München (jur). Sind nach der Testamentseröffnung vier Kalenderjahre vergangen, darf das Finanzamt in der Regel keine Erbschaftsteuer mehr festsetzen. Anderes gilt nur bei „völlig unklaren Verhältnissen“, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am Donnerstag, 7. Juli 2022, veröffentlichten Urteil (Az.: II R 17/20).
Geklagt hatte ein Mann aus Sachsen. Er war Großcousin einer 2003 verstorbenen kinderlosen Frau, die ihn in ihrem Testament als Alleinerben eingesetzt hatte. Drei weitere Angehörige wollten freilich etwas von dem Erbe abhaben. Das Nachlassgericht prüfte die Sache neun Jahre lang. Im Juni 2012 stellte es dann fest, dass das Erbe allein dem Großcousin zusteht. Seinem Antrag auf Testamentseröffnung gab es entsprechend statt.
Die Angehörigen legten Beschwerde ein, doch auch das Beschwerdegericht gab dem Großcousin recht und veranlasste die Ausstellung eines Erbscheins. Erst danach, im März 2018, setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer in Höhe von 163.705 Euro fest.
Zu spät, urteilte nun der BFH. Die sogenannte Festsetzungsfrist für die Erbschaftsteuer sei bereits abgelaufen gewesen. Laut Gesetz beträgt diese Frist vier Kalenderjahre. Streitig war, wann sie beginnt.
Hierfür forderte der BFH nun eine „zuverlässige Kenntnis“ von der Erbschaft. „Ernsthafte Zweifel“ dürften nicht mehr bestehen. Umgekehrt fordere das Gesetz aber auch keine absolute Gewissheit. Die Erteilung des Erbscheins sei daher nur bei „völlig unklaren Verhältnissen“ abzuwarten. Ansonsten beginne die Festsetzungsfrist mit der Eröffnung des Testaments.
Hier sei der Wortlaut des Testaments eindeutig gewesen. Das reiche zwar noch nicht aus, Sicherheit bringe erst eine gerichtliche Prüfung der Gültigkeit des Testaments. Diese sei hier durch das Nachlassgericht umfassend erfolgt. Zeitnah nach der Testamentseröffnung erfahre zudem spätestens auch das Finanzamt von der Erbschaft, so der BFH in seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 27. April 2022.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock