Verwaltungsrecht

Besteht eine Teilnahmepflicht für Schüler an Schulfesten und Klassenfahrten?

01.04.2019
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Zuletzt bearbeitet am: 19.01.2024

Wenn Klassenfahrten oder Schulfeste stattfinden, ist das für einige Schüler kein Grund zur Freude. Müssen sie trotzdem daran teilnehmen? Damit mussten sich schon mehrfach Gerichte beschäftigen.

 

Besteht überhaupt eine Teilnahmepflicht aufgrund der Schulpflicht?

Inwieweit Schüler an Veranstaltungen außerhalb des eigentlichen Unterrichtes an Veranstaltungen wie Klassenfahren und Schulfesten teilnehmen müssen, ergibt sich aus den schulrechtlichen Regelungen des jeweiligen Bundeslandes. Hierzu gehören insbesondere die einschlägigen Schulgesetze. Diese lauten wie folgt:

Bundesland

Rechtsgrundlage

Wortlaut der Vorschrift

Baden-Württemberg

§ 72 Abs. 3 Satz 1 Schulgesetz für Baden-Württemberg (SchG)

Die Schulpflicht erstreckt sich auf den regelmäßigen Besuch des Unterrichts und der übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule sowie auf die Einhaltung der Schulordnung.

Bayern

Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG

Alle Schülerinnen und Schüler haben sich so zu verhalten, dass die Aufgabe der Schule erfüllt und das Bildungsziel erreicht werden kann. Sie dürfen insbesondere in der Schule und bei Schulveranstaltungen ihr Gesicht nicht verhüllen, es sei denn, schulbedingte Gründe erfordern dies; zur Vermeidung einer unbilligen Härte können die Schulleiterin oder der Schulleiter Ausnahmen zulassen. Darüber hinaus haben sie insbesondere die Pflicht, am Unterricht regelmäßig teilzunehmen und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen zu besuchen.

Berlin

§ 46 Abs. 2 Satz 1 Berliner Schulgesetz

Die Schülerinnen und Schüler sind verpflichtet, regelmäßig am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen aktiv teilzunehmen, die erforderlichen Arbeiten anzufertigen und die Hausaufgaben zu erledigen.

Brandenburg

§ 44 Abs. 3 Satz 1 BbgSchulG

Die Schülerinnen und Schüler sind insbesondere verpflichtet, regelmäßig am Unterricht und an sonstigen für verbindlich erklärten Schulveranstaltungen teilzunehmen sowie die für verbindlich erklärten Arbeiten und die Hausaufgaben anzufertigen.

Bremen

§ 55 Abs. 8 Satz 1 BremSchulG

Die Schulpflicht erstreckt sich auf die regelmäßige Teilnahme am Unterricht sowie auf die Teilnahme an Schulfahrten und an den übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule.

Hamburg

§ 28 Abs. 2 HmbSG

Die Schülerinnen und Schüler sind verpflichtet, regelmäßig am Unterricht und an den pflichtmäßigen Schulveranstaltungen teilzunehmen und die erforderlichen Arbeiten anzufertigen.

Hessen

§ 69 Abs. 4 Satz 1 HSchG

Die Schülerinnen und Schüler sind insbesondere verpflichtet, regelmäßig am Unterricht und den pflichtmäßigen Schulveranstaltungen sowie an den gewählten Ganztagsangeboten teilzunehmen, die erforderlichen Arbeiten anzufertigen und die Hausaufgaben zu erledigen.

Mecklenburg-Vorpommern

§ 53 Abs. 2 Satz 1 SchulG M-V

Die Schülerinnen und Schüler sind verpflichtet, regelmäßig am Unterricht und an den pflichtmäßigen Schulveranstaltungen teilzunehmen, die erforderlichen Arbeiten anzufertigen und die Hausaufgaben zu erledigen.

Niedersachsen

§ 71 Abs. 1 Satz 1 NSchG

Die Erziehungsberechtigten haben dafür zu sorgen, dass die Schülerinnen und Schüler am Unterricht und an den sonstigen Veranstaltungen der Schule einschließlich der besonderen schulischen Sprachfördermaßnahmen nach § 64 Abs. 3 regelmäßig teilnehmen und die ihnen obliegenden Pflichten erfüllen; sie haben sie dafür zweckentsprechend auszustatten.

Nordrhein-Westfalen

§ 43 Abs. 1 Satz 1 SchulG

Schülerinnen und Schüler sind verpflichtet, regelmäßig am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen teilzunehmen.

Rheinland-Pfalz

§ 64 Abs. 1 Satz 1 SchulG

Die Schülerinnen und Schüler haben regelmäßig am Unterricht und an sonstigen für verbindlich erklärten Schulveranstaltungen teilzunehmen, eigene Leistungen und die erforderlichen Leistungsnachweise zu erbringen.

Saarland

§ 30 Abs. 4  SchoG)

Jede Schülerin und jeder Schüler ist verpflichtet, am verbindlichen Unterricht und an den übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilzunehmen, im Unterricht mitzuarbeiten, die ihr oder ihm im Rahmen der schulischen Ausbildung gestellten Aufgaben auszuführen und die Regeln des Zusammenlebens in der Schule einzuhalten.

Sachsen

§ 26 Abs. 2 Satz 1 Sächsisches Schulgesetz

Die Schulpflicht erstreckt sich auf den regelmäßigen Besuch des Unterrichts und der übrigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule einschließlich der Teilnahme an Evaluationsverfahren und Untersuchungen zu Schülerleistungen im Sinne des § 3a Absatz 5.

Sachsen-Anhalt

§ 43 Abs. 1 Satz 4 SchulG LSA

Erziehungsberechtigte und diejenigen, denen die Erziehung schulpflichtiger Schülerinnen und Schüler anvertraut ist, haben dafür zu sorgen, dass die Schülerinnen und Schüler am Unterricht sowie den sonstigen Veranstaltungen der Schule teilnehmen und ihre Pflichten als Schülerinnen und Schüler erfüllen; sie haben die Schülerinnen und Schüler dafür zweckentsprechend auszustatten.

Schleswig-Holstein

§ 11 Abs. 2 Satz 1 SchulG

Aufgrund des Schulverhältnisses sind die Schülerin und der Schüler berechtigt und verpflichtet, am Unterricht teilzunehmen, vorgesehene Prüfungen abzulegen und andere für verbindlich erklärte Schulveranstaltungen zu besuchen.

Thüringen

§ 23 Abs. 1 ThürSchulG

Die Schulpflichtigen haben am Unterricht regelmäßig teilzunehmen und die übrigen als verbindlich erklärten schulischen Veranstaltungen zu besuchen.

 

Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass für Schüler eine Teilnahmepflicht nicht nur am Unterricht besteht. Vielmehr müssen sie auch an weiteren Veranstaltungen teilnehmen, die für sie verbindlichen Charakter haben. Welche das im Einzelnen sind, hat der Gesetzgeber bis auf Bremen nicht näher definiert. Lediglich in Bremischen Schulgesetz steht ausdrücklich drin, dass auch Schulfahrten von der Schulpflicht umfasst sind.

Zu dieser Frage gibt es nur wenige Gerichtsentscheidungen. Beispielsweise hat das Verwaltungsgericht Minden im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes klargestellt, dass es sich bei einer Klassenfahrt um eine verbindliche Schulveranstaltung handelt (VG Minden, Beschluss vom 06.06.2003 – 2 L 537/03). Das Oberverwaltungsgericht Bremen vertritt dieselbe Rechtsauffassung unter Verweis auf den Wortlaut der Vorschrift von § 55 Abs. 8 Satz 1 BremSchulG (Urteil vom 19.11.2013 – 1 A 275/10). Das Verwaltungsgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 24.05.2017 – 2 E 5613/17 festgestellt, dass Schüler auch an Exkursionen und Klassenfahren teilnehmen müssen, welche von der Schule organisiert und durchgeführt werden, wenn sie zu dem Teilnehmerkreis gehören. Denn sie sind als pflichtgemäße Schulveranstaltung im Sinne von§ 28 Abs. 2 HmbSG anzusehen.

Aufgrund der ähnlichen Formulierungen spricht vieles dafür, dass sich auch in den übrigen Bundesländern die Schulpflicht normalerweise auf Klassenfahrten erstreckt. Ebenso sieht mit hoher Wahrscheinlichkeit die rechtliche Situation bei Schulfesten aus.

 

Befreiung/Beurlaubung von der Teilnahmepflicht?

Unter Umständen können Schüler jedoch von der Teilnahme an solchen Schulveranstaltungen befreien beziehungsweise beurlauben lassen. Unter welchen Voraussetzungen das geht, dazu gibt es in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Regelungen, die ähnlich sind.

Beispielsweise können Schüler in Nordrhein-Westfalen gem. § 11 Abs. 1 ASchO nur in besonderen Ausnahmefällen und in der Regel zeitlich begrenzt von der Teilnahme an einzelnen Schulveranstaltungen befreit werden. Der Antrag muss normalerweise beim Schulleiter gestellt werden. In Bremen ist eine Befreiung gem. § 57 Abs. 2 Satz 1 BremSchulG ebenfalls nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig. In Hamburg kann die Schule gem. § 28 Abs. 3 Satz 1 HmbSG von der Teilnahme an einzelnen Unterrichtsveranstaltungen befreien, wenn es dafür einen wichtigen Grund gibt.

Aus dem Wortlaut dieser Vorschriften sowie auch aus den Entscheidungen ergibt sich, dass Eltern hierfür triftige Gründe anführen müssen. Reine Befürchtungen reichen nicht aus. So genügt es nicht, dass der Schüler dem Islam angehört oder Eltern glauben, dass ihre Glaubensgrundsätze infrage gestellt werden (VG Minden, Beschluss vom 06.06.2003 – 2 L 537/03). Sofern Eltern geltend machen, dass bei ihrer Tochter die Gefahr von sexuellen Übergriffen durch Mitschüler besteht, müssen sie das nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Hamburg näher darlegen. Hierzu reiche es nicht aus, dass in einer gemeinsamen Unterkunft übernachtet wird (Beschluss vom 24.05.2017 – 2 E 5613/17).

 

Fazit:

Sofern Schüler an Schulfesten und Klassenfahrten nicht teilnahmen wollen, muss genau geprüft werden, wie die Rechtslage im jeweiligen Bundesland aussieht. Dafür müssen womöglich auch einschlägige Erlasse herangezogen werden. Für eine Befreiung /Beurlaubung sollte es schwerwiegende Gründe geben. Die Frage ist, was hierzu außer einer akuten Erkrankung alles gehört. Sofern etwa die Gefahr einer körperlichen Misshandlung durch mobbende Mitschüler oder sogar eines sexuellen Missbrauchs besteht, sollten sich Schüler/Eltern beraten lassen. Unter Umständen ist hier neben einer Meldung bei der Schulleitung sowie der zuständigen Schulbehörde auch an eine Strafanzeige zu denken – besonders wenn sich ein solcher Vorfall auf einer Klassenfahrt oder in der Schule ereignet hat.

 

Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)

Foto: © Magda Fischer - Fotolia.com

 

 

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