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Bundesarbeitsgericht entscheidet über Betriebsratswahl: Briefwahl bei Homeoffice und Kurzarbeit

Zuletzt bearbeitet am: 03.12.2024

In einem Grundsatzurteil vom 23. Oktober 2024 (Az. 7 ABR 34/23) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu den Modalitäten der Briefwahl bei der Betriebsratswahl Stellung genommen. Diese Entscheidung dreht sich um die Frage, ob die unaufgeforderte Versendung von Briefwahlunterlagen an Arbeitnehmer, die wegen Homeoffice oder Kurzarbeit abwesend sind, mit den gesetzlichen Vorschriften vereinbar ist.

Hintergrund des Falls

Die kontroverse Entscheidung stammt aus einem Rechtsstreit, der die Betriebsratswahl im Volkswagen-Stammwerk in Wolfsburg betrifft. Die Wahl, die vom 14. bis 18. März 2022 stattfand, fiel in eine Phase, in der viele Mitarbeiter aufgrund der Corona-Pandemie im Homeoffice arbeiteten oder in Kurzarbeit waren. Der Wahlvorstand entschloss sich dafür, unaufgefordert Briefwahlunterlagen an ca. 59.000 betroffene Mitarbeiter zu senden.

Juristische Auseinandersetzung und Urteil

Mehrere Kandidaten fochten das Wahlergebnis an und argumentierten, dass die Praxis der unaufgeforderten Zusendung der Wahlunterlagen gegen die Wahlordnung verstieß. Das Arbeitsgericht gab ihnen zunächst recht und erklärte die Wahl für ungültig. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen jedoch wies den entsprechenden Antrag zurück. Diese widersprüchliche Rechtsauslegung führte letztendlich zur Überprüfung durch das Bundesarbeitsgericht.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das BAG betonte in seinem Urteil die Bedeutung einer genauen Kenntnis über die Anwesenheit der Arbeitnehmer am Wahltag. Laut § 24 Abs. 2 Nr. 1 der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz dürfen Wahlunterlagen ohne vorherigen Antrag nur an jene Arbeitnehmer versendet werden, von denen bekannt ist, dass sie wegen temporärer mobiler Arbeit oder Kurzarbeit nicht im Betrieb sein werden. Das BAG hob die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auf und verwies den Fall zurück, um zu klären, ob die Verteilung der Briefwahlunterlagen sich ausschließlich auf nicht anwesende Mitarbeiter beschränkte.

In diesem Zusammenhang bestätigte das Gericht, dass es nicht zulässig sei, grundsätzlich allen Arbeitnehmern, die im Homeoffice oder in Kurzarbeit sind, die Wahlunterlagen zu senden. Dies verlangt vom Wahlvorstand eine genauere Überprüfung der Anwesenheit der Arbeitnehmer am Wahltag.

Auswirkungen und Empfehlungen

Dieses Urteil hat signifikante Auswirkungen für die Durchführung zukünftiger Betriebsratswahlen, gerade in Zeiten zunehmender mobiler Arbeit und externer Arbeitsmodelle. Es fordert von den Wahlvorständen eine präzise Kenntnis über die Arbeitsverhältnisse und eine sorgfältige Vorgehensweise beim Versenden von Wahlunterlagen, um die Einhaltung der Wahlvorschriften sicherzustellen.

Praxis-Tipp

Wahlvorstände sollten sich stets der gesetzlichen Rahmenbedingungen bewusst sein und besonders genau prüfen, welchen Arbeitsnehmern auf Grundlage deren voraussichtlicher Abwesenheit am Wahltag Briefwahlunterlagen zugesendet werden können. Bei Unsicherheiten empfiehlt es sich, rechtlichen Rat bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht einzuholen, um auf der sicheren Seite zu sein.

Exkurs

Die Briefwahl bei Betriebsratswahlen ermöglicht Arbeitnehmern, ihre Stimme abzugeben, wenn sie am Wahltag abwesend sind. Es gibt drei Gruppen von Briefwählern: solche, die vom Wahlvorstand festgelegt werden, Personen mit besonderen Beschäftigungsbedingungen und jene, die selbst einen Antrag stellen. 

Der Wahlvorstand stellt Briefwählern notwendige Unterlagen wie Stimmzettel, Wahlumschlag und Vorschriften bereit. Die Rücksendung muss fristgerecht erfolgen, und Stimmen werden nur mit korrekten Unterlagen gewertet. Briefumschläge dürfen erst zur Wahlhandlung geöffnet werden. Fristen variieren je nach Wahlverfahren. Die Nutzung des Freiumschlags ist obligatorisch, um eine ordnungsgemäße Stimmabgabe sicherzustellen.

Fazit

Die jüngste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts betont die Notwendigkeit einer regelkonformen Durchführung von Betriebsratswahlen und stellt klar, dass die unaufgeforderte Versendung von Briefwahlunterlagen an eine breite Mitarbeitergruppe ohne individuelle Prüfung der Voraussetzungen nicht zulässig ist. Sie ist ein wichtiger Leitfaden für zukünftige Wahlen in einer Arbeitswelt, die immer flexibler wird.

Symbolgrafik:© Marco2811 - stock.adobe.com

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