Familienrecht

Bestimmung eines Ergänzungspflegers nur nach persönlicher Anhörung

27.03.2023
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Zuletzt bearbeitet am: 27.05.2024

Frankfurt/Main (jur). Bestimmt ein Gericht für die teilweise Entziehung des Sorgerechts eines minderjährigen Kindes einen Ergänzungspfleger, müssen zuvor der sorgeberechtigte Elternteil und das Kind persönlich angehört werden. Auch wenn der Ergänzungspfleger letztlich ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren vorantreiben soll, kann sich ein Gericht nur mit der Anhörung der Beteiligten einen ausreichenden persönlichen Eindruck verschaffen, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 7. März 2023 (Az.: 3 WF 143/22). 

Im Streitfall hatte ein verheirateter Vater die Vaterschaft für das Kind aus seiner früheren außerehelichen Beziehung anerkannt. Die Schwangerschaft wurde 2008 festgestellt, nachdem der Mann die Mutter mehrere Tage in Albanien besucht hatte. Die Beziehung zu der Mutter endete 2014, nachdem die Ehefrau von dem Verhältnis erfahren hatte. 

Der Vater war daraufhin nicht mehr überzeugt, dass er tatsächlich der biologische Vater ist. Er leitete ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren ein und verlangte ein Abstammungsgutachten. Seine frühere Geliebte lehnte ab. Sie verweigerte die Entnahme von Mundschleimhaut bei ihrem Kind. 

Das Amtsgericht Frankfurt am Main bestimmte daraufhin das Jugendamt als Ergänzungspfleger. Damit einher ging ein teilweiser Entzug des Sorgerechts, so dass die Behörde die genetische Abstammungsuntersuchung selbst veranlassen konnte. Mutter und Kind wurde die Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben. 

Doch das war verfahrensfehlerhaft, entschied das OLG. Bei der Bestimmung eines Ergänzungspflegers müssen die Eltern und das betroffene Kind vom Gericht persönlich angehört werden. Die persönliche Anhörung diene nicht nur der Gewährung „rechtlichen Gehörs“, sondern auch der Sachverhaltsaufklärung. Das Gericht könne sich so einen persönlichen Eindruck insbesondere über das Kind verschaffen. Auch sei das Jugendamt fehlerhaft in dem Verfahren nicht beteiligt worden. Dies müsse nun alles das Amtsgericht noch einmal nachholen. 

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik:© andranik123 - stock.adobe.com

Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

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