München. Wenn Kinder das elterliche Familienhaus erben, muss sie nicht unbedingt innerhalb von sechs Monaten dort einziehen, um von der Erbschaftssteuer befreit zu werden. Sollten die notwendigen Räumungs- und Renovierungsarbeiten aufgrund eines nicht zu vertretenden Handwerkermangels den Einzug nachweislich um insgesamt anderthalb Jahre verzögern, ist dennoch davon auszugehen, dass die Wohnung „unverzüglich“ selbst genutzt wurde. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am Donnerstag, den 28. Juli 2022, veröffentlichten Urteil entschieden (Az.: II R 6/21). Entscheidend sei hier immer der jeweilige Einzelfall.
Eine Frau aus Nordrhein-Westfalen, die 2016 das Zweifamilienhaus nebst Grundstück von ihrer Mutter geerbt hatte, reichte Klage ein. Eine der Wohnungen war vermietet, in die andere Wohnung wollte die Tochter selbst einziehen.
Doch zunächst kam es dazu nicht. Der umfangreiche Hausstand musste zunächst entsorgt und danach Instandhaltungsarbeiten durchgeführt werden. Aufgrund eines Mangels an Handwerkern und voller Auftragsbücher konnten Handwerksbetriebe die Arbeiten erst später aufnehmen. Die Klägerin war aufgrund schmerzhafter Hüftprobleme nicht in der Lage, die Renovierung selbst durchzuführen.
2019 setzte das Finanzamt schließlich eine Erbschaftssteuer von knapp 80.000 Euro fest. Die Behörde lehnte für die selbst bewohnte Wohnung eine Befreiung von der Erbschaftssteuer ab, da die Tochter nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall und somit nicht „unverzüglich“ in die Wohnung eingezogen sei.
In seinem Urteil vom 16. März 2016 hat der BFH nun festgestellt, dass für die Steuerbefreiung vom Gesetzgeber tatsächlich ein „unverzüglicher“ Einzug in das Familienhaus verlangt werde. Der Einzug müssen dann auch regemäßig innerhalb von sechs Monaten erfolgen. Laut Gesetz gelte die Steuerbefreiung für Wohnflächen bis 200 Quadratmeter. Die bloße Angabe, in ein geerbtes Haus einziehen oder das Haus als Lagerstätte nutzen zu wollen reichten nicht aus, um den Steuervorteil geltend zu machen.
Der BFH sagte jedoch, dass in Ausnahmefällen auch ein Einzug über den Sechsmonatszeitraum hinaus noch als „unverzüglich“ gelten könne. Dies könne beispielsweise dann der Fall sein, wenn notwendige Aufräum- und Renovierungsarbeiten dem Einzug entgegenstehen oder mangels Handwerker nicht rechtzeitig durchgeführt werden können. Die Beweislast hierfür liege beim Erben. Ein Überschreiten der Sechsmonatsfrist könne auch mit gesundheitlichen Ursachen begründet werden. Letztlich sei der Einzelfall maßgeblich.
Der BFH verwies das konkrete Verfahren an das Finanzgericht Düsseldorf zurück, das die Gründe für den Einzugsverzug erneut prüfen muss.
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