Arbeitsrecht

Betriebsrat muss an Betriebsrätetagung auch wirklich teilnehmen

Zuletzt bearbeitet am: 10.06.2024

Lüneburg (jur). Fahren Betriebsratsmitglieder auf Arbeitgeberkosten während der Arbeitszeit auf eine mehrtägige Betriebsrätetagung, sollten sie auch an jedem Tag daran teilnehmen. Andernfalls kann ihnen fristlos gekündigt werden, entschied das Arbeitsgericht Lüneburg am Mittwoch, 5. April 2023, im Fall des Betriebsratsvorsitzenden des Amazon Logistikzentrums Winsen/Luhe in Niedersachsen (Az.: 2 BV 6/22). 

Der Betriebsratsvorsitzende reiste vom 8. November 2022 bis einschließlich 10. November 2022 mit drei weiteren Betriebsratsmitgliedern zum Betriebsrätetag in Bonn. Die Tagung fand werktags während der Arbeitszeit statt. Die Reise- und Tagungskosten übernahm Amazon. In seinem Arbeitszeitnachweis gab der Betriebsratsvorsitzende an, dass er am 9. November ab Mittags sowie am Abend Betriebsratsarbeit geleistet habe. 

Amazon warf dem Betriebsratsvorsitzenden vor, nur am 8. November den Betriebsrätetag besucht zu haben. Die restliche Zeit habe er private Dinge erledigt. Es bestehe zudem aufgrund seiner Angaben im Arbeitszeitnachweis der Verdacht des Arbeitszeitbetruges. Das Unternehmen wollte ihm daraufhin außerordentlich und damit fristlos kündigen. 

Der Betriebsratsvorsitzende hatte zwar eingeräumt, dass er am Vormittag des 9. November 2022 aus privaten Gründen nach Düsseldorf gefahren sei. Während der von ihm angegebenen Zeiten habe er aber „anderweitige Betriebsratsarbeit“ ausgeführt. 

Der Betriebsrat lehnte die von Amazon begehrte Zustimmung zur fristlosen Kündigung ab. 

Das Arbeitsgericht ersetzte jedoch die Zustimmung zur fristlosen Kündigung. Es stehe fest, dass der Betriebsratsvorsitzende spätestens am Vormittag des 9. November 2022 den Betriebsrätetag eigenmächtig vorzeitig verlassen habe. Dies stelle einen schwerwiegenden Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Es bestehe zudem der dringende Verdacht, dass der Beschäftigte in seinem Arbeitszeitnachweis bewusst falsche Angaben gemacht habe. Dass er „anderweitige Betriebsratsarbeit“ geleistet habe, sei nicht glaubhaft. 

Dies alles sei geeignet, das „Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers tiefgreifend“ zu erschüttern, so das Arbeitsgericht. Der Ausspruch der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung sei daher gerechtfertigt. 

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

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