I. Worum geht es eigentlich?
Das Cum-Ex-Geschäft ist eine Form des „Dividendenstripping“, bei der eine Aktie kurz vor dem Zeitpunkt der Dividendenauszahlung verkauft wird und kurz nach dem Termin der Dividendenauszahlung erfolgt dann der Rückkauf. Dabei kommt es zu mehrfacher Erstattung der Kapitalertragssteuer, obwohl diese tatsächlich nur ein einziges Mal abgeführt wurde.
In den meisten Fällen wird wie folgt vorgegangen:
Investor A ist Inhaber von Aktien. Kurz vor dem Dividendenstichtag kauft Investor C ebenfalls Aktien dieses Unternehmens. Diese erwirbt er aber nicht von Investor A, sondern von Investor B, welcher in Wirklichkeit gar keine Aktien dieses Unternehmens besitzt. Es findet also ein sogenannter Leerverkauf statt. Am Tag der Dividendenausschüttung erhält Investor A sodann seine Dividende abzüglich einer Kapitalertragssteuer in Höhe von 25%. Diese Steuer führt das Unternehmen an den Staat ab. Investor A erhält dafür eine Bescheinigung, mit welcher er unter bestimmten Umständen die gezahlte Kapitalertragssteuer zurückerstattet bekommt. Nach Erhalt der Dividende verkauft Investor A nun die aufgrund der Ausschüttung etwas weniger wertvollen Aktien zu einem entsprechend günstigeren Preis an Investor B. Dieser leitet die Aktien an Investor C weiter, um seine Pflicht aus dem zuvor getätigten Leergeschäft zu erfüllen. Da Investor C im Ursprung den vollen Preis an Investor B gezahlt hat, also den Minderwert der Dividendenausschüttung unberücksichtigt, zahlt Investor B Investor C die Netto-Dividende aus. Für die fehlenden 25% des ursprünglich gezahlten Betrages, eben gerade die Höhe der Kapitalertragssteuer, lässt sich Investor C eine Steuerbescheinigung ausstellen, um sich diese erstatten zu lassen, obwohl für diese Aktien lediglich einmal Kapitalertragssteuer gezahlt wurde. Anschließend leitet Investor C die Aktien wieder an Investor A weiter, so dass der Eindruck entsteht, es sei alles beim Alten. In der Konsequenz erstatteten die Finanzämter also mehr Steuern als sie eingenommen haben.
II. Aktuelle Rechtslage
Lange war umstritten, ob dieses Vorgehen schlicht ein cleveres Ausnutzen einer Gesetzeslücke oder doch das Begehen einer Straftat darstellt. Spätestens mit dem Urteil des Landgericht Bonn vom 18.03.2020 (Urt. v. 18.03.2020; Az. 62 KLs 1/19) ist diese Frage geklärt. Die beiden Angeklagten wurden wegen Steuerhinterziehung bzw. Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu Haftstrafen verurteilt, welche aufgrund der Kooperationsbereitschaft der Täter gerade noch zur Bewährung ausgesetzt werden konnten. Im Übrigen wurde die Einziehung von 176 Millionen Euro zu Lasten der in den Skandal verwickelten Privatbank M.M. Warburg angeordnet.
Dieses Urteil wurde inzwischen auch vom BGH bestätigt (BGH, Urteil v. 28.07.2021, Az. 1 StR 519/20). Alle Beteiligten hatten Revision eingelegt und scheiterten damit vor dem Bundesgerichtshof. Die Karlsruher Richter stellten nochmals klar, dass es sich bei den Cum-Ex-Transaktionen um strafbare Steuerhinterziehung handelt und nicht, wie die Verteidigung unter anderem argumentierte, nur ein Steuerschlupfloch genutzt wurde.
Insgesamt fiel das Urteil des LG Bonn dennoch sehr milde aus; beim besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung, welcher aufgrund der hohen Hinterziehungssummen bei Cum-Ex-Geschäften regelmäßig erfüllt sein dürfte, drohen dem Täter bis zu 10 Jahre Haft. Dieses Urteil scheint aber erst der Anfang einer ganzen Reihe von Cum-Ex-Strafverfahren zu sein.
III. Strafverfahren und Strafverteidigung
Sind Sie Beschuldigter in einem Strafverfahren wegen Cum-Ex-Geschäften, sollten Sie sich möglichst schon zu Beginn des Ermittlungsverfahrens professionelle Hilfe holen und sich anwaltlich beraten lassen. Bereits die Entscheidung über eine etwaige Einlassung zur Sache oder den Gebrauch des Aussageverweigerungsrechts kann den späteren Prozess maßgeblich beeinflussen. Eine solche Frage sollten Sie daher nicht ohne anwaltliche Beratung beantworten. Außerdem drohen in einem Ermittlungsverfahren bereits unangenehme Durchsuchungen der Privaträume sowie die Beschlagnahme von Gegenständen und Geschäftsunterlagen. Im schlimmsten Fall ist sogar mit Untersuchungshaft zu rechnen. Spätestens an dieser Stelle ist ein kompetenter Rechtsbeistand unumgänglich. Denn nur durch die Anwesenheit eines Rechtsanwalts ist gewährleistet, dass der Beschuldigte seine Rechte umfassend ausüben kann.