Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht

Die Eigenbedarfskündigung im Mietrecht

10.10.2021

Ein Vermieter kann dem Mieter im Mietrecht den Wohnraum wegen Eigenbedarf kündigen, wenn er die Wohnung für sich selbst oder für eine zu seinem Hausstand gehörende Person benötigt, z. B. eine Pflegekraft oder einen Familienangehörigen (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

Der Vermieter ist berechtigt, sich im Mietrecht auf Eigenbedarf zu berufen, wenn er dafür vernünftige, nachvollziehbare Gründe vortragen kann, warum er oder eine begünstigte Person die Wohnung beziehen will.

Nur das Entfallen eines Kündigungsgrunds vor Ablauf der Kündigungsfrist führt zur Unwirksamkeit einer Kündigung. Es ist unschädlich, wenn ein Kündigungsgrund erst nach Ablauf der Kündigungsfrist entfällt.
Gemäß § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB können zudem nur solche Kündigungsgründe berücksichtigt werden, die in der Kündigung angegeben wurden.

Wird in einem Kündigungsschreiben Eigenbedarf vorgebracht, werden in einem nachfolgenden Räumungsprozess alle Umstände dieses Einzelfalls umfassend vom Gericht gewürdigt. Das Gericht darf sich bei der Prüfung nicht auf die Tatsachen beschränken, die der Vermieter in seinem Kündigungsschreiben angegeben hat, sondern muss auch alle anderen Gründe berücksichtigen. Wird z. B. im Räumungsprozess festgestellt, dass die gekündigte Wohnung für die Person, für die sie freigemacht werden soll, vollkommen ungeeignet ist, gibt es keine nachvollziehbaren, vernünftigen Gründe, warum der bisherige Mieter aus der jetzigen Wohnung ausziehen soll.

Auf die persönlichen Motive des Vermieters kommt es dagegen im Mietrecht nicht an. Möchte er die Wohnung z.B. als Zweitwohnung nutzen, spielt das keine Rolle. Denn grundsätzlich ist bei einer Eigenbedarfskündigung zunächst einmal auf die Interessenlage des Vermieters abzustellen. Der Vermieter ist berechtigt, immer dann zu kündigen, wenn er oder seine Familienangehörigen aus konkreten und billigenswerten Gründen die vermietete Wohnung beanspruchen.

Sollte sich jedoch herausstellen, dass die Eigenbedarfskündigung für den Mieter eine „besondere Härte“ darstellt, hat der Mieter die Möglichkeit, der Kündigung zu widersprechen. Auch hat der Vermieter eine „Anbietpflicht“ gegenüber dem Mieter, falls er im selben Haus oder in derselben Wohnanlage im Zeitpunkt der Kündigung eine andere Wohnung zur Verfügung hat, die ihm gehört und frei ist. Ein Verstoß gegen die Anbietpflicht macht die Kündigung nicht unwirksam, aber der Mieter hat ggf. Anspruch auf Schadensersatz (§ 280 Abs. 1 BGB).

Ein Mieter kann gegen eine Eigenbedarfskündigung nicht einwenden, der Vermieter hätte unter mehreren vergleichbaren Wohnungen eine andere kündigen müssen. Bei einer Eigenbedarfskündigung ist im Mietrecht keine Sozialauswahl zugunsten betroffener Mieter vorzunehmen (LG Berlin vom 18.12.2019, Az. 64 S 91/18).

Der Vermieter kann auch dann wegen Eigenbedarfs kündigen, wenn er die Wohnung nur teilweise zu Wohnzwecken, überwiegend aber als Gewerberaum, z. B. zur Einrichtung einer Anwaltskanzlei, nutzen will (BGH, NZM 2013, 22). Kein Eigenbedarf liegt bei vorgeschobenen Gründen, um einen lästigen Mieter loszuwerden, bei treuwidrigem und widersprüchlichem Eigenbedarf oder wenn die Gründe schon vor Beginn des Mietvertrags dem Vermieter bekannt waren, vor.

Will nicht der Vermieter selbst in seine Wohnung einziehen, sondern ein Familienangehöriger des Vermieters, zählen zu den Familienangehörigen im Mietrecht die Eltern des Vermieters, seine Kinder und seine Geschwister. Familienangehörige sind auch solche Personen, denen gegenüber der Vermieter rechtlich oder moralisch zu einer Unterhaltsgewährung oder sonstiger Fürsorge verpflichtet ist. Nichten oder Neffen zählen ebenfalls zu den Familienangehörigen im Sinne von § 573 BGB. Kündigt der Vermieter, weil er die Wohnung für den Schwager braucht, ist die Eigenbedarfskündigung dagegen nur zulässig, wenn zwischen Vermieter und Schwager ein besonders enger Kontakt besteht.

Täuscht der Vermieter den Kündigungsgrund „Eigenbedarf“ vor, indem er z.B. einen nahen Verwandten vorübergehend zum Schein in die gekündigte Wohnung einziehen lässt, ist er dem Mieter zum Ausgleich aller mittelbaren und unmittelbaren Schäden verpflichtet. Ist streitig, ob der Kündigungsgrund im Zeitpunkt der Kündigung bestanden hat, liegt die Beweislast beim Mieter. Den Mieter trifft im Schadensersatzprozess die volle Beweislast dafür, dass der Nutzungswunsch des Vermieters nicht wie angegeben bestanden hat. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass den Vermieter die volle Beweislast im Räumungsprozess für den Kündigungsgrund trifft. Der Vermieter muss dem Mieter z. B. folgende Schäden ersetzen:

-die Belastung durch höhere Miete für die neue Wohnung, soweit der Nutzungswert der neuen Wohnung nicht höher ist als der Nutzungswert der früheren Wohnung,

-die Umzugskosten,

-Kosten für den Ausbau, Einbau und Umbau der Küchenmöblierung,

-den zusätzlichen Aufwand beim Umzug für das Einpacken der Gegenstände, das Herrichten der neuen Wohnung und den Zeitaufwand für den Erwerb notwendiger neuer Gegenstände.

Sogar Detektivkosten, die erforderlich waren, um dem Vermieter den Betrug nachzuweisen, sind erstattungspflichtig.

Eine Eigenbedarfskündigung kann auch dann vorgeschoben sein, wenn ein Vermieter seit längerem Verkaufsabsichten hegt und der von ihm benannten Eigenbedarfsperson den Wohnraum in der Erwartung vermietet, diese im Falle eines gelingenden Verkaufs ohne Schwierigkeiten zum Auszug bewegen zu können. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Eigenbedarfsperson die Verkaufsabsichten des Vermieters kennt (BGH vom 10.05.2016, Az. VIII ZR 214/15).

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Henry Bach
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