Der Vorwurf des Drogenhandels zählt zu den schwerwiegendsten Anschuldigungen im Betäubungsmittelstrafrecht. Wer damit konfrontiert wird, steht schnell im Mittelpunkt umfangreicher Ermittlungen – häufig begleitet von Durchsuchungen, Telekommunikationsüberwachung oder sogar Untersuchungshaft.
Dabei geht es nicht nur um den reinen Besitz von Betäubungsmitteln, sondern um den Verdacht, mit Drogen in irgendeiner Form „gehandelt“ zu haben. Wegen der Schärfe staatlicher Strafverfolgung können kleine Details über Jahre der Freiheit entscheiden.
Doch was genau bedeutet „Handel“ im Sinne des Gesetzes? Welche Strafrahmen gelten – und wie kann man sich verteidigen, wenn plötzlich der Vorwurf im Raum steht, Teil eines Drogenhandels gewesen zu sein?
Was bedeutet Drogenhandel nach dem BtMG?
Der Begriff „Drogenhandel“ ist umgangssprachlich – im Gesetz selbst findet er sich in dieser Form nicht. Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) spricht stattdessen vom „Handeltreiben“ mit Betäubungsmitteln – geregelt in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG.
Definition und Abgrenzung zu Besitz oder Abgabe
„Handeltreiben“ wird in der Rechtsprechung bewusst weit ausgelegt. Gemeint ist jedes absatzgerichtete Verhalten – selbst wenn es nie zu einer Übergabe kommt. Es genügt also bereits die bloße Anbahnung eines Geschäfts, etwa durch das Vermitteln eines Kontakts oder durch Preisverhandlungen mit einem potenziellen Käufer.
Entscheidend ist nicht, ob der Beschuldigte selbst im Besitz der Drogen war – auch wer nur als Vermittler auftritt oder logistische Hilfe leistet, kann als Handelnder gelten. Der Unterschied zum bloßen Besitz liegt im „absatzgerichteten Handeln“ – das heißt: Wer etwa Kokain vorrätig hält, um es später weiterzugeben, handelt bereits mit Betäubungsmitteln.
Welche Rolle spielt die „nicht geringe Menge“?
Eine entscheidende Rolle spielt im BtMG die sogenannte „nicht geringe Menge“. Wird mit einer solchen Menge gehandelt, verschärft sich der Strafrahmen drastisch – von Geld- oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren (§ 29 BtMG) hin zu Freiheitsstrafen von mindestens einem Jahr (§ 29a BtMG). Die Schwelle zur „nicht geringen Menge“ ist dabei gesetzlich nicht pauschal definiert, sondern ergibt sich aus der Kombination von Wirkstoffgehalt und Rauschmitteltyp – z. B.:
- Cannabis (THC): ab ca. 7,5 g THC (je nach Bundesland)
- Kokain: ab ca. 5 g Kokainbasis
- Heroin: ab ca. 1,5 g Heroinhydrochlorid
- Amphetamin: ab ca. 10 g Amphetaminbase
Wer mit solchen Mengen handelt – oder sie auch nur vorbereitet –, rutscht schnell in einen Bereich, der nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wird. Umso wichtiger ist eine genaue Überprüfung der Wirkstoffmenge und Laboranalysen.
Welche Strafen drohen beim Drogenhandel?
Die Strafandrohung für Drogenhandel richtet sich nach Art, Menge und konkreter Tatbegehung. Während § 29 BtMG eher geringere Delikte erfasst – etwa die einfache Weitergabe oder das einmalige Handeltreiben mit geringen Mengen –, sieht § 29a BtMG bereits eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe vor. Und mit § 30 und § 30a BtMG werden besonders schwere Fälle mit Mindeststrafen von zwei oder fünf Jahren belegt.
Einfache Fälle nach § 29 BtMG
Der „normale“ Drogenhandel fällt in der Regel unter § 29 Abs. 1 BtMG. Hier drohen:
- Geldstrafe oder
- Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren
Beispiele: Verkauf kleiner Mengen Cannabis, gelegentlicher Handel ohne Gewinnabsicht, erstmaliges Vergehen ohne Vorstrafen.
In solchen Fällen kann – insbesondere bei Ersttätern – noch mit einer Einstellung oder Bewährungsstrafe gerechnet werden, vorausgesetzt, es bestehen keine erschwerenden Umstände.
Schwere Fälle – § 29a bis § 30a BtMG
Anders sieht es aus, wenn die Schwelle zur nicht geringen Menge überschritten ist oder zusätzliche Umstände hinzutreten:
- § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG: Handeltreiben mit nicht geringer Menge → mindestens 1 Jahr Freiheitsstrafe
- § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG: Mitwirkung mehrerer Personen („bandenmäßiger Handel“) → mindestens 2 Jahre
- § 30a Abs. 1 BtMG: Handeln unter Waffenbesitz → mindestens 5 Jahre
Bei Tatvarianten wie banden- oder bewaffnetem Handel drohen lange Haftstrafen – auch bei Geständnis oder Kooperation.
