Sozialrecht

Einkommensteuernachzahlung mindert nicht Arbeitslosengeld II

11.05.2023
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Zuletzt bearbeitet am: 23.03.2024

Chemnitz (jur). Erhalten Selbstständige aufstockende Arbeitslosengeld-II-Leistungen, können sie wegen einer Einkommensteuernachzahlung für vor dem Hilfebezug liegende Zeiträume nicht ihr Einkommen mindern und damit höhere Hilfeleistungen vom Jobcenter erhalten. Denn bei Einkommensteuernachzahlungen handelt es sich um „nicht erfasste Steuerschulden, die nicht vom Einkommen im Bewilligungszeitraum mindernd abzusetzen sind“, entschied das Sächsische Landessozialgericht (LSG) in einem am Dienstag, 9. Mai 2023, veröffentlichten Urteil. (Az.: L 7 AS 629/20). Die Chemnitzer Richter ließen wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu. 

Im konkreten Fall ging es um eine Familie aus dem Raum Leipzig, der von April 2012 bis 30. September 2012 zunächst vorläufig Hartz-IV-Leistungen bewilligt wurde. Die Mutter war arbeitslos, die drei Kinder gingen noch zur Schule. Der in der Bedarfsgemeinschaft lebende Partner der Frau war selbstständig im Bereich IT-Service tätig. Er erzielte im Streitzeitraum ein durchschnittliches Einkommen in Höhe von 1.853 Euro monatlich. 

Als 2015 die Einkünfte des Mannes endgültig vorlagen, lehnte das Jobcenter die zunächst vorläufig bewilligten Hartz-IV-Leistungen nun jedoch endgültig ab. Die Einkünfte seien höher gewesen, als zunächst angesetzt wurde. Die Behörde forderte insgesamt 5.423 Euro von der Familie zurück. 

Diese zog daraufhin vor Gericht. Der selbstständige Kläger verwies darauf, dass das Jobcenter eine von ihm im April 2012 geleistete Einkommensteuernachzahlung für das Jahr 2010 nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt hatte. Gleiches gelte für die private Altersvorsorge in Höhe von 100 Euro monatlich sowie für die im Juni und September 2012 geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von jeweils 422 Euro. 

Das Sozialgericht Leipzig gab dem Selbstständigen noch recht und urteilte unter anderem, dass durch den Abzug der Einkommensteuernachzahlung sich der Gewinn auf 7.431 Euro verringere, was einem monatlichen Einkommen von 1.238 Euro entspreche. 

Doch das LSG stellte in seinem Urteil vom 6. April 2023 fest, dass die Kläger von April bis 31. August 2012 nicht hilfebedürftig gewesen seien. Der selbstständige Kläger habe mit seinem Verdienst den Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft decken können. Lediglich für den Monat September habe ein Harz-IV-Anspruch bestanden. 

Zwar seien die privaten Altersvorsorgebeiträge, die freiwillige Arbeitslosenweiterversicherung, die Kfz-Haftpflichtversicherung und die Einkommensteuervorauszahlungen einkommensmindernd anzurechnen. Dies gelte aber nicht für die Einkommensteuerzahlung in Höhe von 3.687 Euro, die der Kläger für zurückliegende Zeiten zahlen musste. Diese sei weder als betriebsbedingte Ausgabe noch als auf das aktuelle Einkommen entrichtete Steuer als Absetzbetrag mindernd zu berücksichtigen. 

Bei der Einkommensteuernachzahlung handele es sich um Schulden gegenüber dem Finanzamt und damit nicht um betriebsbezogene, sondern um personenbezogene Ausgaben, welche nach den geltenden Bestimmungen nicht vom Einkommen Hilfebedürftiger abgesetzt werden könnten. Lediglich Steuerzahlungen, die sich auf das im Bewilligungszeitraum erzielte Einkommen bezögen, könnten abgesetzt werden. 

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

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