Arbeitsrecht

Durch „Gesamthafenbetrieb“ keine unzulässige Leiharbeit

Zuletzt bearbeitet am: 23.02.2024

Erfurt. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) gilt nicht für „Gesamthafenbetriebe“ in Häfen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in drei Urteilen vom Freitag, 14. Oktober 2022 (Az.: 9 AZR 476/21 u. a.) entschieden. Das Gesamthafenbetriebsgesetz habe als Spezialgesetz Vorrang. Die Anwendung des AÜG würde dessen Ziel unterlaufen, dauerhafte Arbeitsplätze in den Häfen zu schaffen.

Leiharbeitnehmer sind üblicherweise durch die Vorschriften des AÜG geschützt. Leihunternehmen benötigen zum Beispiel eine Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit, und die Dauer des Verleihs in einem Unternehmen ist in der Regel auf 18 Monate begrenzt. Ist eine der Voraussetzungen nicht erfüllt, begründet dies ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit dem Entleihbetrieb.

In den Häfen wurden schon viel früher Regelungen geschaffen, um Hafenarbeitern, die zuvor oft als Tagelöhner beschäftigt waren, längerfristige Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten. Bereits um 1900 wurde in Hamburg der erste „Gesamthafenbetrieb“ Deutschlands gegründet. 1950 regelte das Gesamthafenbetriebsgesetz dies.

Danach können Arbeitgeber und Gewerkschaften einen Gesamthafenbetrieb durch Vereinbarung als „besondere Arbeitgeber“ bilden. Dieser übernimmt teilweise die Rolle des Arbeitgebers, insbesondere für kleiner Hafenbetriebe, und weist Arbeiter den Betrieben zu. Bei den einzelnen beteiligten Unternehmen muss so selbst nur eine kleinere Stammbelegschaft beschäftigt werden, Entlassungen oder Befristungen aufgrund stark schwankender Auftragslage kann so vermieden werden.

Die Kläger waren jeweils über 18 Monate an einem Terminal in Bremerhaven tätig. Sie betrachteten die Zuweisung durch den Gesamthafenbetrieb als Arbeitnehmerüberlassung, wofür dem Gesamthafenbetrieb die Erlaubnis fehle. Zudem sei die Höchst-Überlassungsdauer des AÜG überschritten. Damit bestünde nun ein Anspruch auf eine Festanstellung im Unternehmen in Bremerhaven.

Dem ist das BAG aber ebenso wie die Vorinstanzen nicht gefolgt. Das AÜG und das Gesamthafenbetriebsgesetz seien gleichrangige Bundesgesetze. In den Häfen habe das Gesamthafenbetriebsgesetz als Spezialgesetz Vorrang. Daher fänden der Erlaubnisvorbehalt und andere Regelungen des AÜG auf die Gesamthafenbetriebe keine Anwendung.

Bei beiden Gesetzen sei der Schutz der Arbeitnehmer das Ziel. Der Gesetzgeber habe dies für die Häfen bewusst getrennt geregelt. Laut BAG-Urteil vom 5. Juli 2022 sei ein Übergang der (wie hier geforderten) Arbeitsverhältnisse vom Gesamthafenbetrieb auf Einzelbetriebe dem Erreichen des Ziels eines dauerhaften Arbeitsverhältnisses eher schädlich.

Darüber hinaus betonten die Richter in Erfurt, dass auch Gesamthafenbetriebe nicht ohne Kontrolle sind, da die ihnen zugrunde liegenden Vereinbarungen von der Arbeitsbehörde des jeweiligen Bundeslandes genehmigt werden müsse. Dies könne jederzeit widerrufen werden. Sofern Gesamthafenbetriebe eine Arbeitsvermittlung betreiben, werde dies von der Bundesagentur für Arbeit beaufsichtigt.

Quelle: © Fachanwalt.de

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