Mit seinem Urteil vom 23. September 2025 (Az. 6 UKl 2/25) hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart eine viel beachtete Grundsatzfrage beantwortet: Darf der Discounter Lidl seine Treue-App als "kostenlos" bewerben, obwohl die Nutzer dafür umfangreich Daten bereitstellen? Die Entscheidung des Gerichts, das die Klage der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) abwies, schafft wichtige Klarheit im Bereich der Datenerhebung bei kostenlosen Apps und hat weitreichende Bedeutung für alle datenbasierten Geschäftsmodelle.
Wann ist eine App „kostenlos“?
Das zentrale Problem war die Definition des Begriffs „Preis“. Die Verbraucherschützer argumentierten, dass Daten ökonomisch wertvoll sind und deshalb einer Bezahlung gleichkommen. Das OLG folgte dem nicht. Nach unionsrechtlichen Vorgaben ist ein Preis immer eine Geldleistung. Wer eine App mit Daten „bezahlt“, leistet im juristischen Sinn also keine Geldzahlung. Das ändert nichts daran, dass Daten im Verbraucherrecht berücksichtigt werden: Seit 2022 erfassen § 312 Abs. 1a BGB und §§ 327 ff. BGB auch Verträge über digitale Produkte, die allein durch Datenbereitstellung zustande kommen. Trotzdem bleibt der Preisbegriff streng auf Geld beschränkt.
Preisrecht und Datenschutzrecht – zwei verschiedene Ebenen
Die Richter in Stuttgart machten klar, dass unterschiedliche Regelungsbereiche zu unterscheiden sind:
- Preisangabenrecht: Die EU-Verbraucherrechte-Richtlinie und Art. 246a EGBGB verpflichten Anbieter, Gesamtpreise anzugeben. Damit sind Geldbeträge gemeint – nicht Daten.
- Datenschutzrecht: Wer Daten erhebt, muss umfassend über Zweck, Umfang und Rechtsgrundlage informieren (Art. 13/14 DSGVO). Diese Pflichten gelten zusätzlich, sind aber nicht Teil der Preisangaben.
Für Lidl bedeutete das: Solange die App im unmittelbaren Zusammenhang mit dem „kostenlos“-Hinweis über die Datennutzung informiert, liegt keine Irreführung vor. Die Teilnahmebedingungen und die App-Beschreibung sind nach Ansicht des Gerichts ausreichend.
Irreführung durch „kostenlos“? Nur bei versteckten Kosten
Eine Werbung mit „kostenlos“ wäre dann unzulässig, wenn Nutzer tatsächlich Geld zahlen müssen – etwa Versandkosten oder versteckte Gebühren. Ein Beispiel ist ein Urteil des Kammergerichts Berlin, das „komplett kostenlos“ bei zusätzlich erhobenen Versandkosten als irreführend einstufte. Im Lidl-Fall verlangte das Unternehmen jedoch keine Geldleistung, und die Datenverarbeitung wurde transparent dargestellt. Daher verneinte das OLG Stuttgart eine Irreführung.
Folgen für datenbasierte Geschäftsmodelle
Für Unternehmen, die auf Freemium-Modelle oder Daten als Vertragsgrundlage setzen, bringt das Urteil zunächst Entlastung. Sie dürfen ihre Angebote weiterhin als „kostenlos“ bewerben, solange keine Geldzahlung verlangt wird und die Informationspflichten zur Datenverarbeitung eingehalten werden. Das zeigt, wie das Recht unterscheidet: Geld definiert den Preis, während Daten im Rahmen des Datenschutz- und Vertragsrechts relevant sind. Für die Anbieter bedeutet dies eine gewisse Rechtssicherheit – zumindest bis zur Entscheidung des BGH.
Tipp für die Praxis: Unternehmen sollten darauf achten, dass Hinweise wie „kostenlos“ direkt mit leicht verständlichen Informationen zur Datennutzung verbunden sind. Transparenz ist der entscheidende Punkt, um rechtliche Risiken zu vermeiden und das Vertrauen der Nutzer zu sichern.
Zusammenfassung
Das OLG Stuttgart hat klargestellt: „Preis“ meint ausschließlich Geld. Die Bereitstellung personenbezogener Daten ist rechtlich keine Preiszahlung und löst daher keine Pflicht zur Preisangabe aus. Solange Unternehmen ihre Nutzer transparent über den Umgang mit Daten informieren, ist die Werbung mit „kostenlos“ zulässig. Allerdings ist die Sache noch nicht endgültig entschieden – der BGH wird in der Revision die Grundsatzfrage prüfen und damit Weichen für die digitale Ökonomie stellen.
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