Arbeitsrecht

Corona-Infektionen im Unternehmen: Wann haftet der Arbeitgeber?

24.08.2020
 (1)
Zuletzt bearbeitet am: 25.01.2024

Auch in Betrieben ist es schon zu Corona-Infektionen gekommen. Unter welchen Voraussetzungen Arbeitgeber haften, erfahren Sie in diesem Beitrag.

 

Wenn eine Corona Infektion in einem Unternehmen auftritt, ist das alleine noch kein Grund, dass der Arbeitgeber haftet. Vielmehr kommt ein Anspruch des Arbeitnehmers dann gem. § 280 Abs. 1 BGB aus vertraglicher Grundlage in Betracht, wenn der Arbeitgeber hierdurch seine Schutzpflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat. 

 

Diese könnte sich daraus ergeben, dass der Arbeitgeber seine Fürsorgepflichten aus § 618 Abs. 1 BGB verletzt. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber als Dienstberechtigter Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Dem kommt ein Arbeitgeber nach, wenn er die Vorschriften in Bezug auf den Arbeitsschutz einhält. 

 

Welche Corona Schutzvorschriften gelten für Arbeitgeber?

 

Was Arbeitgeber bezüglich des Schutzes ihrer Arbeitnehmer vor Corona-Infektionen beachten müssen, ergibt sich aus den vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 16.04.2020 beschlossenen und veröffentlichten SARS-COV- 2 Arbeitsschutzstandard, den das Ministerium mit Pressemitteilung vom 16.04.2020 näher vorstellt. Hiernach müssen Arbeitgeber auf die Einhaltung des Mindestabstandes von 1,50 Meter am Arbeitsplatz (wie Büros, Montagehallen etc.) und in Kantinen/Pausenräumen achten. Nur im Ausnahmefall kommen alternative Schutzmaßnahmen wie Trennwände und das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes in Betracht. Des Weiteren dürfen Zimmer in Sammelunterkünften grundsätzlich nur mit einer Person belegt werden. Dass Arbeitgeber dies umsetzen müssen, ergibt sich aus § 3 ArbSchG, wonach Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zum Schutz der Gesundheit ihrer Beschäftigten treffen müssen. Hierzu kann je nach Tätigkeit auch gehören, dass der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern eine Arbeit im Homeoffice auf freiwilliger Grundlage anbietet, um die Abstände einzuhalten bzw. um Risikogruppen zu schützen. 

 

Ob der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zum Schutz vor Corona-Infektionen ohne Grundlage im Arbeitsvertrag zwangsweise ins Homeoffice versetzen kann, ist hingegen rechtlich fraglich. Hierfür könnte eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Berlin sprechen, wonach der Dienstherr eine Beamtin für mehrere Wochen ins Homeoffice aufgrund seiner Fürsorgepflicht versetzen durfte (VG Berlin, Beschluss vom 14.04.2020 - 28 L 119.20). Zu bedenken ist, dass diese Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz und im Bereich des öffentlichen Dienstes ergangen ist. Auf der anderen Seite kommt hier ein Verstoß gegen Treu und Glaube gem. § 242 BGB in Betracht, wenn ein Mitarbeiter das Homeoffice willkürlich verweigert und dann den Arbeitgeber auf Schadensersatz verklagt. 

 

Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen die Corona-Schutzvorschriften kommt auch eine deliktische Haftung des Arbeitgebers gem. § 823 Abs. 1 BGB in Betracht wegen Verletzung der Gesundheit des Arbeitnehmers sowie gem. § 823 Abs. 2 BGB wegen Verstoßes gegen Schutzgesetze, wie § 3 ArbSchG.

Haftung des Arbeitgebers ausgeschlossen?

 

Allerdings könnte eine Heranziehung des Arbeitgebers zur Haftung gem. § 110 SGB VII bei einer Corona-Infektion im Unternehmen ausgeschlossen sein. Demzufolge kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber normalerweise dann nicht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn es sich bei COVID-10 um einen Arbeitsunfall oder eine Berufserkrankung handelt. Hier muss der Arbeitnehmer sich an den Träger der gesetzlichen Unfallversicherung halten. Wann hier von einem Arbeitsunfall oder einer Berufserkrankung auszugehen ist, ist mangels einschlägiger Rechtsprechung nicht geklärt. Die Deutsche gesetzliche Unfallversicherung vertritt die Auffassung, dass es bei einer Corona Infektion unter Umständen um einen Arbeitsunfall handelt. Dies kommt dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer einen intensiven Kontakt zu einem an Corona erkrankten Arbeitnehmer gehabt hast. Das Gleiche gilt womöglich, wenn es zu einem massiven Ausbruch im Betrieb gekommen ist. 

Haftung des Arbeitgebers bei Vorsatz

 

Dessen ungeachtet haftet der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer gem. § 110 SGB VII ausnahmsweise dann, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich gehandelt hat. Hierzu reicht es aus, dass er die Pflichtverletzung sowie die Gesundheitsgefährdung billigend in Kauf genommen hat. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 20.06.2013 – 8 AZR 471/12, in dem ein Arbeitnehmer ein asbestversseuchtes Gebäude ohne Schutzkleidung saniert hatte. Die Richter stellten klar, dass ihm Anspruch auf Schadensersatz zusteht. 

