass der Arbeitsvertrag konkrete Angaben zur Berufsunfähigkeit enthält. Daher ist es hilfreich, den Vertrag sorgfältig zu überprüfen und sich bei Unsicherheiten rechtlichen Rat einzuholen.

Was sind die rechtlichen Rahmenbedingungen? 

Das Arbeitsrecht schützt Arbeitnehmer vor willkürlichen Kündigungen aufgrund von Krankheit oder Berufsunfähigkeit. In der Regel muss ein Arbeitgeber vor einer Kündigung alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen, sei es durch Umgestaltung des Arbeitsplatzes, Umschulung oder den Einsatz in einem anderen Bereich des Unternehmens. Nur wenn nachweislich keine anderen Optionen zur Weiterbeschäftigung bestehen, kann eine Kündigung aufgrund von Berufsunfähigkeit in Betracht gezogen werden. 

Welche Unterstützung können Arbeitnehmer erwarten? 

Im Fall einer Berufsunfähigkeit können Arbeitnehmer verschiedene Formen der Unterstützung erwarten. Dies kann sowohl von staatlicher Seite, etwa durch Berufsunfähigkeitsrenten oder Rehabilitationsmaßnahmen, als auch von betrieblicher Seite durch betriebliche Gesundheitsförderung, Umschulungsprogramme oder Weiterbildungsangebote kommen. Oftmals bieten auch Gewerkschaften und Berufsverbände Beratung und Unterstützung an. Es empfiehlt sich, alle verfügbaren Ressourcen zu nutzen, um die besten Möglichkeiten zur Fortsetzung der beruflichen Laufbahn oder zur finanziellen Absicherung zu finden.

Die Rolle des Arbeitgebers

Im Fall der Berufsunfähigkeit eines Mitarbeiters hat der Arbeitgeber bestimmte Pflichten. Er muss zunächst die Situation angemessen beurteilen und sich einen Überblick über den Zustand des Arbeitnehmers verschaffen. Dabei sind Gespräche mit dem betroffenen Mitarbeiter und, falls erforderlich, medizinische Gutachten hilfreich. Der Arbeitgeber ist zudem verpflichtet, Alternativen zur Weiterbeschäftigung zu prüfen. Dies kann bedeuten, den Arbeitsplatz so umzugestalten, dass der Mitarbeiter trotz seiner Einschränkungen weiterarbeiten kann, oder ihn in einem anderen Bereich des Unternehmens einzusetzen, der seinen Fähigkeiten entspricht.

Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund von Berufsunfähigkeit ist nicht einfach und erfordert bestimmte Voraussetzungen. In vielen Rechtsordnungen muss der Arbeitgeber vor einer solchen Kündigung alle möglichen Maßnahmen zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ausgeschöpft haben. Wenn klar nachgewiesen wird, dass der Mitarbeiter nicht mehr in der Lage ist, seine Tätigkeit in irgendeiner Form fortzusetzen, und keine andere geeignete Position im Unternehmen verfügbar ist, kann eine Kündigung in Erwägung gezogen werden. Es ist jedoch wichtig, die genauen rechtlichen Rahmenbedingungen und Kündigungsschutzgesetze zu berücksichtigen.

Möglichkeiten der Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder Umschulung

Der Arbeitgeber hat oft verschiedene Möglichkeiten, auf die Berufsunfähigkeit eines Mitarbeiters zu reagieren. Eine dieser Möglichkeiten ist die Anpassung des Arbeitsplatzes. Dies kann beinhalten, die physische Umgebung zu ändern, technische Hilfsmittel bereitzustellen oder die Arbeitszeiten anzupassen. Wenn solche Anpassungen nicht ausreichen oder nicht möglich sind, kann der Arbeitgeber den Mitarbeiter für eine andere Position im Unternehmen umschulen. Umschulungsprogramme können sowohl intern als auch extern durchgeführt werden und zielen darauf ab, dem Mitarbeiter neue Fähigkeiten und Qualifikationen zu vermitteln, die es ihm ermöglichen, trotz seiner Einschränkungen weiterhin wertvoll für das Unternehmen zu sein.

Nachweis und Dokumentation der Berufsunfähigkeit

Um die Berufsunfähigkeit nachzuweisen, sind in der Regel ärztliche Atteste oder Gutachten notwendig. Hierbei muss in der Regel ein Facharzt die Art, den Grad und die voraussichtliche Dauer der Berufsunfähigkeit feststellen. In manchen Fällen, insbesondere wenn die Berufsunfähigkeitsversicherung involviert ist, kann ein zusätzliches Gutachten eines unabhängigen Mediziners oder eines Gutachters der Versicherungsgesellschaft erforderlich sein.

Der Antrag auf Feststellung der Berufsunfähigkeit sollte beim zuständigen Versicherungsträger (z. B. Berufsunfähigkeitsversicherung, Rentenversicherung, gesetzliche Unfallversicherung) eingereicht werden. Dazu gibt es spezielle Antragsformulare, die ausgefüllt und zusammen mit den notwendigen ärztlichen Attesten und Gutachten eingereicht werden müssen. Bei Unsicherheiten oder Fragen zur Antragstellung empfiehlt es sich, die Beratungsangebote der jeweiligen Institutionen in Anspruch zu nehmen oder sich durch einen Rechtsanwalt oder Berater unterstützen zu lassen.

Berufsunfähigkeitsrente und Arbeitsrecht

Der Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente setzt voraus, dass die Person ihren zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr zu mindestens 50 % ausüben kann. Des Weiteren können Kriterien wie eine Mindestversicherungszeit oder das Alter der versicherten Person relevant sein. Es ist wichtig, sich über die genauen Voraussetzungen bei dem jeweiligen Versicherungsträger zu informieren.

Höhe und Dauer der Zahlungen

Die Höhe der Berufsunfähigkeitsrente richtet sich nach verschiedenen Faktoren, darunter der vorherige Verdienst, die Dauer der Einzahlung in die Versicherung und eventuell vereinbarte Vertragskonditionen. Die Dauer der Zahlungen ist in der Regel bis zum Erreichen des Rentenalters vorgesehen, kann jedoch je nach Vertragsbedingungen und individuellen Umständen variieren.

Besonderheiten und Fallstricke

Es ist wichtig zu beachten, dass bei der Beantragung der Berufsunfähigkeitsrente bestimmte Fristen eingehalten werden müssen. Des Weiteren sollte auf die korrekte und vollständige Angabe von Informationen geachtet werden, da falsche oder unvollständige Angaben den Anspruch gefährden können. Zudem können manche Verträge Ausschlusskriterien oder Wartefristen beinhalten. Es empfiehlt sich daher, vorab die Vertragsbedingungen sorgfältig zu prüfen und sich bei Unklarheiten rechtlich beraten zu lassen.

Rehabilitation und Wiedereinstieg

Es gibt verschiedene Rehabilitationszentren oder -einrichtungen, die auf die physische und psychische Genesung ausgerichtet sind. Ebenfalls gibt es oft Beratungsstellen oder Organisationen, die bei der beruflichen Reintegration helfen. Der erfolgreiche Wiedereinstieg nach einer Berufsunfähigkeit erfordert oft eine Kombination aus Geduld, Selbstbewusstsein und Flexibilität. Weiterbildungen oder Umschulungen können sinnvoll sein. Eine offene Kommunikation mit dem Arbeitgeber über die eigenen Fähigkeiten und Limitierungen ist aber ebenso wichtig.

 

Autor: Fachanwalt.de-Redaktion

Symbolgrafik:© marcus_hofmann - stock.adobe.com

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