Das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Schutzfähigkeit von Birkenstock-Sandalen (BGH vom 20. Februar 2025 – AZ: I ZR 16/24) wirft ein Schlaglicht auf die Anforderungen an die Gestaltungshöhe und die Abgrenzung zwischen Kunst und Handwerk. Damit rückt erneut ein Aspekt ins Zentrum, der für zahlreiche Branchen von grundlegender Bedeutung ist: Wann ist ein Design schutzwürdig im Sinne des Urheberrechts?
Das Verfahren Birkenstock gegen Nachahmer
Die Klägerin, ein Unternehmen der Birkenstock-Gruppe, vertreibt seit Jahrzehnten charakteristische Sandalenmodelle, die sich durch ihre klare Formensprache und hohe Wiedererkennbarkeit auszeichnen. In den vorliegenden Verfahren klagte sie gegen drei Unternehmen, die nach ihrer Auffassung optisch ähnliche Sandalen herstellten oder vertrieben.
Birkenstock sah darin eine Verletzung ihrer Urheberrechte und forderte Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz sowie den Rückruf und die Vernichtung der betroffenen Produkte.
Die Verfahren zogen sich durch mehrere Instanzen und wurden in der Fachwelt intensiv beobachtet, da sie grundsätzliche Fragen zur Abgrenzung von Werk- und Gebrauchskunst aufwarfen.
Urheberrechtsschutz: Gestaltungshöhe als Voraussetzung
Das Landgericht gab den Klagen zunächst statt und stufte die Sandalen als Werke der angewandten Kunst gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG ein. Diese Vorschrift ermöglicht den Urheberrechtsschutz auch für Gebrauchsgegenstände, sofern sie eine hinreichende individuelle Gestaltung aufweisen. Das Oberlandesgericht hob diese Entscheidung jedoch auf. Es argumentierte, dass die Gestaltung der Sandalen primär funktionalen Anforderungen folge und nicht die für einen Urheberrechtsschutz erforderliche Schöpfungshöhe erreiche.
Der BGH bestätigte diese Sichtweise in seiner Entscheidung vom 20. Februar 2025 (Az. I ZR 16/24 u.a.) und setzte damit einen deutlichen Rahmen für die Beurteilung von Gestaltungshöhe bei Alltagsprodukten.
Wann liegt Gestaltungshöhe vor?
Der Begriff der Gestaltungshöhe bezeichnet das Maß an Individualität und kreativer Eigenleistung, das ein Werk aufweisen muss, um urheberrechtlich geschützt zu sein. Bei angewandter Kunst sind die Anforderungen hoch, da sie oft durch technische Notwendigkeiten geprägt sind. Der BGH stellte klar:
- Gestalterische Elemente allein reichen nicht aus;
- Individuelles Konzept - das vom üblichen Formenschatz abweicht - muss erkennbar sein.
Dies dient dem Schutz kreativer Leistungen und dem Zugang zu funktionalen Gestaltungen. Besonders in der Massenproduktion und im Modemarkt ist dieser Aspekt relevant.
Funktionalität und ästhetischer Gehalt: Keine automatische Schutzwirkung
Das Urteil zeigt, dass funktionale Produkte nicht automatisch urheberrechtlich geschützt sind. Es muss ein kreatives "Mehr" vorhanden sein, das über reine Funktionalität hinausgeht. Bei den Birkenstock-Sandalen fehlte laut BGH diese notwendige Gestaltungshöhe, da ihr Design primär ergonomischen und praktischen Aspekten folgt. Ein hoher Bekanntheitsgrad oder wirtschaftlicher Erfolg genügt nicht, um urheberrechtlichen Schutz zu rechtfertigen. Diese Unterscheidung ist für Unternehmen wichtig, die ihr Markenimage rechtlich absichern möchten.
Was Unternehmen jetzt beachten sollten
Ein breiter Schutzmix ist im internationalen Wettbewerb empfehlenswert, um Innovationen langfristig zu sichern. Neben Design- und Markenrecht kann auch der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz eine Rolle spielen. Unternehmen sollten zudem ihre Entwürfe dokumentieren, um im Streitfall die Priorität ihrer Schöpfung belegen zu können.
Tipp: Sichern Sie Ihre Produktgestaltung durch ein eingetragenes Design ab. Das erfordert keine Prüfung der Gestaltungshöhe und bietet einen klar umrissenen Schutzrahmen. Achten Sie zudem auf eine strategische Kombination mit anderen Schutzrechten, um eine lückenlose Abdeckung zu gewährleisten.
Zusammenfassung
Mit seinem Urteil zum Birkenstock-Design hat der BGH die Anforderungen an den Urheberrechtsschutz für Werke der angewandten Kunst präzisiert. Es reicht nicht aus, dass ein Produkt gefällig oder wiedererkennbar gestaltet ist. Entscheidend ist der kreative Gehalt, der eine individuelle Schöpfung erkennen lässt. Unternehmen sollten diesen rechtlichen Rahmen bei der Schutzstrategie ihrer Produkte berücksichtigen und gegebenenfalls auf andere Schutzmechanismen ausweichen.
Symbolgrafik:© Zerbor - stock.adobe.com