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Ehepartner in der Insolvenzfalle: Wann Tilgungsleistungen zum Eigenheim rückgefordert werden können

Mit Urteil vom 10. Juli 2025 (Az. IX ZR 108/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine praxisrelevante Klärung für Fälle gemeinsamer Immobilienfinanzierung durch Ehegatten getroffen, bei denen nur ein Partner die Kreditraten zahlt. Das Urteil betrifft nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmer und Selbstständige, die ihr Familienvermögen vor insolvenzrechtlichen Rückforderungen schützen möchten.

Die Unterscheidung zwischen Zins- und Tilgungsleistungen

Zentrales Element der Entscheidung ist die Aufspaltung der monatlichen Kreditrate in Zinsanteil und Tilgungsanteil. Diese Differenzierung entscheidet darüber, ob der Insolvenzverwalter Zahlungen vom nicht zahlenden Ehepartner, das ist jener der die Zahlungen nicht geleistet hat, aber den Vermögensvorteil (Befreiung von Schulden und lastenfreies Eigentum) erlangt, zurückfordern darf. Der BGH stellt klar:

  • Zinszahlungen sind entgeltliche Leistungen. Sie dienen der Deckung des laufenden Wohnbedarfs und erfüllen damit die gesetzliche Unterhaltspflicht nach §§ 1360, 1360a BGB. Weil eine gesetzliche Schuld erfüllt wird, ist eine Insolvenzanfechtung ausgeschlossen.
  • Tilgungsleistungen gelten dagegen als unentgeltliche Leistungen im Sinne von § 134 InsO. Sie reduzieren die Darlehensschuld und führen zu lastenfreiem Eigentum des anderen Ehegatten – ohne dass dieser eine rechtlich relevante Gegenleistung erbringt.

Tilgung als anfechtbare „unentgeltliche Zuwendung“

Der Insolvenzverwalter kann folglich die Hälfte der vom insolventen Ehepartner erbrachten Tilgungsanteile für den Miteigentumsanteil des anderen zurückfordern – und zwar für Zahlungen innerhalb von vier Jahren vor Insolvenzantragstellung (§ 134 InsO).
Der BGH begründet dies mit zwei Vermögenseffekten:

  1. Vermögensbildung: Tilgungszahlungen erhöhen unmittelbar das Vermögen des anderen Ehegatten durch lastenfreies Eigentum.
  2. Befreiung von der Mithaftung: Jede Tilgungszahlung befreit den anderen Ehepartner anteilig von seiner persönlichen Schuld gegenüber der Bank.

Auch interne eheliche Vereinbarungen oder Befreiungsansprüche ändern daran nichts. Der BGH wertet solche Regelungen als ehebedingte Zuwendung, die keinen Schutz vor Insolvenzanfechtung bietet.

Haushaltsführung ist keine Gegenleistung

Das Argument, Haushaltsführung oder Kinderbetreuung stellten eine Gegenleistung für die Tilgungszahlungen dar, ließ der BGH nicht gelten. Diese Tätigkeiten erfüllen bereits die eigene Unterhaltspflicht (§ 1360 BGB) und können daher nicht zusätzlich als Entgelt für Vermögensbildung dienen. Das Insolvenzrecht schützt den laufenden Familienunterhalt – nicht den Vermögensaufbau zulasten der Gläubiger.

Risikomanagement: So vermeiden Ehepaare die Insolvenzanfechtung von Tilgungsleistungen

Die Entscheidung verschärft die Lage für Ehepaare, in denen ein Partner allein für die Kreditraten aufkommt. Besonders Selbstständige und Unternehmer sollten ihre Finanzierungsmodelle prüfen und vorsorglich dokumentieren, dass keine unentgeltlichen Zuwendungen vorliegen.

Exkurs: anfechtbare unentgeltliche Zuwendung

Eine „anfechtbare unentgeltliche Zuwendung“ ist jede Vermögensübertragung ohne Gegenleistung, die Gläubiger benachteiligt und deshalb vom Insolvenzverwalter innerhalb von vier Jahren rückgängig gemacht werden kann.

Praxis-Tipp: Darlehensvertrag zwischen Ehepartnern

Zur Minimierung des Anfechtungsrisikos sollten Tilgungsanteile, die über den eigenen Anteil hinausgehen, als Darlehen und nicht als Schenkung behandelt werden. Empfehlenswert ist ein schriftlicher Darlehensvertrag, der Folgendes festhält:

  • Schriftform: Mündliche Absprachen sind im Insolvenzverfahren kaum beweisbar.
  • Verzinsung: Eine marktübliche Verzinsung unterstreicht den entgeltlichen Charakter.
  • Rückzahlungsmodalitäten: Klare Bedingungen, etwa Rückzahlung bei Verkauf der Immobilie oder im Scheidungsfall.

Eine solche Dokumentation dient im Streitfall als entscheidender Beweis, dass keine unentgeltliche Leistung erfolgt ist.

Zusammenfassung

Das BGH-Urteil vom 10. Juli 2025 (IX ZR 108/24) bekräftigt die strikte Trennung von Familienunterhalt und Vermögensbildung im Insolvenzrecht. Während Zinszahlungen als Unterhalt geschützt sind, gelten Tilgungsleistungen, die das Vermögen des anderen Ehegatten mehren, als anfechtbare unentgeltliche Zuwendungen. Für Ehepaare mit einseitiger Finanzierungsverantwortung ist dieses Urteil ein dringender Hinweis, ihre vertraglichen Regelungen zu überprüfen und durch klare Darlehensvereinbarungen das Familienvermögen rechtssicher zu schützen.

Symbolgrafik:© nmann77 - stock.adobe.com

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