Straßburg (jur). Der Bundesnachrichtendienst (BND) musste einem Bild-Journalisten keinen Zugang zu Akten über die Todesumstände des früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel geben. Für einen möglichen Informationsanspruch reichen abstrakte oder allgemeine Gründe nicht aus, warum im Zuge der Pressefreiheit Einsicht in die Akten gewährt werden soll, urteilte am Dienstag, 8. November 2022, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) (Az.: 8819/16). Ein absolutes Recht auf Zugang zu Informationen, die im Besitz einer Behörde sind, sieht die Europäische Menschenrechtskonvention nicht vor, so die Straßburger Richter.
Im konkreten Fall wollte der Chef-Reporter der Bild-Zeitung, Hans-Wilhelm Saure, 2012 Einsicht in Ermittlungsunterlagen des BND nehmen, die sich mit den Todesumständen des früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel befassen. Auch Gerüchten, dass Barschel für einen osteuropäischen Geheimdienst gearbeitete habe, wollte Saure auf dem Grund gehen. Die Akten stammten aus den Jahren 1991 bis 1995.
Barschel wurde am 11. Oktober 1987 vollständig bekleidet tot in der Badewanne des Genfer Hotels Beau-Rivage von einem Reporter aufgefunden. In dem Leichnam wurden mehrere Medikamentenrückstände wie Schlafmittel gefunden. Die Schweizer Behörden gingen von einem Suizid aus.
Es gab jedoch auch Zweifel an der Suizid-Vermutung, die ein Schweizer Toxikologe mit einem Gutachten bekräftigte. So wurden Genspuren im Hotelzimmer Barschels aufgefunden, die den Verdacht nahe legten, dass der Politiker in seiner Todesnacht nicht allein war. Auch ein Haar wurde auf seinem Bett gefunden, welches von einer anderen Person stammt. Dieses war später nicht mehr auffindbar. Die deutschen Ermittlungen wurden 1998 eingestellt.
Doch den Antrag Saures auf physischen Zugang zu den BND-Akten wurde abgelehnt.
Das Bundesverwaltungsgericht urteilte am 27. November 2013, dass Behörden zwar grundsätzlich aufgrund der in der Verfassung geschützten Pressefreiheit verpflichtet seien, auf Fragen Auskunft zu geben (Az.: BVerwG 6 A 5.13 vom Urteilstag). Eine Nutzung von Akten gehe damit aber nicht einher. Das Bundesarchivgesetz sehe eine Benutzung von Unterlagen nur vor, wenn diese älter als 30 Jahre sind. Eine dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg.
Im November 2013 hatte der Bild-Reporter auf anderen Wegen Informationen über den Inhalt der BND-Akten erhalten und hierzu zwei Presseartikel verfasst.
Der EGMR urteilte nun, dass die Pressefreiheit kein generelles Recht auf persönliche Einsichtnahme in behördliche Dokumente beinhalte. Hier habe der BND bei dem Zugang zu den Akten die Interessen der nationalen Sicherheit mit denen der Pressefreiheit abgewogen. Denn die Offenlegung der Akten hätte auch Aufschluss über die Arbeitsweise des BND geben können.
Der Bild-Reporter habe gegenüber Behörden und Gerichten zudem nur abstrakte und allgemeine und nicht die konkreten Gründe vorgetragen, warum er einen physischen Aktenzugang für erforderlich hält. Die zu treffende Abwägung zwischen nationaler Sicherheit und Pressefreiheit falle daher zuungunsten des Journalisten aus.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock