Ein fehlerhafter oder faktischer Geschäftsführer- Dienstvertrag liegt vor, wenn beim Abschluss des Dienstvertrages Rechtsfehler unterlaufen und der Vertrag deshalb nicht wirksam zustande kommt. Ein faktischer oder fehlerhafter Geschäftsführervertrag ist schwebend unwirksam. Das bedeutet, dass er nicht endgültig unwirksam ist, sondern der Rechtsmangel noch beseitigt und der Vertrag nachträglich wirksam werden kann. Der Fehler, der zur schwebenden Unwirksamkeit eines Geschäftsführerdienstvertrages führt, ist oft die unwirksame Vertretung der Gesellschaft beim Abschluss des Vertrages. Im Unterschied zum Arbeitsvertrag, für dessen Abschluss bei einer GmbH die Geschäftsführer zuständig sind, liegt die Zuständigkeit für den Abschluss von Geschäftsführeranstellungsverträgen bei der Gesellschafterversammlung. Stattdessen werden Geschäftsführerverträge häufig von anderen Geschäftsführern, nur einzelnen Gesellschaftern oder Dritten unterzeichnet. Die hieraus folgende schwebende Unwirksamkeit schafft für Geschäftsführer Risiken, aber auch Chancen.
I. Der fehlerhafte Geschäftsführerdienstvertrag in der Rechtsprechung
1. Gründe für die Fehlerhaftigkeit eines Geschäftsführerdienstvertrages
Der typische Fall: Eine GmbH beruft einen verdienten Arbeitnehmer zu ihrem Geschäftsführer. Der Geschäftsführervertrag wird von dem neuen Geschäftsführer (für sich selbst) und für die Gesellschaft von einem bereits im Amt befindlichen weiteren Geschäftsführer unterzeichnet. Ein auf diese Weise zustande gekommener Vertrag ist schwebend unwirksam, weil die Gesellschaft nicht wirksam vertreten war (BGH, Urteil vom 3.7.2000 - II ZR 282/98). Denn bei Geschäftsführerverträgen ist die Besonderheit zu beachten, dass für den Abschluss von Anstellungsverträgen zwischen einer GmbH und ihren Geschäftsführern nicht – wie für den Abschluss von Arbeitsverträgen – die Geschäftsführung zuständig ist, sondern gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG und der sich hieraus ergebenden Annexkompetenz die Gesellschafterversammlung. Wird ein Geschäftsführervertrag abgeschlossen, für den auf Seiten der Gesellschaft nicht sämtliche Gesellschafter unterschreiben oder über den Abschluss des Geschäftsführervertrages Beschluss fassen und einen Gesellschafter oder eine andere Person bevollmächtigen, sie beim Vertragsabschluss zu vertreten, so kann ein wirksamer Geschäftsführervertrag nicht zustande kommen. Der Vertrag ist fehlerhaft, es liegt ein lediglich faktisches Dienstverhältnis vor.
2. Rechtsfolgen der Fehlerhaftigkeit
a) Jederzeitige Auflösung
Die aus dem Vertretungsmangel resultierende schwebende Unwirksamkeit des Geschäftsführervertrages ist ein scharfes Schwert. Wenn sich der Dienstvertrag nach Ingangsetzung als fehlerhaft erweist, so kann sich jede Partei für die Zukunft jederzeit von dem Vertrag lösen (BGH, Urteil vom 20.8.2019 – II ZR 121/16). Die Gesellschaft ist an keine Kündigungsfrist gebunden, sondern kann die Gehaltszahlung mit sofortiger Wirkung einstellen. Ein unwirksamer Geschäftsführeranstellungsvertrag ist zwar für die Dauer der Geschäftsführertätigkeit als wirksam zu behandeln. Er kann für die Zukunft jedoch jederzeit aufgelöst werden. Die Unwirksamkeit des Anstellungsvertrages hat also gravierende Folgen. Die wirtschaftliche Grundlage entfällt über Nacht.
b) Kein Vertrauensschutz
Dass Geschäftsführer sich der Unwirksamkeit ihres Anstellungsvertrages nicht bewusst sind, hilft ihnen nicht. Die Rechtsprechung gewährt keinen Vertrauensschutz. Der Berufung der Gesellschaft auf die Unwirksamkeit des Vertrages kann der Geschäftsführer auch nicht mit dem Einwand begegnen, er habe auf die Wirksamkeit des Vertrages vertraut. Nach Auffassung des BGH kann sich ein Vertrauen des Geschäftsführers auf die Wirksamkeit des Anstellungsvertrages im Hinblick auf die Rechtslage, die für die Zuständigkeit zum Vertragsabschluss auf Seiten der GmbH besteht, nicht bilden, weil die Voraussetzungen für den wirksamen Abschluss eines Geschäftsführervertrages in der Rechtsprechung seit Jahrzehnten geklärt sind.
c) Keine Bestätigung des Vertrages durch Erklärung einer Kündigung
In einem vom BGH entschiedenen Fall wandte der Geschäftsführer ein, die Gesellschaft sei selbst von einem wirksamen Anstellungsvertrag ausgegangen, denn sie habe den Geschäftsführervertrag gekündigt, sich also nicht lediglich faktisch von ihm gelöst. In der Kündigungserklärung liege deshalb zugleich die Bestätigung des Geschäftsführervertrages, sodass er jedenfalls im Zeitpunkt der Kündigung wirksam geworden sei. Auch damit blieb der Geschäftsführer erfolglos. Eine in der Kündigung liegende Bestätigung des Geschäftsführervertrages kam schon deswegen nicht in Betracht, weil die kündigenden Gesellschafter kein entsprechendes rechtsgeschäftliches Bewusstsein hatten. Es fehlte ihnen das erforderliche Bewusstsein, den Vertrag zu bestätigen (BGH, Urteil vom 3.7.2000 - II ZR 282/98). Auch die Erhöhung des Gehalts des Geschäftsführers durch die Gesellschaft wird deshalb nicht als Genehmigung des Vertrages nach § 184 BGB angesehen, da eine Genehmigung voraussetzt, dass sich der Genehmigende der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages bewusst ist.
d) Treuwidrige Lösung der Gesellschaft vom Dienstvertrag?
Nach der Rechtsprechung des BGH ist die sinngemäße Heranziehung der Grundsätze zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis Ergebnis eines Interessenausgleichs zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft (BGH, Urteil vom 20.8.2019 – II ZR 121/16). Dass das Anstellungsverhältnis längere Zeit praktiziert wurde und der Geschäftsführer seit mehreren Jahren unbefristet als Geschäftsführer für die Gesellschaft tätig war, rechtfertigt es deshalb nicht, die GmbH ausnahmsweise auch für die Zukunft an dem Anstellungsvertrag festzuhalten. Er kann nur dann ausnahmsweise für die Zukunft als wirksam zu behandeln sein, wenn beide Parteien ihn jahrelang als Grundlage ihrer Rechtsbeziehung betrachtet und die Gesellschaft den Geschäftsführer durch weitere Handlungen in seinem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Vertrages bestärkt hat oder das Scheitern des Vertrages an einem förmlichen Mangel für den Geschäftsführer zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde. Die Behandlung des Anstellungsvertrages als wirksam bis zur Lösung durch eine Partei wird von der Rechtsprechung also als hinreichende Berücksichtigung der Interessen des Geschäftsführers betrachtet.
3. Ursprungsvertrag als Auffangnetz?
a) Vorausgehender wirksamer Geschäftsführerdienstvertrag
Ist der Geschäftsführervertrag, um dessen Bestand zwischen den Parteien gerungen wird, nicht der erste Anstellungsvertrag zwischen Geschäftsführer und Gesellschaft, so stellt sich die Frage, ob bei unwirksamer Vertretung der Gesellschaft beim Vertragsabschluss und fehlender Heilung durch Genehmigung die Unwirksamkeit des neuen Vertrages dazu führt, dass der ursprüngliche Vertrag wieder auflebt. Könnte sich der Geschäftsführer sich nach Lösung der Gesellschaft vom aktuell gelebten Vertrag zumindest auf die Rechte aus dem älteren, wirksam abgeschlossenen Vertrag stützen, würde er seine Vergütungsansprüche nicht vollständig verlieren, sondern allenfalls auf das Niveau des Vorgängervertrages zurückfallen.
b) Ungeklärte Rechtslage
Ob in einem solchen Fall der Ursprungsvertrag wieder wirksam wird, ist ungeklärt. Rechtsprechung hierzu liegt – soweit ersichtlich – nicht vor. Viel spricht jedoch dafür, dass beim Abschluss eines unwirksamen neuen Dienstvertrages der vorhergehende alte Anstellungsvertrag nicht wieder auflebt, sondern der frühere Vertrag durch den neuen – wenn auch rechtsfehlerhaft abgeschlossenen –endgültig ersetzt wird. Die schwebende Unwirksamkeit des Dienstvertrages hat nicht zur Folge, dass der Vertrag zu keinem Zeitpunkt wirksam war. Ein schwebend unwirksamer Dienstvertrag ist nach der Lehre vom fehlerhaften Anstellungsvertrag nicht schlechthin unwirksam, sondern sobald und so lange er von den Parteien „gelebt“ wird, als wirksam zu behandeln. Die Unwirksamkeit des zunächst schwebend unwirksamen Geschäftsführervertrages tritt deshalb erst ab dem Zeitpunkt der Lösungserklärung und nur für die Zukunft („ex nunc“) ein. Die einmal eingetretenen Rechtswirkungen in der Zeit, in welcher der Vertrag als wirksam anzusehen ist, sind endgültig eingetreten. Somit ist auch die Ersetzung des ursprünglichen Dienstvertrages durch den – zwar fehlerhaften, aber im Zeitpunkt der Ersetzung als wirksam zu behandelnden – neuen Dienstvertrag wirksam und endgültig.
