Die Cannabislegalisierung hat im Wesentlichen zu Änderungen in zwei Regelungskomplexen betreffend Führerscheinsachen geführt.
Punkt 1: Die Anhebung des Grenzwertes.
Hierbei geht es darum, ab welchem THC-Wert (Aktiv-Wert) eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit vorliegt. Bislang geht die Rechtsprechung von 1 ng/ml THC aus. Der Wert soll nun (endlich) auf vermutlich 3,5 ng/ml angehoben werden. Da das (noch) nicht passiert ist, werde ich mich mit diesem Thema in diesem Beitrag nicht weiter beschäftigen. Es folgt ein gesonderter Beitrag, falls und sobald das Gesetz in Kraft getreten sein wird.
Wichtig für Betroffene laufender Verfahren ist, dass die jeweiligen Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren in Fällen, in denen 1,0 ng/ml überschritten, aber 3,5 ng/ml nicht erreicht sind, „am Laufen gehalten“ wird. Sind solche Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren rechtskräftig, folgt in der Regel ein Eignungsverfahren vor der Fahrerlaubnisbehörde. Auch in diesem werden die neuen Grenzwerte maßgeblich sein (müssen). Das heißt, dass nach meiner Rechtsauffassung, auch wenn ein Fahren mit bis zu 3,5 ng/ml vorlag, daraus überhaupt keine fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen (z.B. MPU) folgen dürfen.
Punkt 2: Fahrerlaubnisrecht: Änderung der Rechtslage beim ersten Verstoß
In die Fahrerlaubnisverordnung wurde § 13 a FEV eingefügt. Zusätzlich wurde die Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung unter Ziffer 9 (Cannabis) geändert.
Es ist zunächst klarzustellen, dass von der Änderung praktisch nur Gelegenheitskonsumenten profitieren. Steht regelmäßiger Konsum oder Cannabisabhängigkeit fest, was letztlich häufig vom Abbauwert (Carbonsäurewert) abhängig sein wird, dann ergeben sich keine Änderungen zur alten Rechtslage. Die Fahrerlaubnis ist dann zu entziehen.
Bei wiederholten Verstößen, also schon beim zweiten Verstoß, wird nach wie vor eine MPU angeordnet werden.
Für Gelegenheitskonsumenten bei einem einmaligen Verstoß im Straßenverkehr gilt nunmehr Folgendes:
Bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom April 2019 (https://rechtsanwalt-weiser.de/?s=Bverwg+cannabis) wurde die Fahrerlaubnis bereits beim ersten Verstoß im Straßenverkehr entzogen. Seit der Entscheidung aus 2019 behielten Betroffene zunächst ihre Fahrerlaubnis, mussten aber ein MPU-Gutachten vorlegen zum Nachweis, dass sie zwischen Konsum und Fahren trennen können.
Das hat sich nun zu Gunsten der Betroffenen durch Einfügung der vorgenannten Regelungen geändert.
Zusammengefasst muss ein Gelegenheitskonsument beim ersten Verstoß nur dann eine MPU machen,
wenn Tatsachen die Annahme von Cannabismissbrauch begründen,
die Fahrerlaubnis wegen einer Missbrauchsthematik entzogen war oder
sonst zu klären ist, ob Cannabismissbrauch oder -abhängigkeit nicht mehr besteht.
Hauptanwendungsfall in der Praxis ist die Fallkonstellation „Annahme von Cannabismissbrauch“. Fraglich ist nämlich, wann ein solcher Missbrauch vorliegt und welche Folgen sich daraus ergeben.
Hier kursieren aktuell erhebliche Missverständnisse in Foren und Internetbeiträgen. Teilweise wird angenommen, der Begriff „Missbrauch“ bedeute, dass regelmäßiger Konsum oder eine Abhängigkeit bestünde. Das ist nicht der Fall. Für einen Missbrauch reicht es, wie beim Alkohol aus, dass der Gelegenheitskonsument einmalig unter Überschreitung des Grenzwertes fährt. Das ergibt sich wörtlich aus Ziffer 9 der Anlage 4 zur FEV:
„Missbrauch
(Das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Cannabiskonsum können nicht hinreichend sicher getrennt werden.)“
Der Annahme, dass ein Missbrauch vorliegt, ist also ab dem ersten Verstoß gegeben. Mithin ist die Anordnung einer MPU weiterhin grundsätzlich gerechtfertigt.
Die teilweise vertretene Ansicht, bei Gelegenheitskonsum reiche es für die Anordnung von Führerscheinmaßnahmen nicht mehr aus, dass der Betroffene ein einziges Mal am Steuer erwischt wird, ist falsch. Die eigentliche Änderung ergibt sich aus der Anlage 4 Ziffer 9 zur Fahrerlaubnisverordnung.
Darin ist nämlich neuerdings auch geregelt, dass auch bei Missbrauch eine „Wiedereignung“ eintritt, „ … wenn die Änderung des Cannabiskonsumverhaltens gefestigt ist“.
Fraglich ist, wann das der Fall ist und wie der oder die Betroffene das nachweisen kann. Die Antwort ist meines Erachtens in erster Linie, wie beim Alkohol: Durch ein längerfristiges Abstinenznachweisprogramm. Dem oder der Betroffenen ist daher zu raten, was eigentlich schon immer anzuraten war, nämlich zeitnah nach dem Verstoß mit einem Abstinenznachweisprogramm einer anerkannten Stelle zu beginnen. Es verhält sich übrigens so, dass auch vor der Gesetzesänderung in Fällen, in denen im Zeitpunkt des Tätigwerdens der Fahrerlaubnisbehörde ein monatelanger Nachweis der Abstinenz geführt werden konnte, oft eine MPU vermieden werden konnte. Bis die Fahrerlaubnisbehörden sich nach einem Drogenverstoß einschalten, gehen in der Regel Monate ins Land, die nicht ungenutzt bleiben dürfen.
Wer weiter konsumieren möchte, muss nach meiner Einschätzung geeignete verkehrspsychologische Nachweise bringen, dass er zukünftig wieder sicher zwischen Konsum und Fahren trennen kann. Welche Nachweise hier anerkannt werden, ist fraglich. Ich gehe allerdings nicht davon aus, dass ein Attest vom Hausarzt ausreicht.