Bankrecht und Kapitalmarktrecht

Ein Fall von Onlinebetrug und Bankenversagen – Ami Solutions

Zuletzt bearbeitet am: 14.11.2024

Eine perfide Masche: Peter Maffay als Lockvogel

Bekanntermaßen haben Kulturschaffende zur Zeit der Corona-Krise viele Einschränkungen in ihrer Arbeit erlebt. Wie konnten sie diese Zeit finanziell überstehen? Eine interessante Antwort darauf gab ein Video im Internet, das ein angebliches Interview der Tagesschau mit Peter Maffay zeigte. In diesem vermeintlichen Interview erklärte der Künstler, wie er während der Corona-Krise an Geld gekommen ist, um die mangelnden Einnahmen infolge der Auftrittsverbote abzufedern und diese schwierige Zeit wirtschaftlich gut zu überstehen. Die Lösung: Der Musiker soll bei der Handelsplattform Ami Solutions Geld angelegt und damit ein lukratives Geschäft gemacht haben.

Unser Mandant hatte das Video gesehen und fand es glaubwürdig. Das Interesse war geweckt, und wie praktisch, dass unter dem besagten Interview auch noch ein spannendes Angebot verlinkt war: Mit nur 250 Euro Einsatz ein Handelskonto bei der Ami Solutions eröffnen. Nach einigem Abwägen kam unser Mandant zu dem Schluss, dass diese Summe ein relativ geringer Verlust sein würde. Er ging das Risiko ein und eröffnete ein Handelskonto.

Ein erster Erfolg und das böse Erwachen 

Damit das Handelskonto nun auch freigeschaltet werden konnte, benötigte man einige sensible Daten des Mandanten: die Angabe der Berufszugehörigkeit, eine Kopie des Personalausweises, eine Video-Verifizierung und einen Kontoauszug des laufenden Girokontos. Gesagt, getan. Die Begründung erschien unserem Mandanten plausibel; immerhin sollten diese Schritte ja der Sicherheit und Integrität der Handelsplattform dienen. Weiterhin begründete Ami Solutions das Vorgehen mit einer gesetzlichen Pflicht zur Identitätsprüfung der Kunden, um Geldwäsche, Betrug und sonstige illegale Aktivitäten zu verhindern.

Schließlich wurde ihm eine persönliche Finanzberaterin und Trading Account Managerin an die Seite gestellt. Mit einem ersten erfolgreichen Probegeschäft wurde der Mandant geködert; das Interesse an weiteren Geschäften mit dem Handelskonto wurde geweckt. Am Telefon empfahl man ihm nun zur Gewinnmaximierung, weitere 3.000 Euro auf das Handelskonto einzuzahlen. Doch das Geld stand nicht zur Verfügung. Kein Problem, da die Ami Solutions auch hierfür eine Lösung parat hatte: einfach und risikofrei mit Fremdkapital von Handelspartnern agieren. Dafür bedürfte es jedoch noch einer weiteren Video-Identifizierung. Die Schilderungen am Telefon klangen glaubhaft. Der Mandant ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er einem Betrug zum Opfer gefallen war.

Inzwischen nutzten die Betrüger seine sensiblen Daten einschließlich der Videos, um hohe Kreditsummen bei mehreren Banken unter Angabe einer falschen Identität des Mandanten zu beantragen. Die Bank of Scotland und die Santander Bank überwiesen nach Eingang der Kreditanträge überraschend schnell jeweils eine Nettokreditsumme in Höhe von 30.000 Euro auf das Girokonto des Mandanten. Wie die Betrüger es von ihm gefordert hatten, überwies der Mandant daraufhin das Geld weiter an seine vermeintlichen Handelspartner.

In der Folge entstand beim Mandanten durch diesen Betrug ein Schaden in Höhe von 60.000,00 €. Die beteiligten Banken forderten von diesem die Rückzahlung der Darlehen aus den abgeschlossenen Kreditverträgen, während die vermeintlichen Handelspartner, an welche der Mandant das Geld bereits weiter überwiesen hatte, auf und davon waren.

