Handelsrecht und Gesellschaftsrecht

Das "vergiftete" Gesellschafterdarlehen in der Krise und die drohende Insolvenzanfechtung.

14.06.2023
Zuletzt bearbeitet am: 14.06.2023

1. Ausgangssituation

Kleine und mittlere Unternehmen erhalten oftmals nach Gründung keine “schnellen” Darlehen durch Kreditinstitute zur Überwindung kurzfristig auftretender Liquiditätsengpässe.

Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Häufig verfügen die Unternehmen jedoch nicht über hinreichend Sicherheiten, um in der unsicheren finanziellen (Krisen)Situation das Kreditengagement der Bank entsprechend abzusichern.

In diesem Fall werden/können die benötigten Mittel der Gesellschaft regelmäßig nur durch Gesellschafter in Form von sogenannten Gesellschafterdarlehen bereitgestellt werden. Für Dritte ist eine Darlehensgewährung zu riskant.

Allerdings besteht das Risiko der Rückzahlung gewährter Darlehen an die Gesellschafter ebenso.

Denn insbesondere im “krisennahen” Zeitraum drohen im Falle einer Insolenz Rückforderungsansprüche des Insolvenzverwalters über § 135 InsO.

 

2. Rechtliche Behandlung des Gesellschafterdarlehens

Gesellschafterdarlehen werden rechtlich anders behandelt und eingeordnet als Darlehen von Dritten an die Gesellschaft.

Gesellschafterdarlehen werden als eine Mischform von Fremd- und Eigenkapitalfinanzierung angesehen. Hierbei schließt ein Gesellschafter als “Unternehmensinhaber” mit der Gesellschaft einen Darlehensvertrag. Aufgrund seiner Gesellschafterstellung und Nähe zur Unternehmung hat er jedoch deutlich mehr Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft als ein gewöhnlicher Darlehensgläubiger. Insbesondere verfügt ein Gesellschafter - im Gegensatz zu den weiteren Gläubigern - über einen Wissensvorsprung und hat auch die Möglichkeit, sich das Darlehen ganz oder in Teilbeträgen kurzfristig zurückzahlen zu lassen.

Im Insolvenzfall wird ein Gesellschafterdarlehen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO wie Eigenkapital behandelt und als nachrangig eingestuft. Wirtschaftlich bedeutet dies im Insolvenzfall prinzipiell den „Totalausfall“ für den Gesellschafter, da vorrangig die Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO bedient werden.

 

3. Dem Gesellschafterdarlehen gleichgestellte Fälle

Ein Rückforderungsverlangen im Insolvenzfall droht jedoch nicht nur bei einem "klassischen" Gesellschafterdarlehen.

Zur Verhinderung von Gestaltungsmißbrauch hat die Rechtsprechung sog. "vergleichbare Fälle" dem Gesellschafterdarlehen gleichgestellt.

Einem typischen Gesellschafterdarlehen sind in diesem Zusammenhang u. a. gleichgestellt:

  • Stundungen von Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft;
  • Das Stehenlassen von Gehalts- bzw. Zahlungsforderungen;
  • Auszahlungen nach ordentlicher Kapitalherabsetzung;
  • Zinsgewährung auf Darlehen;
  • Ausschüttung von Gewinnvorträgen etc.

In vorgenannten Konstellationen muss ebenfalls mit einer Rückforderung im Insolvenzfall durch den Insolvenzverwalter gerechnet werden.

 

4. Der Insolvenzanfechtungstatbestand des § 135 InsO

Aufgrund des „Wissens- und Handlungsvorteils“ des Gesellschafters in der Krise, sowie der Verortung in den Nachrang im Insolvenzfall, hat der Gesetzgeber Schutzmechanismen geschaffen, um Rückzahlungen im Krisenzeitraum zu verhindern bzw. rückgängig zu machen.

Hierdurch soll eine Gläubigergleichbehandlung geschaffen werden, indem der Insolvenzverwalter über den Anfechtungstatbestand des § 135 InsO Darlehensrückzahlungen im Jahreszeitraum vor Antragstellung zur Insolvenzmasse zurückfordern kann.

 

5. Handlungsempfehlung

Die rechtlichen Konstellationen in diesem Zusammenhang sind vielseitig und komplex.

Zur Vermeidung von Anfechtungen nach § 135 InsO ist anzuraten, bereits für die Überlassung finanzieller Mittel im Verhältnis Gesellschafter/Gesellschaft rechtsanwaltlichen Rat einzuholen. Hier gibt es diverse Gestaltungsmodelle um einer insolvenzrechtlichen Anfechtung nach § 135 InsO vorzubeugen.

So kann unter anderem z. B. in Anlehnung an spezielle von der Rechtsprechung entwickelte Grundsätze, durch Vereinbarung einer Kontokorrentkonstruktion mit Kreditobergrenze im Verhältnis Gesellschafter und Gesellschaft, das Anfechtungsrisiko erheblich eingeschränkt werden. Maßgeblich sind die vertraglichen Ausgestaltungen.

Aber auch eine insolvenzrechtliche Anfechtung kann in vielen Fällen noch erfolgsversprechend durch einen erfahrenen Insolvenzanwalt verteidigt werden.

 

Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten.

 

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