Warum auch kleine Mengen gefährlich werden können
Nicht nur große Drogenmengen sind gefährlich: Auch bei kleineren Mengen kann die Einordnung als gewerbsmäßig oder bandenmäßig erfolgen – etwa, wenn die Polizei mehrere Einzeltaten zusammenträgt, eine organisierte Struktur unterstellt oder vom Gewinnstreben ausgeht.
Besondere Tatvarianten mit erhöhter Strafandrohung
Im Betäubungsmittelstrafrecht entscheidet nicht nur die Menge der Drogen über das Strafmaß – sondern auch das „Wie“ des Handels. Bestimmte Konstellationen wie der gewerbsmäßige, bandenmäßige oder bewaffnete Drogenhandel führen zu drastischen Strafverschärfungen. Besonders im Ermittlungsverfahren wird oft vorschnell in diese Kategorien eingeordnet – mit fatalen Folgen für die Beschuldigten.
Gewerbsmäßiger Drogenhandel
Von „gewerbsmäßig“ spricht man, wenn sich jemand durch wiederholte Taten eine dauerhafte Einnahmequelle von einigem Umfang verschaffen will (§ 29 Abs. 3 BtMG). Bereits wenige Verkaufsvorgänge – etwa bei regelmäßigem Weiterverkauf von Cannabis oder Kokain – genügen, um den Straftatbestand zu erfüllen.
- Strafrahmen: 1 bis 15 Jahre Freiheitsstrafe (§ 29a BtMG)
- Keine Rolle spielt, ob tatsächlich ein großer Gewinn erzielt wurde – es genügt die Absicht.
- Selbst Kleindealer rutschen so schnell in einen verschärften Strafrahmen.
In der Praxis erleben wir häufig, dass Ermittler aus sichergestellten Chatverläufen oder Kontoauszügen auf ein „gewerbliches Handeln“ schließen – obwohl der Kontext oft fraglich oder interpretationsbedürftig ist.
Bandenmäßiger Drogenhandel
Noch schwerer wiegt der Vorwurf des „bandenmäßigen Handels“ (§ 30 BtMG). Eine Bande ist ein Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die sich zur Begehung mehrerer Taten verbunden haben. Es muss nicht jeder Beteiligte aktiv am Verkauf beteiligt sein – auch logistische Unterstützer können erfasst sein.
- Strafrahmen: mindestens 2 Jahre Freiheitsstrafe (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG)
- Typisch ist die Anwendung bei Gruppen von Freunden, Wohngemeinschaften oder digital vernetzten Personen.
- Problematisch: Schon lose Absprachen können von der Justiz als „Bande“ gedeutet werden.
Hier ist eine exakte juristische Prüfung der Gruppenkonstellation bedeutend, um der Gefahr einer überhöhten Einstufung zu begegnen.
Bewaffneter Drogenhandel
Die schärfste Variante ist der bewaffnete Drogenhandel (§ 30a BtMG). Bereits das Zugriffsrisiko auf eine Waffe beim Handeltreiben genügt – selbst wenn die Waffe nicht eingesetzt oder sichtbar mitgeführt wurde.
- Strafrahmen: mindestens 5 Jahre Freiheitsstrafe
- Relevanz schon bei legal besessenen Schreckschusswaffen oder Messern
- Auch „Aufbewahrung in Griffnähe“ (z. B. Nachttisch, Auto) kann genügen
In der Praxis sind Mandanten oft überrascht, wie niedrig die Schwelle liegt: Es braucht keine schussbereite Pistole – ein legal besessener Gegenstand, den man theoretisch hätte einsetzen können, reicht oft schon für die Annahme eines „bewaffneten Handeltreibens“.
Wie wird Drogenhandel nachgewiesen?
Ein Vorwurf wegen Drogenhandels basiert selten auf einem direkten Beweis. In vielen Fällen handelt es sich um ein Puzzle aus Indizien, Aussagen und technischen Auswertungen. Im Betäubungsmittelstrafrecht dominieren i.d.R. technische Spuren, Kommunikationsanalysen und Aufgriffssituationen.
Aussagen von Mitbeschuldigten oder Zeugen
Häufiger Ausgangspunkt ist die belastende Aussage eines Mitangeklagten oder Zeugen – etwa im Rahmen eines eigenen Strafverfahrens. Dabei gilt:
- Aussagen unter Druck oder im Austausch für Strafmilderung sind kritisch zu hinterfragen.
- Die Verteidigung muss prüfen, ob die Aussagen konsistent, eigenständig und widerspruchsfrei sind – oder möglicherweise rein strategisch motiviert.