II. Chancen aus einem fehlerhaften Anstellungsvertrag
1. Interessenlage
Die Rechtsprechung zum fehlerhaften Dienstvertrag birgt für Geschäftsführer primär Risiken. Insbesondere droht der sofortige Verlust der Gehaltszahlung. Je nach Interessenlage können sich Geschäftsführer die Rechtsfolgen eines fehlerhaften Anstellungsvertrages aber auch zu Nutze machen. Will man kurzfristig das bessere Angebot eines anderen Unternehmens annehmen, sich aus persönlichen oder gesundheitlichen Gründen schnell aus einem belastend gewordenen Anstellungsverhältnis lösen oder z.B. als Gesellschafter-Geschäftsführer einen günstigen Zeitpunkt für den Exit nutzen, so sind lange Laufzeiten und Kündigungsfristen im Dienstvertrag hinderlich. In solchen Fällen kann die Möglichkeit der jederzeitigen Lösung vom Dienstverhältnis für den Geschäftsführer attraktiv sein.
2. Beiderseitige Lösungsmöglichkeit
Die Möglichkeit, sich jederzeit ohne weiteres von einem nur faktischen Geschäftsführervertrag zu lösen, steht beiden Parteien offen. Nicht nur die Gesellschaft kann erklären, sich an den Vertrag nicht mehr halten zu wollen, sondern auch der Geschäftsführer. Die strikte Rechtsprechung des BGH, die dem Empfänger der Lösungserklärung keinen Vertrauensschutz zubilligt und eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben nur in extremen Fällen annimmt, gilt auch dann, wenn sich Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung von ihrem fehlerhaften Anstellungsvertrag lösen. Die Lösung vom fehlerhaften Anstellungsvertrag ist für Geschäftsführer sogar einfacher als für die Gesellschaft.
3. Schutzobjekt der Grundsätze des fehlerhaften Anstellungsvertrages
Geschützt wird durch die Grundsätze des fehlerhaften Anstellungsverhältnisses bei GmbH-Geschäftsführern nicht die Gesellschaft, sondern der Geschäftsführer. Nach der Rechtsprechung des BGH besteht ausdrücklich eine Fürsorgepflicht der Gesellschaft, die es verbietet, die Rückabwicklung fehlerhafte Anstellungsverhältnisse über die Vorschriften des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung zu suchen. Ein Interesse der Gesellschaft am Fortbestand des Dienstvertrages im Hinblick auf die darin geregelten Kündigungsmöglichkeiten ist demgegenüber durch die Grundsätze des fehlerhaften Anstellungsverhältnisses nicht geschützt. Dass die Vertragsparteien an die – nicht wirksam vereinbarten – Kündigungsfristen nicht gebunden sind, ist vielmehr Folge der Fehlerhaftigkeit des Dienstvertrages, die beide Parteien gleichermaßen betrifft (BGH, Urteil vom 6.4.1964, NJW 1964, 1367).
III. Zusammenfassung
Der Geschäftsführervertrag ist die rechtliche Existenzgrundlage jedes Geschäftsführers. Er regelt nicht nur das Gehalt, sondern auch Urlaub, Altersversorgung, Dienstwagen und alle sonstigen finanziellen Leistungen. Der Geschäftsführervertrag legt auch fest, wie lang Vertragslaufzeit und Kündigungsfrist sind oder ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot besteht. Auf den Geschäftsführervertrag als wirtschaftliche Existenzgrundlage kann man sich aber nur verlassen, wenn er rechtswirksam abgeschlossen wurde. Erweist sich der Geschäftsführervertrag als fehlerhaft, so wird man als Geschäftsführer i.d.R. den Bestand des Vertrages absichern wollen. In bestimmten Situationen kann aber auch der Geschäftsführer ein Interesse daran haben, sich ohne weiteres sofort von seinem Geschäftsführervertrag zu lösen, z.B. wenn vertraglich eine lange Festlaufzeit oder lange Kündigungsfristen vereinbart sind und der Chance im Wege stehen, kurzfristig das bessere Angebot einer anderen Gesellschaft anzunehmen. Dann ist das Berufen auf den nur faktischen Geschäftsführervertrag der rechtliche „Goldstandard.“ Die einfache Lösungserklärung gegenüber der Gesellschaft genügt, um sofort frei für neue Aufgaben zu sein.