Arbeitsrecht

Bundesarbeitsgericht festigt Diskriminierungsentschädigungen

Zuletzt bearbeitet am: 03.01.2024

Erfurt (jur). Ansprüche auf eine arbeitsrechtliche Diskriminierungsentschädigung lassen sich vertraglich nicht ausschließen. Entgegenstehende Vereinbarungen sind durchweg unwirksam, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Donnerstag, 17. Februar 2022, veröffentlichten Urteil entschied (Az.: 8 AZR 371/20). Auch die Festsetzung einer Entschädigung auf „Null“ ist danach unzulässig. Wirksam sind aber Klauseln in einem Aufhebungsvertrag, wonach sämtliche Ansprüche und damit auch mögliche Ansprüche auf eine Diskriminierungsentschädigung mit als erledigt gelten.

Im Streitfall geht die Klägerin wegen eines Aufhebungsvertrags daher leer aus. Sie arbeitete in Teilzeit mit 60 Prozent als Pflegekraft in einem Behandlungszentrum des KfH Kuratorium für Dialyse, ein Verein, der bundesweit ambulante Dialyse anbietet.

Die tatsächliche Arbeitszeit der Pflegekraft ging allerdings oft über das Vereinbarte hinaus. Im Februar 2018 hatte sie daher ein Arbeitszeitguthaben von 226 Stunden. Der Haustarif sieht für angeordnete Überstunden Zuschläge oder weitere Zeitgutschriften vor.

Mit ihrer Klage machte die Pflegekraft geltend, anders als Vollzeitbeschäftigte habe sie einen solchen Ausgleich nicht bekommen. Weil überwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten, sei dies eine mittelbare Frauendiskriminierung. Sie forderte daher weitere Zeitgutschriften und eine Diskriminierungsentschädigung.

In der Vorinstanz gab das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) in Frankfurt dem teilweise statt und sprach der Pflegekraft knapp 68 zusätzliche Zeitstunden zu. Auch eine Diskriminierung lag nach Überzeugung des LAG vor. Eine Entschädigung hierfür sei nach den konkreten Umständen aber „unangemessen“.

Die Pflegekraft legte Revision zum BAG ein und schloss parallel einen Aufhebungsvertrag mit dem KfH. Mit wenigen konkreten Ausnahmen waren danach „sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ erledigt.

Wegen dieses Aufhebungsvertrags wies das BAG die Revision nun zurück. Ein möglicher Anspruch auf Diskriminierungsentschädigung sei ein „Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis“ und werde daher von der Erledigungsklausel mit umfasst.

Inhaltlich widersprach das BAG der Vorinstanz aber deutlich. Das LAG habe eine Diskriminierungsentschädigung nicht als „unangemessen“ ablehnen dürfen.

Zur Begründung verwiesen die obersten Arbeitsrichter auf die Ziele arbeitsrechtlicher Diskriminierungsentschädigungen. Sie sollten zum einen den immateriellen Schaden ausgleichen und den Betroffenen Genugtuung verschaffen. Zudem sollten sie dazu beitragen, Diskriminierungen präventiv zu verhindern. Auf ein Verschulden des Arbeitgebers komme es dabei nicht an.

Im Fall einer Diskriminierung sei eine Entschädigung daher gesetzlich zwingend. Vertragliche Regelungen, die eine Diskriminierungsentschädigung ausschließen, seien nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unwirksam. Auch die Festsetzung einer Entschädigung auf „Null“ komme „nicht in Betracht“.

Das Argument, die Klägerin habe vom LAG doch immerhin weitere Zeitstunden zugesprochen bekommen, ließen die Erfurter Richter nicht gelten. Diese seien ein Ausgleich nur für den materiellen, nicht aber für den immateriellen Schaden der Diskriminierung. Auch komme es nicht darauf an, dass das LAG hier eine „mittelbare“ Frauendiskriminierung festgestellt hatte. Diese wiege nicht weniger schwer als eine persönliche „unmittelbare Diskriminierung“, betonte das BAG.

Im Streitfall bestehe ein nach dem LAG-Urteil möglicher Entschädigungsanspruch aber nicht mehr. Dieser habe sich durch die Klausel im Aufhebungsvertrag mit erledigt. Einer solchen nachträglichen Vereinbarung auch über die Diskriminierungsentschädigung stehe weder deutsches noch EU-Recht entgegen, heißt es in dem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 28. Oktober 2021.

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

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