Vor allem im Jugend- und Heranwachsendenstrafrecht versuchen Beschuldigte nicht selten, sich durch belastende Aussagen über andere zu entlasten – eine sogenannte Aufklärungshilfe, im Szenejargon auch als „31er“ bekannt – mit teils gravierenden Folgen für unbeteiligte Dritte.
Auswertung digitaler Kommunikation
WhatsApp-Chats, Telegram-Nachrichten oder Instagram-DMs gelten als moderne „Tatorte“. In vielen Ermittlungsverfahren bildet die digitale Kommunikation den Kern des Vorwurfs.
- Ein einzelner Chatverlauf wird schnell als Beleg für „gewerbsmäßigen Handel“ gedeutet.
- Emojis und Kürzel („Gras“, „Tüte“) werden schnell als Drogen-Code gewertet – oft voreilig.
Wichtig: Die reine Existenz eines Chats sagt noch nichts über Besitz, Übergabe oder Intention aus. Der Kontext ist entscheidend – und genau hier setzt eine fundierte Verteidigung an.
Klassische Beweismittel: Bargeld, Verpackungsmaterial, Feinwaagen
Oft werden bei Durchsuchungen typische „szenetypische Gegenstände“ sichergestellt:
- große Mengen Bargeld in kleinen Scheinen
- kleine Zip-Beutel
- Feinwaagen
- Reste oder Spuren von Betäubungsmitteln
Auch hier gilt: Diese Indizien können belastend sein – müssen es aber nicht. Viele dieser Gegenstände sind auch im Alltag gebräuchlich. Die Verteidigung prüft, ob die Gesamtwürdigung der Polizei wirklich tragfähig ist – oder auf bloßen Annahmen beruht.
Verteidigungsmöglichkeiten im Drogenstrafverfahren
Gerade im Bereich des Drogenhandels ist die Verteidigung von Beginn an entscheidend – denn wer zu spät oder unüberlegt reagiert, macht es der Strafverfolgung unnötig leicht: Aussagekonstellationen, fragwürdige Durchsuchungsbeschlüsse, Verwertung von Chats, vermeintliche „Geständnisse“ im Polizeiverhör – all das verlangt nach strategischer Präzision.
Aussage bei der Polizei? Warum Schweigen oft die beste Verteidigung ist.
Viele Beschuldigte reagieren auf eine Vorladung überstürzt – und begehen den entscheidenden Fehler: Sie sagen unvorbereitet aus.
Im Betäubungsmittelstrafrecht zeigt die Erfahrung:
- Viele Ermittlungsverfahren beruhen zunächst nur auf vagen Verdachtsmomenten oder Indizien.
- Erst durch eigene Aussagen liefern Beschuldigte den Behörden die Informationen, die für eine Anklage oder eine hohe Strafe erforderlich sind.
- Wer „nur ehrlich sein“ will, gesteht oft viel mehr, als die Polizei überhaupt wusste.
Ein klassisches Beispiel: Der Vorwurf bezieht sich auf eine einzelne Bestellung. In der Vernehmung sagt der Beschuldigte „aus Gewohnheit“, dass er „seit Jahren regelmäßig konsumiert und mit Freunden bestellt“. Aus einer Einzeltat wird plötzlich ein systematisches Verhalten – mit weitreichenden Folgen für Strafmaß, Führungszeugnis und Fahrerlaubnis.
Deshalb gilt: Keine Aussage ohne anwaltliche Rücksprache. Die Verteidigung muss zunächst Akteneinsicht beantragen, bevor überhaupt entschieden werden kann, ob eine Einlassung sinnvoll ist – oder ob besser geschwiegen wird.
Erfolgschancen bei Aussage gegen Aussage im BtM-Strafrecht
Auch im Betäubungsmittelstrafrecht gibt es Konstellationen, in denen Aussage gegen Aussage steht – etwa wenn ein Mitbeschuldigter belastet oder eine Vertrauensperson der Polizei Informationen liefert. Solche Aussagen sind jedoch häufig taktisch motiviert, um eigene Vorteile zu erlangen – etwa Strafmilderung oder Haftverschonung.
Die Verteidigung muss hier besonders kritisch prüfen:
- Wie glaubhaft ist die belastende Aussage wirklich?
- Gibt es objektive Anhaltspunkte, die sie stützen – oder widerlegen?
- Hat die Aussageperson ein eigenes Interesse an einer Belastung?
Erfahrene Verteidiger wissen: Gerade in solchen Konstellationen ist die Glaubhaftigkeitsanalyse entscheidend. Wer Aussage gegen Aussage nicht nur psychologisch, sondern auch strategisch durchdringt, kann Zweifel säen – und damit die Grundlage für einen Freispruch oder eine Einstellung schaffen.
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