Fazit:

 

Arbeitgeber müssen davon ausgehen, dass Gerichte bei Missachtung der Corona Schutzregeln von Vorsatz ausgehen und erkrankten Mitarbeitern Schadensersatz sowie Schmerzensgeld zusprechen. Darüber hinaus müssen sie auch mit der Verhängung von Bußgeldern rechnen. Arbeitnehmer sollten vor allem gravierende Missstände dokumentieren und am besten auch per Videokamera festhalten. Allerdings sollten sie die Aufnahmen nicht im Internet veröffentlichen. Ansonsten gehen sie das Risiko ein, dass der Arbeitgeber gegen sie vorgeht etwa wegen der Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechtes. Dieses ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG. Besser sollten sie sich damit an den Rechtssekretär einer Gewerkschaft oder einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wenden. Dieser kann dann prüfen, inwieweit eine Klage gegen den Arbeitgeber Sinn macht. Eventuell ist es besonders bei schweren Verstößen auch sinnvoll, sich an die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden des jeweiligen Bundeslandes zu wenden. Arbeitgeber gehen schließlich auch das Risiko ein, dass sie von der gesetzlichen Unfallversicherung in Regress genommen werden, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben. 

 

 

Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)

Foto: © Wilm Ihlenfeld - Fotolia.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Arbeitsrecht Ergonomischer Büroarbeitsplatz mit Merkblatt

Der Begriff "Büroarbeitsplatz" bezieht sich auf die Gesamtheit aller Elemente und Bedingungen, die in einem Büroumfeld zur Durchführung von Arbeitsaufgaben erforderlich sind. Hierzu zählen insbesondere Arbeitsmittel wie Schreibtisch und Bürostuhl, die gemäß den Anforderungen des Arbeitsschutzes ergonomisch gestaltet sein müssen, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden und die Arbeitsleistung zu steigern. Rechtliche Grundlagen für Büroarbeitsplätze Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und die Bildschirmarbeitsverordnung bilden die rechtliche Basis für die Gestaltung von Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen in ... weiter lesen

Arbeitsrecht Arbeitsgericht Siegburg urteilt: Keine Diskriminierung bei Nichteinstellung aus gesundheitlichen Gründen

Das Arbeitsgericht Siegburg hat in einem Fall, in dem es um die Rücknahme einer Einstellungszusage für einen schwerbehinderten Bewerber ging, entschieden. Im Mittelpunkt der Verhandlung stand die Frage, ob die Nichteinstellung aufgrund eines ärztlichen Gutachtens eine Diskriminierung darstellt (Az.: 3 Ca 1654/23 ). Stadt zieht Jobzusage an diabetischen Bewerber zurück – Klage wegen Diskriminierung Ein schwerbehinderter Bewerber, der an Diabetes leidet, bewarb sich Anfang 2023 bei einer Stadtverwaltung für eine Ausbildung zum Straßenwärter. Seine Schwerbehinderung gab er dabei offen an. Er erhielt eine vorläufige Zusage, die jedoch von den Ergebnissen einer ... weiter lesen

Arbeitsrecht Nebenbeschäftigung durch Detektei aufgedeckt – was Arbeitgeber jetzt beachten müssen

Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und -geber ist wichtig, Vertrauen allein reicht aber oft nicht aus. Zu den häufigsten Zwischenfällen gehört die Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit durch den Arbeitnehmer. Grundsätzlich ist der Hauptarbeitgeber verpflichtet, einen Nebenjob zu gewähren, sofern die eigenen Interessen davon nicht betroffen sind. So muss der Arbeitnehmer weiterhin mit seiner vollen Arbeitskraft verfügbar sein und darf nicht in konkurrierenden Betrieben arbeiten. Heimlich ausgeführt ist eine Nebentätigkeit nicht erlaubt. Die Aufdeckung erfolgt regelmäßig durch erfahrene Wirtschaftsdetektive, aber was passiert dann?  ... weiter lesen

Arbeitsrecht Verwaltungsgericht Hannover bestätigt Entlassung von Polizeikommissar-Anwärterin

Ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover (Az. 2 B 512/24; 2 A 5953/23 ) bekräftigt die Entlassung einer Polizeikommissar-Anwärterin aufgrund ihrer polizeikritischen Äußerungen in sozialen Netzwerken. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Neutralität und des Mäßigungsgebots im Beamtenverhältnis. Polizeianwärterin wegen kritischer Äußerungen in sozialen Medien entlassen Im Zentrum des Rechtsstreits stand eine angehende Polizeikommissarin, gegen die die Niedersächsische Polizeiakademie eine Entlassungsverfügung erließ. Ausschlaggebend waren diverse Äußerungen in sozialen Medien, die als kritisch gegenüber der Polizei ... weiter lesen

Ihre Spezialisten