Arbeitsrecht

Duschen als Arbeitszeit

Zuletzt bearbeitet am: 14.11.2023

Nürnberg (jur). Das Waschen oder auch Duschen nach der Arbeit kann Arbeitszeit sein. Dafür reicht es aus, wenn die Verschmutzung durch die Arbeit „deutlich über das Maß hinausgeht, das üblicherweise im Privatleben anfällt“, wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg in einem inzwischen schriftlich veröffentlichten Urteil vom 6. Juni 2023 entschied (Az.: 7 Sa 275/22). „Es kommt hier nicht darauf an, dass die Verschmutzung des Körpers es unzumutbar macht, den Betrieb ohne Duschen zu verlassen.“ 

Damit gab das LAG der Klage eines Containermechanikers aus dem Raum Nürnberg teilweise statt. Zu seinen Aufgaben gehören das Abschleifen rostiger und schadhafter Stellen an Transportcontainern und eine anschließende Nachlackierung. Dabei nutzt er die vom Arbeitgeber gestellte Arbeitskleidung und kann auch Handschuhe, Schutzbrille sowie eine Atemmaske tragen. Dennoch wird er dabei sehr schmutzig und muss sich waschen oder duschen, bevor er nach Hause geht. 

Dabei bezahlte der Arbeitgeber bislang weder die Umkleidezeiten noch das Waschen oder Duschen und auch nicht die Wegezeiten von der Umkleide zum Arbeitsplatz. Hierfür verlangte der Containermechaniker für die Zeit ab Januar 2017 eine Nachzahlung von mehr als 20.000 Euro. 

Das LAG Nürnberg gab dem Kläger nun inhaltlich im Kern recht, sprach ihm aber nur knapp 2.400 Euro plus Zinsen für einen Zeitraum von knapp 20 Monaten zu. Ansprüche für die Zeit vor Juni 2020 seien wegen der arbeitsvertraglich vereinbarten Verfallsfrist erloschen. 

Zu den Umkleidezeiten stützte sich das LAG auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt. Hier habe der Arbeitgeber das Tragen der Arbeitskleidung angeordnet und für das Umziehen einen Raum zur Verfügung gestellt. Daher gehöre es zur Arbeitszeit. Die hierfür notwendige Zeit prüfte der vorsitzende Richter in einem „Selbstversuch“; die ehrenamtlichen Richter stoppten übereinstimmend vier Minuten. Ebenfalls vergüten muss der Arbeitgeber laut LAG die erforderlichen Wegezeiten von der Umkleide zum Arbeitsplatz und zurück. 

Inwieweit auch das Waschen oder Duschen nach der Arbeit als Arbeitszeit gelten kann, hat das BAG bislang noch nicht entschieden. Das LAG Nürnberg wandte daher die Rechtsprechung zu den Umkleidezeiten entsprechend an. 

Danach gehöre das Waschen, wie es üblich auch im Privatleben erforderlich wird, nicht zur Arbeitszeit. Anders sei es aber bei einer Reinigungszeit, „die aufgewendet werden muss, weil die Verunreinigung des Körpers deutlich über das Maß hinausgeht, das üblicherweise im Privatleben anfällt“. Das sei hier der Fall. 

Zwar seien tariflich abweichende Regelungen zulässig, solche bestünden hier aber nicht. Ob es trotzdem noch zumutbar wäre, den Betrieb ohne vorheriges Duschen zu verlassen, spiele dagegen keine Rolle, heißt es in dem Nürnberger Urteil. Gleiches gelte für die Frage, ob die Körperreinigung aus Gründen des Arbeitsschutzes erforderlich ist. 

Ob sich der Containermechaniker nach der Arbeit duscht oder am Waschbecken wäscht, ergibt nach Ansicht des LAG keinen großen Unterschied, weil er sich ohnehin umziehen müsse. Nach dem Nürnberger Urteil muss der Arbeitgeber arbeitstäglich insgesamt 21 Minuten für das Umkleiden, Waschen und für Wege vergüten. Hiergegen ließ das LAG aber die Revision zum BAG zu. 

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik:© fotomek - stock.adobe.com

Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Arbeitsrecht Corona-Pandemie kein Grund für verlängerten Urlaub von Lehrerin

Schleswig (jur). Eine verbeamtete Lehrerin darf auch wegen fortschreitender Corona-Pandemie nicht einfach ihren Urlaub auf Sri Lanka verlängern. Dies hat das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Schleswig in einem am Donnerstag, 9. November 2023, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag entschieden und damit die Entfernung der klagenden Lehrerin aus dem Dienst als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme bestätigt (Az.: 14 LB 3/23).  Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts Schleswig hatte die Lehrerin befürchtet, dass sie wegen der fortschreitenden Corona-Pandemie ihren Urlaub in Sri Lanka nicht mehr antreten kann. Sie flog daher noch vor Beginn der ... weiter lesen

Arbeitsrecht Bei Materialmitnahme aus dem Betrieb besser Fragen

Erfurt (jur). Wenn ein Arbeitgeber es manchmal erlaubt oder duldet, dass Mitarbeiter Material aus dem Betrieb mitnehmen, ohne dass es dafür klare Regeln gibt, dann sollten Beschäftigte besser fragen. Denn ohne klare Regeln gibt es auch keine klare Erlaubnis, betonte das Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG) in Erfurt in einem inzwischen schriftlich veröffentlichten Urteil vom 19. April 2023 (Az.: 4 Sa 287/21). Danach reichte im Streitfall die Mitnahme von zwei Silikontuben für eine Kündigung aus.   Der Kläger ist Bautischler und arbeitete in einer Schreinerei. Er hatte einen Arbeitskollegen gebeten, ihm zwei Tuben Silikon aus einem Schrank zu geben. Diese steckte er ... weiter lesen

Arbeitsrecht Arbeitgeber darf mit Dienstplan nicht Entgeltfortzahlung umgehen

Chemnitz (jur). Weist eine Arbeitnehmerin wegen einer bevorstehenden Operation auf eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit hin, darf der Arbeitgeber bei der Planung von Arbeitsschichten nicht das Recht auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall umgehen. Wurde die Beschäftigte während ihrer Krankschreibung nicht in die sonst üblichen Schichten eingeteilt, kann der Arbeitgeber für den entgangenen Lohn zu Schadenersatz verpflichtet sein, entschied das Sächsische Landesarbeitsgericht (LAG) in einem in Chemnitz kürzlich veröffentlichten Urteil vom 8. September 2023 (Az.: 2 Sa 197/22).  Die Klägerin arbeitete im Schichtdienst im Bereich der ambulanten Pflege und ... weiter lesen

Arbeitsrecht Arbeitszeugnis muss nicht vollständig auf Firmenpapier gedruckt sein

Köln (jur). Aus einem Unternehmen ausscheidende Arbeitnehmer können nicht ein vollständig auf Geschäftspapier verfasstes Arbeitszeugnis verlangen. Verwendet die Arbeitgeberin in der Korrespondenz mit Dritten nur für die erste Seite das Geschäftspapier, muss auch nur die erste Seite des Arbeitszeugnisses mit dem Briefpapier des Unternehmens ausgestellt werden, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 12. September 2023 (Az.: 4 Sa 12/23).  Der Kläger war zuletzt als operativer Niederlassungsleiter eines Speditionsunternehmens angestellt. In einem Zwischenzeugnis vom 30. April 2019 bescheinigte ihm die ... weiter lesen

Ihre Spezialisten