Auffällige Unstimmigkeiten, vorschnelles Handeln und die Verantwortung der Banken

Es gibt mehrere Aspekte, die an dem Vorgehen der Banken hinsichtlich der Darlehensbewilligung zu monieren sind. Dabei ist festzuhalten, dass die Darlehen nie zustande gekommen wären, wenn die Banken ihren Pflichten sorgfältig nachgekommen wären. Zu diesen Pflichten gehören bei Verbraucherdarlehensverträgen im Sinne des Verbraucherschutzes nach § 491 ff. BGB diverse Erläuterungspflichten: Eine Bank muss rechtzeitig vor Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages in Textform über verschiedene Einzelheiten zum Darlehensvertrag informieren – doch solche Informationen hat der Mandant nie bekommen.

Außerdem sind Banken nach § 505a Abs. 1 BGB verpflichtet, die Kreditwürdigkeit eines möglichen Kreditnehmers zu überprüfen; dies beinhaltet,  daß sich die Bank notwendige und angemessene Informationen über Einnahmen und Ausgaben sowie weitere wirtschaftliche und finanzielle Umstände beschafft.

In diesem Fall lag jedoch nur ein einziger Online-Kontoauszug vom Girokonto des Mandanten vor – den er den Betrügern für die vermeintliche Aktivierung seines Handelskontos zukommen ließ. Ein einzelner Kontoauszug ist jedoch lange nicht ausreichend für eine seriöse Überprüfung der Kreditwürdigkeit eines Kreditnehmers; Außerdem konnte man diesem Kontoauszug sogar entnehmen, dass der Kunde nicht zahlungsfähig gewesen wäre, um die monatlichen Raten des Darlehens an die Bank zu überweisen. Hier ergibt sich ein Schadensersatzanspruch des Kunden nach § 505d Abs.2 BGB, wenn die Bank keine sorgfältige Kreditwürdigkeitsprüfung durchführt.

Dass keine rechtmäßige Überprüfung stattgefunden haben kann, lässt sich zudem daran erkennen, dass beide Banken innerhalb kürzester Zeit die Überweisungen der Kreditsummen umgesetzt haben: Die Bank of Scotland hatte beispielsweise binnen weniger Stunden die Überweisung veranlasst; sodass die Kreditsumme bereits am Folgetag nach dem  Kreditantrag auf dem Girokonto des Mandanten einging. In späteren Telefonaten des Mandanten mit den Banken, äußerten Mitarbeiter der Bank, dass man ohne weiteres aus den Kreditanträgen hätte sehen können, dass es sich hier um einen Betrug handelte.   

Widerrufsrecht & Entreicherung

Da dem Mandanten keine Abschriften von den Anträgen auf Darlehensabschluss sowie von den Kreditverträgen durch die Banken vorgelegt wurden – wie es bei einem Vertragsabschluss gesetzlich laut § 492 Abs. 3 S. 1 BGB vorgesehen ist –, war das Recht auf Widerruf noch nicht verfristet. Zudem beginnt die Frist für den Widerruf immer erst nach Vorlage einer Vertragsurkunde mit sämtlichen Pflichtangaben gemäß § 356b Abs. 1 BGB.

Weiterhin kann bezweifelt werden, dass mit den beteiligten Banken überhaupt Darlehensverträge zu Stande gekommen sind, weil der Mandant selbst die Kreditanträge nicht gestellt hatte und den Tätern auch keine Vollmacht zum Abschluss dieser Darlehensverträge erteilt hatte. Auch die Grundsätze einer Anscheinsvollmacht scheiden aus. Da die Kreditsummen, die auf das Girokonto des Mandanten eingingen, an die Betrüger als vermeintliche Handelspartner weitergeleitet wurden, bedeutet dies für den Mandanten, daß er sich nach § 818 Abs. 3 BGB auf Entreicherung berufen kann. 

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