Sozialrecht

Borreliose als Berufskrankheit kann leichter anerkannt werden

Zuletzt bearbeitet am: 03.04.2023

Kassel (jur). Infizieren sich im Wald oder in der Landwirtschaft tätige Beschäftigte mit von Zecken übertragenen Borreliose-Bakterien, können sie sich nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom Donnerstag, 30. März 2023, dies leichter als Berufskrankheit anerkennen lassen. Beschäftigte müssen nicht nachweisen, dass ihre Borreliose-Erkrankung auf einen während ihrer Arbeitszeit erlittenen konkreten Zeckenstich zurückgeht, urteilten die Kasseler Richter. Es genüge auch, dass der Versicherte bei seiner versicherten Tätigkeit einer „besonderen Infektionsgefahr“ ausgesetzt war. 

Vor Gericht war eine frühere, mittlerweile erwerbsunfähige Erzieherin gezogen, die von Januar 1999 bis Juni 2000 in einem Waldkindergarten im Raum Stuttgart gearbeitet hat. Wegen der zahlreichen Zecken im Wald suchte sie regelmäßig ihren Körper nach den blutsaugenden, nur wenige Millimeter kleinen Parasiten ab. 

Bleiben die Tiere unentdeckt, kann eine Borreliose-Infektion kurz nach dem Zeckenstich noch gut mit Antibiotika behandelt werden. Oft heilt die sogenannte Lyme-Borreliose auch so aus. In einigen Fällen kann die Erkrankung aber chronisch verlaufen. Die Borrelien-Bakterien können verschiedene Organe betreffen und vor allem Haut, Gelenke und das Nervensystem befallen. 

Als die Erzieherin im April 1999 grippeähnliche Symptome aufwies, hielt sie dies noch für harmlos. Doch es folgten rheumatische und neurologische Beschwerden, ein chronisches Müdigkeitssyndrom und Hautveränderungen. Die behandelnden Ärzten konnten die Ursachen zunächst nicht feststellen. 

Erst 2008 wurde eine Infektion mit Borreliose-Bakterien diagnostiziert. Die Erzieherin führte ihre Beschwerden auf einen Zeckenstich zurück, den sie während ihrer Tätigkeit im Waldkindergarten erlitten haben muss. Die Zecke müsse mit Borreliose-Bakterien infiziert gewesen sein. Sie beantragte bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (BG) die Anerkennung als Berufskrankheit. 

Der Unfallversicherungsträger lehnte dies ab. Sie könne die Borreliose-Infektion auch während ihrer Freizeit erlitten haben. Es sei nicht mit „hinreichender Wahrscheinlichkeit“ nachgewiesen sei, dass die Erzieherin tatsächlich während ihrer Arbeit im Waldkindergarten infiziert worden sei. 

Auf Anfrage des Sozialgerichts hatte das Regierungspräsidium Stuttgart mitgeteilt, dass am Ort des Waldkindergartens etwa jede fünfte Zecke mit Borrelien infiziert sei. Die Klägerin habe ein zwei bis dreimal erhöhtes Risiko einer Infektion als die Allgemeinbevölikerung. Während das Sozialgericht eine Berufskrankheit feststellte, wies das Landessozialgericht (LSg) die Erzieherin ab. Es fehle der Nachweis über die „erforderliche Einwirkung“, also den konkreten Nachweis eines Zeckenstichs während der versicherten Tätigkeit. 

Das BSG verwies das Verfahren an das LSG zurück. Für die Anerkennung als Berufskrankheit müsse nicht belegt werden, dass ein Zeckenstich während der Arbeit erfolgte. Es genüge eine „besondere Infektionsgefahr“ während der beruflichen Tätigkeit. Das LSG müsse dies erneut prüfen und auch feststellen, ob die Klägerin tatsächlich eine Borreliose-Erkrankung aufweist. 

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik:© Zerbor - stock.adobe.com

Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Sozialrecht Bedarfsgemeinschaft und ihre Bedeutung im Sozialrecht (Harz 4 / Bürgergeld) erklärt mit Beispielen

Die Bedarfsgemeinschaft ist ein zentraler Begriff im Sozialrecht und bezieht sich auf eine Gemeinschaft von Menschen, die zusammenleben und gemeinsam wirtschaften. Sie spielt eine entscheidende Rolle bei der Berechnung von Sozialleistungen, insbesondere im Bereich des Bürgergelds, da der Bedarf unter Einbeziehung des Einkommens und Vermögens ermittelt wird. Sie kann sich aus einer oder mehreren Personen zusammensetzen, von denen mindestens ein Mitglied erwerbsfähig und leistungsberechtigt im Sinne des SGB sein muss .  Was ist eine Bedarfsgemeinschaft? Von einer Bedarfsgemeinschaft ist auszugehen, wenn Menschen zusammenleben, gemeinsam wirtschaften und eine ... weiter lesen

Sozialrecht Jobcenter-Bescheid muss nicht in Plattdeutsch verfasst sein

Essen (jur). Jobcenter müssen ihre Bescheide an Langzeitarbeitslose nicht auf Wunsch in niederdeutscher oder plattdeutscher Sprache verfassen. Zwar schützt die „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ eine Regionalsprache, ein Anspruch auf Abfassung der Jobcenter-Bescheide in Plattdeutsch als Teil des Niederdeutschen ergibt sich daraus aber nicht, entschied das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 8. September 2022 (Az.: L 7 AS 1360/21).  Der aus dem Raum Detmold stammende Kläger hatte 2017 Hartz-IV-Leistungen erhalten. Das Jobcenter wies ihm mit Bescheid vom 20. Februar 2017 ... weiter lesen

Sozialrecht Verschweigen von Vermögen führt zu Rückforderungen vom Jobcenter

Celle (jur). Hartz-IV- und Bürgergeld-Bezieher müssen bei vorsätzlich verschwiegenen Kapitallebensversicherungen ihre sämtlichen erhaltenen Hilfeleistungen wieder zurückzahlen. Da hier eine Frau wegen Vermögens nicht hilfebedürftig war, könne das Jobcenter das gezahlte Arbeitslosengeld II wieder zurückfordern, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem am Montag, 15. Mai 2023, bekanntgegebenen Urteil (Az.: L 11 AS 221/22). Dabei komme der Vermögensfreibetrag nicht zur Anrechnung. Im Streitfall ging es um eine 1958 geborene Frau aus dem Landkreis Celle, die seit 2013 Grundsicherungsleistungen bezog. Dass sie über zwei ... weiter lesen

Sozialrecht Einkommensteuernachzahlung mindert nicht Arbeitslosengeld II

Chemnitz (jur). Erhalten Selbstständige aufstockende Arbeitslosengeld-II-Leistungen, können sie wegen einer Einkommensteuernachzahlung für vor dem Hilfebezug liegende Zeiträume nicht ihr Einkommen mindern und damit höhere Hilfeleistungen vom Jobcenter erhalten. Denn bei Einkommensteuernachzahlungen handelt es sich um „nicht erfasste Steuerschulden, die nicht vom Einkommen im Bewilligungszeitraum mindernd abzusetzen sind“, entschied das Sächsische Landessozialgericht (LSG) in einem am Dienstag, 9. Mai 2023, veröffentlichten Urteil. (Az.: L 7 AS 629/20). Die Chemnitzer Richter ließen wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel ... weiter lesen

Ihre Spezialisten