Arbeitsrecht

Eigene Coronasymptome muss Chef ernst nehmen

Zuletzt bearbeitet am: 31.01.2024

München. Inmitten der Coronavirus-Pandemie müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern gegenüber verantwortungsbewusst handeln und eigene Symptome ernst nehmen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) in München hat am Dienstag, 15.03.2022, in einem Urteil entschieden, dass ein Chef für die Folgen haften kann, wenn er trotz seiner Erkältungssymptome wiederholt eine Mitarbeiterin im Auto mitnimmt (Az.: 4 Sa 457/21). Im streitigen Fall muss der Arbeitgeber danach für die Kosten einer abgesagten Hochzeit aufkommen.

Der Geschäftsführer der Hausverwaltung kehrte im August 2020 mit Erkältungssymptomen aus Italien zurück. Mit einer Immobilienwirten, die in der Firma angestellt ist, fuhr er am 18. und 20. August 2020 zusammen zu mehreren Eigentümerversammlungen. Jede Fahrt dauerte mehr als eine Viertelstunde, zweimal sogar eine halbe Stunde.

Seine Frau wurde am 20. August positiv auf das neue Coronavirus getestet, der Geschäftsführer selber am 24. August. Vom Gesundheitsamt wurde die Immobilienwirtin als „Kontaktperson 1“ eingestuft und einer Quarantäne bis zum 3. September 2020 angeordnet.

Infolgedessen musste die Immobilienwirtin ihre für den 29. August 2020 geplante kirchliche Trauung und anschließende Hochzeitsfeier absagen. Der Saal, die Band, das Catering und Weiteres mussten storniert werden. Der geplante Beginn der Hochzeitsreise wurde auf den 4. September um einen Tag verschoben. Die Immobilienwirtin forderte 5.113 Euro für die Stornierungen und Umbuchungen.

Vom Arbeitsgericht Regensburg wurde dem Anspruch in Höhe von 4.916 Euro stattgegeben. Vom LAG wurde dies nun auch bestätigt.

Die Richter in München erklärten zur Begründung, dass der Geschäftsführer seine Fürsorgepflicht der Firma gegenüber seiner Mitarbeiterin verletzt habe. Obwohl er vermeintliche Erkältungssymptome hatte, sei er mehrmals über eine längere Zeitspanne mit ihr im Auto gefahren, beide trugen keine Maske. Das sei nach den damals geltenden Hygienevorschriften bereits allein aufgrund des allgemeinen Abstandsgebots nicht zulässig gewesen. Mit seinen Symptomen habe er nicht einmal zur Arbeit kommen dürfen.

Das Lag führte weiter aus, dass diese Pflichtverletzung auch „ursächlich für den entstandenen Schaden“ gewesen sei. Die Fahrten mit dem Auto hätten innerhalb der Inkubationszeit der Corona-Erkrankung gelegen. Wenn der Geschäftsführer nicht im Büro erschienen wäre oder zumindest durch getrennte Autofahrten den nötigen Abstand zur Klägerin gewahrt hätte, wäre die Quarantäneanordnung gegen die Klägerin nicht ergangen und die geplante Hochzeitsfeier hätte durchgeführt werden können.

Der Immobilienwirtin ist kein Mitverschulden vorzuwerfen. Im nun schriftlich veröffentlichten Urteil vom 14. Februar 2022 wird ausgeführt, dass es von der Klägerin nicht erwartet werden können, dass sie von ihrem Vorgesetzten verlange, ein zweites Fahrzeug zu nutzen. Dies käme einem Hinweis gegenüber dem Vorgesetzten gleich, dass sein eigener Gesundheitszustand von ihm nicht ausreichend beachtet und nicht angemessen darauf reagiert werde. Ein derartiges Verhalten sei schwer vorstellbar.

Quelle: © Fachanwalt.de

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